So erlebt die Gaststätte Hirschbräu den Bier-Tag
Am heutigen Freitag ist der "Tag des Bieres" - Aber auch in der derzeit geschlossenen Gaststätte Hirschbräu in Hirschlanden herrscht keine Feierstimmung

Hirschlanden. (F) Am heutigen "Tag des Bieres" würden die Liebhaber der Hopfen-Kaltschale sicherlich gerne ein wohlschmeckendes "Hirschbräu" in der Brauereigaststätte in Hirschlanden genießen und in froher Runde mit dem Gerstensaft anstoßen. Das ist aber seit mehr als einem Jahr coronabedingt nun nicht mehr möglich, denn die Gaststätte musste ebenso, wie viele in der Region auch, wegen der Pandemie schließen. Die Stühle in der Gaststätte sind hochgestellt, die Küche ist kalt, kein schmackhafter Bierbraten kein beliebter Wurstsalat nach Bauländer Art. Der Zeitraum, wann wieder eine Bewirtung stattfinden kann, ist derzeit noch vollkommen offen. Braumeister Martin Herrmann plant vorsichtig mit einer Eröffnung im September.
Ein Rückblick: Die Erfolgsgeschichte von "Hirschbräu" begann vor rund 15 Jahren, als sich die Hirschlander Bürgerinnen und Bürger im Jahre 1992 fragten: "Was ist ein Dorf ohne Gaststätte? Erst kurz zuvor hatte die letzte Wirtschaft im Ort, "Der Pfeifferhannes", zum letzten Mal seine Pforten geschlossen. Die Pläne waren hoch gesteckt: Eine Kneipe musste her – und dazu noch ein Museum und als Höhepunkt: eine eigene Brauerei! Das Konzept eines multifunktionalen Veranstaltungszentrums, das den Dorfbewohnern von Ortsvorsteher Martin Herrmann im März 2005 im Rahmen einer Bürgerversammlung vorgeschlagen wurde, klang zunächst unrealistisch und löste heftige Diskussionen aus. Schließlich sprach sich die große Mehrheit der Bevölkerung aber dafür aus, dieses große Wagnis einzugehen. Verwirklicht wurde es im alten Rathaus. Im Jahre 2006 wurde zur Unterstützung des Vorhabens zudem ein Museumsverein gegründet, der im Februar 2020 44 Mitglieder zählte. Und was niemand zu hoffen wagte, wurde real: Eine Erfolgsgeschichte hatte begonnen! Auf Initiative der Ortschaftsverwaltung wurde im Jahr 2005 beschlossen, das ehemalige Rathaus zum Museum mit Bewirtungsmöglichkeit umzubauen und zu sanieren. Die Kosten beliefen sich damals auf rund 155.000 Euro. Zusätzlich wurde die Summe von 128.000 Euro in die Brauerei investiert, die komplett vom neu gegründeten Museumsverein Hirschlanden getragen wurde.
Bereits zwei Jahre später konnte dank der Unterstützung vieler freiwilliger, ehrenamtlich arbeitender Helfer die Einweihung von Gaststätte und Brauerei gefeiert werden. Das zu Beginn belächelte Projekt "Hirschbräu" hat sich zum Magnet im Bauland und der angrenzenden Region entwickelt, was so sicherlich nicht zu erwarten gewesen war. Die Einrichtung wurde von der Landes-Bewertungskommission von "Unser Dorf hat Zukunft" als "besonderer und innovativer Ansatz zur Infrastruktur" bezeichnet.
Gaststätte und Brauerei mit Museum werden seitdem ehrenamtlich betrieben. Der von der Gaststätte erwirtschaftete Gewinn fließt in die "kleinste Zollbrauerei" Deutschlands, in das Museum und andere dörfliche Projekte. Die Gaststätte verfügt über 65 Sitzplätze und war (vor Corona) jeden Samstag geöffnet. Erstmals wurde im Jahre 2011 der erste Sud eines "Hirschbräu-Bieres" gebraut. Durch die große Nachfrage der angebotenen Biere wurde in den Jahren 2015 und 2016 ein weiteres modernes Doppelkessel-Sudsystem gekauft. Pro Sud werden nunmehr rund 500 Liter Bier in verschiedenen Sorten hergestellt. Bis zum vergangenen Jahr brauten die ehrenamtlichen Braumeister um Ortsvorsteher Martin Herrmann 50 unterschiedliche Biere, jedes Rezept eine Eigenkreation des Braumeisters. Häufig werden für die Sude alte Getreidesorten verwendet. Das Bier ist immer naturtrüb und ungefiltert. Aufgrund der zwischenzeitlich vielen Zeitungs-, Radio- und Fernsehberichte über das beispielhafte Dorfprojekt in Hirschlanden kommen die Besucher aus ganz Deutschland.
Im Jahre 2013 hat "Hirschbräu" das offizielle Neckar-Odenwald-Kreis-Bier, ein Schwarzbier mit einer grünen Hopfennote gebraut, das auch bei den jährlichen Brauereifesten mit angeschlossenem Erzeugermarkt getrunken wird. "Hirschbräu" wurde mit dem Landespreis für vorbildliche Bürgeraktionen ausgezeichnet. "Das hier Geleistete habe Vorbildcharakter für das ganze Land. Mit Ideenreichtum und unglaublichem Engagement wurde ein multifunktionales Gebäude mit Gaststätte und Brauerei geschaffen, das einen Meilenstein in der Dorfentwicklung darstellt, an dem auch viele Bürgerinnen und Bürger des Dorfes beteiligt waren", hieß es in der Begründung weiter. Auch eine Auszeichnung aus Brüssel gab es für die Bierbrauer aus Hirschlanden, sie hätten mit "Hirschbräu" ein innovatives Musterprojekt geschaffen, das eine Vorbildfunktion für ganz Europa habe.
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Zum großen Erfolg trägt auch das Rathaus-Museum des Museumsvereins bei. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, die Geschichte der Brauereien in der Region Main-Tauber-Odenwald darzustellen und mit zahlreichen Ausstellungsstücken lebendig werden zu lassen.
In den letzten Jahren trafen sich viele Bierliebhaber, die gerne ein voll mundendes Bier trinken und eine einzigartige Atmosphäre genießen möchten. Ohne Voranmeldung war kein Besuch der Gaststätte möglich, da an jedem Wochenende die 65 vorhandenen Plätze schnell ausgebucht waren. Auch die alljährlich stattfindenden Brauereifeste waren ein Anziehungsmagnet, bis das kleine Virus zuschlug und das öffentliche Leben weitgehend lahmlegte. Verordnungen des Landes sahen vor, dass auch die Gaststätten schließen müssen und auch keine Vereinsfeste mehr stattfinden dürfen. Seit mehr als einem Jahr sind die Stühle im Gastraum hochgestellt. Die finanziellen Einbußen sind auch für diese kleine Gaststätte enorm. Es wird kein Bier mehr gebraut!
Wie Ortsvorsteher und Braumeister Martin Herrmann gegenüber der RNZ betonte, rechne man frühestens im September mit einer Wiederöffnung. Mit dem Brauen neuen Bieres soll im Juni begonnen werden, damit das Bier ausreichend Zeit zum Reifen hat, bis es dann in der Gaststätte wieder ausgeschenkt werden kann. Auf diesen Tag warten die Biertrinker sehnlichst.