Weinheimer Hermannshof

Überlebenskünstler aus Prärie und Steppe

Pflanzen im Schau- und Sichtungsgarten haben Dürre gut überstanden - "Wir sollten einfach wie die Pflanzen denken"

24.08.2018 UPDATE: 25.08.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 45 Sekunden

Auch im Hermannshof hat die lange Dürreperiode ihre Spuren hinterlassen. Foto: Katzenberger-Ruf

Von Karin Katzenberger-Ruf

Weinheim. "Der Rasen wird aus ökologischen Gründen nicht bewässert. Beim nächsten Regen wird er - wie in der Vergangenheit auch - wieder grün austreiben", ist auf dem Schild im Hermannshof zu lesen. Die rund vier Monate anhaltende Dürre hat auch in dem auf Staudengewächse spezialisierten Schau- und Sichtungsgarten in Weinheim ihre Spuren hinterlassen. Die großzügige Rasenfläche, in deren Mitte eine 120 Jahre alte Tulpen-Magnolie steht, ist braun und staubtrocken.

"Das hab ich in den 20 Jahren, die ich nun hier arbeite, auch noch nicht erlebt", sagt der Leiter des Gartens, Cassian Schmidt. Doch er konnte es einfach nicht verantworten, den Rasen regelmäßig mit städtischem Trinkwasser zu versorgen. Die Wasserrechnung für 2018 werde sowieso auf nie erreichte Höhen ansteigen und voraussichtlich bei bis zu 12.000 Euro liegen.

Dabei kam im Hermannshof in den letzten Wochen nachts die sparsam arbeitende automatische Tröpfchenbewässerung zum Einsatz (ein in Israel erfundenes System), und die Sprinkleranlagen liefen tagsüber nur im Schatten. Im Schnitt lag der tägliche Wasserverbrauch dennoch bei bis zu 30.000 Litern.

Hermannshof-Leiter Cassian Schmidt begutachtet die Blüten einer Kompasspflanze. Foto: Katzenberger-Ruf

Und doch kann Schmidt dem heißen Sommer etwas Gutes abgewinnen. Der Autor zahlreicher Fachbücher meint sogar: "Kann sein, dass wir die Literatur zum Teil umschreiben müssen." Warum das? Weil erstmals wissenschaftliche Beobachtungen möglich waren, die über das Bekannte hinaus gingen. Schließlich sollen im Schau- und Sichtungsgarten die "Standortsituationen" von Staudengewächsen aus Nordamerika oder aus dem asiatischen Raum in unseren Breitengraden erforscht werden.

Auch interessant
Dürreperiode: Geht in Neckarsteinach das Wasser aus?
Fischsterben im Rhein droht: Sommer, Sonne, Speiseeis: Gewinner und Verlierer der Hitze
Schön und teils bizarr: Sukkulenten im Garten - Was Kakteen und Co. brauchen
Naturschutzbund empfiehlt: Jetzt brauchen Vögel dringend Wasser

Gartenleiter Schmidt ist begeistert, dass der Präriegarten nach der langen Trockenheit immer noch grün aussieht und sogar noch was blüht. Zum Beispiel die "Kompasspflanze". Deren riesige Blätter haben eine obere Schicht, die sich anfühlt wie Sandpapier - sie sind vertikal stets in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet, was wiederum vor direkter Sonneneinstrahlung vor allem zur Mittagszeit schützt.

Wie die Indianer das Gewächs als Heilpflanze nutzten, ist den Informationstafeln im Präriegarten zu entnehmen. Ebenso, dass sie nie dort siedelten, wo die Pflanzen in Massen wuchsen. Fürchteten sie doch, sie könnten den Blitzschlag anziehen. Präriepflanzen sind wegen ihrer bis zu 15 Meter tiefen Wurzeln Überlebenskünstler. Nun haben sie das auch im Hermannshof unter Beweis gestellt. Steppenpflanzen wurzeln nicht so tief, stellen stattdessen bestimmte Funktionen wie Grünen und Blühen ein.

"Die sitzen die Hitze einfach aus", nennt Schmidt das und fügt an: "Die Pflanzen leiden nicht, sondern verhalten sie nun bei uns so wie in ihrer ursprünglichen Umgebung." Also hat auch die "Goldgarbe" ihren Glanz verloren, überlebt statt in Gelb nun in Braun. "Wir müssen uns einfach mehr in die Pflanzen hineinversetzten, also quasi denken wie sie", sagt der Hermannshof-Leiter.

Info: Der Schau- und Sichtungsgarten (Haupteingang Babostraße 5) entstand ab 1981 auf dem Anwesen der Industriellenfamilie Freudenberg. Bei freiem Eintritt ist der Garten von 10 bis 19 Uhr geöffnet - www.sichtungsgarten-hermannshof.de 

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.