Mannheim

"Ja, aber" zum Klimaschutzaktionsplan

Es gibt Zweifel, ob in der Stadt tatsächlich innerhalb von nur sieben Jahren 80 Prozent CO₂ eingespart werden können.

19.11.2022 UPDATE: 19.11.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 29 Sekunden
Das Straßenbahn- und Busnetz soll in Mannheim ausgebaut werden – das kann die Stadt aber nicht allein beschließen, sondern die „große Politik“ und der Verkehrsverbund. Foto.: vaf

Von Alexander Albrecht

Mannheim. Der Worte sind genug gewechselt – jetzt soll und muss gehandelt werden. Exakt 81 Einzelmaßnahmen listet der am Donnerstag mit großer Mehrheit vom Gemeinderat beschlossene Klimaschutzaktionsplan auf. Innerhalb von nur sieben Jahren will die Stadt – mit Unterstützung vor allem aus Brüssel – bis 2030 den CO2-Ausstoß um 80 Prozent senken. Der Rest, der sich nicht vermeiden lässt, kann laut Umweltbürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne) zum Beispiel durch die Aufforstung von Wäldern ausgeglichen werden. Zum Vergleich: Baden-Württemberg will "erst" 2040 klimaneutral sein, Deutschland fünf Jahre später.

Dass die Stadt wesentlich schneller ist, dahinter setzt unter anderem die Industrie- und Handelskammer (IHK) ein Fragezeichen. Der Aktionsplan "addiere sich gedanklich zu einem erheblichen Budget", sagte IHK-Geschäftsführer Andreas Kempff. Die finanzielle Situation der Stadt sei angespannt, und schon jetzt stehe sie mit dem hochdefizitär arbeitenden Universitätsklinikum und der Sanierung des Nationaltheaters vor riesigen finanziellen Herausforderungen. Darüber hinaus ärgert sich IHK-Präsident Manfred Schnabel darüber, dass die Kammer nur auf eigenen Druck hin an der Entwicklung des Klimaschutzprogramms mitwirken durfte. Selbst die Stadt ist sich unsicher, ob sie die zeitliche Zielvorgabe erfüllen kann. Es sei nicht möglich, valide und wissenschaftlich abzuschätzen, wie viele CO2-Emissionen bei einer Umsetzung aller 81 Maßnahmen eingespart werden könnten, hieß es in der Vorlage der Verwaltung an den Gemeinderat.

Im Etatentwurf für das kommende Jahr sind für den Aktionsplan lediglich drei Millionen Euro eingepreist. Sehr viel mehr Geld erhofft man sich von der EU. Die hat Mannheim und Heidelberg zu Modellstädten gekürt, die versuchen sollen, bis 2030 klimaneutral zu werden, und sich zu Zuschüssen verpflichtet. Noch steht aber nicht einmal fest, wie die Hilfe konkret aussieht und an welche Bedingungen sie geknüpft ist.

Umweltschutzinitiativen wie Fridays for Future oder Mannheim kohlefrei erklärten, es reiche bei Weitem nicht aus, auf das Füllhorn von Land, Bund und EU zu warten. "Jetzt" heißt es an vielen Stellen des Papiers. Jetzt müssten Energie- und Wärmeversorgung umgestellt, Windkraftanlagen auf der Friesenheimer Insel gebaut oder der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs angegangen werden. Dass der Gemeinderat bei jeder Maßnahme das letzte Wort habe – wovon drei Fraktionen ihre Zustimmung abhängig machten – lasse nichts Gutes vermuten. Soll heißen: Parteipolitisches Gezänk verlangsamt Entscheidungen.

Und auch Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) sagte in der Sitzung: "Wenn wir unsere Stadt nachhaltig verändern wollen, dann dulden Klimaschutzmaßnahmen keinen Aufschub." Aufs Tempo drückt auch das Umweltforum – und zeigt sich von den Ergebnissen des Aktionsplans "sehr enttäuscht". Denn ein echter Handlungsleitfaden sei das 188 Seiten starke Papier nicht, dafür sei es zu vage. Im Aktionsplan sei zwar die "Attraktivitätssteigerung des ÖPNV mit einer Ausweitung des Angebots" als sogenannte Top-Maßnahme aufgeführt. Tatsächlich würden aktuell in Mannheim Bus- und Bahnlinien reduziert, was dem Personalmangel geschuldet ist.

Zu den Projekten mit hoher Priorität zählen zudem der Abbau von Privilegien für den motorisierten Individualverkehr, etwa durch die Erhöhung von Parkgebühren in der City oder finanzielle Anreize für den Verzicht aufs Auto. Weiter geplant: der Ausbau von Photovoltaikanlagen, Gebäudebegrünungen, Entsiegelung von Flächen oder eine Handwerksoffensive. Dabei ist der Stadt bewusst, dass sie auf dem Weg zur klimaneutralen Kommune nur auf ein Drittel der Maßnahmen Einfluss nehmen kann, die anderen beiden Drittel müssen Bund, Land und EU sowie die Bürger stemmen.

Wirtschaft und Politik seien aber noch mindestens zwei Jahre fast komplett mit der Krisenbewältigung beschäftigt, sagte IHK-Präsident Schnabel. Dennoch bleibe es richtig, den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu verstärken. Viel hängt nun vom Umweltdezernat ab, das die Projekte konkretisieren und die Umsetzung vorbereiten muss. Bürgermeisterin Pretzell hat versprochen, dass bereits im kommenden Jahr die ersten Vorhaben anlaufen sollen, aus denen messbare Einsparungen resultierten.

Daran können sie die Bürger konkret messen: Die Verwaltung will im Internet eine Datenbank aufbauen, in der sich Interessierte über den aktuellen Stand der Projekte informieren können. Darüber soll auch im Gemeinderat alle 100 Tage berichtet werden.

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