80. Jahrestag der Reichspogromnacht

Glaubwürdige Erinnerungskultur fordert jeden Einzelnen

Drei Elemente enthielt das Eberbacher Gedenken zur 80. Wiederkehr des Datums der Reichspogromnacht von 1938: Ansprache, Stolpersteinrundgang und Gottesdienst

12.11.2018 UPDATE: 12.11.2018 11:15 Uhr 1 Minute, 53 Sekunden

Schüler des Neigungskurses Geschichte im Hohenstaufen-Gymnasium leiteten einen Rundgang entlang der Stolpersteine, die an Eberbacher Juden erinnern. Fotos: Nolten-Casado

Von Barbara Nolten-Casado

Eberbach. "Der 9. November 1938 mit seinem von den Nationalsozialisten heimtückisch in Szene gesetzten Pogrom an den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern bleibt für alle Zeiten das Symbol eines Zivilisationsbruchs." Das sagte Bürgermeister Peter Reichert am Freitagabend bei der Gedenkveranstaltung anlässlich des 80. Jahrestages der Reichspogromnacht.

Zahlreiche Eberbacher, darunter viele junge Menschen, hatten sich dazu beim Mahnmal auf dem Synagogenplatz versammelt - schräg gegenüber des einstigen Standorts der damals niedergebrannten Synagoge. Mit dem Gedenken an die Opfer des Pogroms allein sei es allerdings nicht getan, mahnte Reichert.

Eine glaubwürdige Erinnerungskultur setze das Engagement jedes Einzelnen für die Werte der Demokratie und Wachsamkeit gegenüber ihren Feinden voraus. Ein jeder sei aufgerufen dafür zu sorgen, dass Hass, Unfrieden und Menschenverachtung "in unserer Stadt und unserem Land" keinen Platz hätten. Dr. Sebastian Schäuffele, Kunstlehrer am Hohenstaufen-Gymnasium, wertete in seiner Ansprache das vor fünf Jahren auf dem Synagogenplatz eingeweihte Mahnmal als Zeichen dafür, dass die junge Generation Eberbachs sich mit dem Geschehen von vor 80 Jahren auseinandersetze. 13 Schülerinnen des Neigungskurses Bildende Kunst hatten, begleitet von ihren Lehrern Sebastian Schäuffele und Markus Reuter sowie dem Eberbacher Bildhauer Hans Wipfler, 2013 die 18 Reliefplatten erstellt, die die Außenwände des Mahnmals zieren. Es erinnere an Gräueltaten, an Verbrechen, an Mord in unfassbarem Ausmaß, so Schäuffele.

Die Schülerinnen hätten sich der Herausforderung gestellt, das Unbegreifliche abzubilden und zugleich einem Hoffnungsschimmer darin Raum gegeben.

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Zu einem Rundgang durch die Altstadt entlang der 2011 verlegten "Stolpersteine" luden im Anschluss die Schülerinnen und Schüler des HSG-Neigungskurses Geschichte mit ihrem Lehrer Bernhard Schell ein. Dabei sollten die an den einzelnen Stationen in der Oberen Badstraße, der Kellerei- und der Hauptstraße genannten Familien für alle einst in Eberbach lebenden jüdischen Mitbürger stehen, die, sofern sie nicht rechtzeitig emigrieren konnten, in Gurs oder Auschwitz ihr Leben ließen.

Dem Rundgang folgte eine Gedenkandacht in der Michaelskirche. "Veni Domine…" sang der Kammerchor der Singschule unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Achim Plagge in einer Mendelssohn-Motette - "Komm Herr, erhöre uns…, verzeihe die Missetat deinem Volke…" Gedenken bedeute, auf das zu schauen, was geschehen sei, damit sich das Schlimme nicht wieder ereigne, eröffnete Dekan Ekkehard Leytz den Gottesdienst.

Erschütternd klangen danach die Worte des rund 2500 Jahre alten Psalms 74, die Diakon Joachim Szendzielorz vortrug: "Sie legten an dein Heiligtum Feuer, entweihten die Wohnung deines Namens bis auf den Grund. Und sie verbrannten alle Gottesstätten ringsum im Land…" Zum Gedächtnis an alle 1938 in Eberbach lebenden Juden und ihr Schicksal wurden anschließend Kerzen entzündet. Die Jungs und Mädels des HSG-Neigungskurses Musik begleiteten an Gitarren, Cello, Querflöte und Klavier unter Leitung von Musiklehrerin Jutta Gewahl das Lied, das den israelischen Traum von einem geeinten Jerusalem beschreibt: "Jeruschalajim schel zahav - Jerusalem aus Gold. Ihre Mitschülerinnen Antonia Lechner und Rebecca Sensbach hatten dazu eigene Textstrophen geschrieben.

Das Schlusslied der Gemeinde hatte der deutsch-israelische Journalist und Religionswissenschaftler Schalom Ben Chorin 1942 verfasst: "Freunde, dass der Mandelzweig sich in Blüte wiegt, bleibe uns ein Fingerzeig, wie das Leben siegt."

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