"Rechte Gruppierungen wollen im Neckar-Odenwald-Kreis Fuß fassen"
"Organisierte rechte Strukturen zwischen Tauber, Kocher & Neckar" in zweiter Auflage erschienen - Interview mit "Herz statt Hetze"

Timo Büchner analysiert die regionalen Aktivitäten rechter Gruppen. Repro: Tanja Radan
Neckar-Odenwald-Kreis. (tra) Vom Gipfel der rechtsextremen Gewalt - wie etwa Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte - ist der Neckar-Odenwald-Kreis bisher verschont geblieben. Nur wenige Kilometer weiter, im Main-Tauber-Kreis und im Hohenlohekreis, bietet sich ein anderes, erschreckendes Bild: Zwischen 2014 und 2017 gab es in den beiden Nachbarlandkreisen sieben Anschläge auf Flüchtlingsheime. Die Unterkünfte wurden von gewalttätigen Rechtsextremen mit Steinen, Feuer und Pyrotechnik angegriffen. So wurden teilweise massive Schäden angerichtet: In Wertheim-Reinhardshof wurde 2015 eine Turnhalle angezündet, die als Notunterkunft für Flüchtlinge dienen sollte. In Neuenstein brannten 2015 und 2017 unbewohnte Unterkünfte. 2016 wurde in Pfedelbach ein Gebäude von Brandstiftern angezündet, um den Einzug von Flüchtlingen zu verhindern.
Straftaten von Rechts sowie Ressentiments gegen Ausländer gibt es, wenn auch weniger ausgeprägt, jedoch auch im Neckar-Odenwald-Kreis: 2016 wurden in Osterburken Hakenkreuze gesprüht, ebenfalls 2016 scheiterte am Eckenberg-Gymnasium Adelsheim ein geplantes Integrationsprojekt nach massiven Drohungen von Eltern, 2016 wurden afrikanische Jugendliche in Oberschefflenz von erwachsenen Männern angepöbelt und geschlagen. In Mosbach wurde 2016 vor einer Flüchtlingsunterkunft der Hitlergruß gezeigt, ein schwarzer US-Amerikaner wurde bedroht, und in Buchen behauptete 2017 ein Jugendlicher fälschlich, dass Flüchtlinge ihn angezündet hätten. In Adelsheim wurde ein Hakenkreuz in ein Auto geritzt.
Diese und viele weitere Straftaten von Rechtsaußen im Hohenlohekreis, Main-Tauber-Kreis, Neckar-Odenwald-Kreis und Schwäbisch Hall sind in der 60-seitigen Broschüre "Organisierte rechte Strukturen zwischen Tauber, Kocher & Neckar" nachzulesen. Die Broschüre wurde von Timo Büchner und dem "Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber" herausgegeben. Im Oktober ist nun die zweite, überarbeitete Auflage erschienen.
Büchner geht davon aus, in der Broschüre längst nicht alle rechtsextremen Straftaten erfasst zu haben: "Wir haben nur einen Bruchteil erfassen können, weil wir auf öffentliche, beziehungsweise veröffentliche Taten angewiesen waren."
In der Broschüre werden zudem die Aktivitäten der AfD, die Büchner als die "zentrale Gefahr für demokratische Gesellschaft" ansieht, in den genannten Landkreisen analysiert. Die AfD hat sich im Neckar-Odenwald-Kreis mit Ortsgruppen, Stammtischen und Vortragsveranstaltungen bereits vernetzt.
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Kapitel sind auch der NPD, dem immer weiter nach rechts tendierendem Studienzentrum Weikersheim, der extrem rechten Gruppe "Hohenlohe wacht auf", dem völkisch-antisemitischen "Bund für Gotterkenntnis" und rechtsextremer Musik gewidmet.
Aber auch lokale Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, werden vorgestellt. So ist in der Broschüre ein Interview mit Alexander Weinlein und Markus Dosch vom Netzwerk "Herz statt Hetze Neckar-Odenwald" abgedruckt.
"Herz statt Hetze" wurde 2016 gegründet und engagiert sich für eine friedliche, solidarische und demokratische Gesellschaft. Viele Veranstaltungen wurden bereits durchgeführt.
"Im Neckar-Odenwald-Kreis haben rechte Gruppierungen eine geringere Präsenz als in den Nachbarkreisen. Dennoch muss man wachsam sein, da diese Gruppen versuchen, auch hier Fuß zu fassen. So werben sie zum Beispiel mit Aufklebern, die sie an Bahnhöfen anbringen, für ihre Sache. Auch Vertreter rechter Gruppen, die in Bayern ansässig sind, zeigen sich im Neckar-Odenwald-Kreis", berichtet Alexander Weinlein.
"Die Stimmung ist auch bei uns nach rechts gerückt", bestätigt Markus Dosch. "Das bekam auch der FSV Dornberg zu spüren. Die Fußballmannschaft, in der viele Flüchtlinge spielen, hat sich aus dem Ligabetrieb zurückgezogen, da die Ausländerfeindlichkeit auf dem Platz und am Spielfeldrand immer größer wurde."
Auch 2019 wird sich "Herz statt Hetze" weiter für eine offene Gesellschaft engagieren: Politikwissenschaftlerin Kathrin Himmler, die Großnichte des SS-Reichsführers Heinrich Himmler, wird an neun Schulen zu Gast sein. Auch Workshops über Alltagsrassismus und "hate speech" (Hassrede) sind geplant.
Alexander Weinlein ist bewusst, dass sie mit ihrem Engagement etliche Bürger nicht erreichen: "Rechte Parteien werden erst dann weniger Zulauf haben, wenn die Politik wieder mehr beim Bürger ankommt."
Info: Die Broschüre "Organisierte rechte Strukturen zwischen Tauber, Kocher & Neckar" ist für 5 Euro bei der Buchhandlung Volk in Buchen, der KZ-Gedenkstätte Neckarelz und im Bücherladen Eder-Herold in Walldürn erhältlich.