Weinanbau an der Bergstraße

Wenn Pilze Pilze bekämpfen

Esca-Krankheit macht Winzern immer mehr Probleme - Forscher reagieren mit "Impfstoff" für Weinstöcke

03.04.2018 UPDATE: 04.04.2018 06:00 Uhr 3 Minuten, 25 Sekunden

Gelb-braune Verfärbungen der Blätter und Lederbeeren sind Zeichen für Esca-Befall - hier an einem Rebstock der Sorte Müller-Thurgau. Weltweit verursacht die Krankheit Schäden in Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr. Auch in Deutschland ist sie auf dem Vormarsch. Fotos: dpa

Von Doreen Fiedler und Carsten Blaue

Bergstraße/Neustadt. Esca-Pilze lassen Rebstöcke absterben. Das Problem wird nicht nur hierzulande immer größer. Die Schäden sind weltweit immens. Nun könnte es ein Gegenmittel geben, das aus den Weinreben selbst kommt. Forscher "impfen" die Rebstöcke quasi mit anderen Pilzen. Experten bleiben allerdings skeptisch: "Es ist ein sinnvoller Ansatz, dem Problem näher zu kommen", sagt etwa Reb-Veredler und Weinbauingenieur Reinhard Antes aus Heppenheim: "Aber es ist damit nicht gelöst."

Breiten sich Tigerstreifen auf den Blättern eines Weinstocks aus, schrillen beim Winzer die Alarmglocken. Er weiß, dass nach der gelb-braunen Verfärbung der Weinblätter bald die Trauben zu ungenießbaren Lederbeeren zusammenschrumpeln. Dann vertrocknen die Triebe, schließlich stirbt der ganze Rebstock ab. Der Winzer muss das Holz aus dem Weinberg reißen und verbrennen. "Esca ist ein Mordsproblem", sagt Antes im RNZ-Gespräch. Früher zeigten sich die Effekte eines Esca-Befalls im Weinberg meist erst nach 15 oder 20 Jahren: "Heute sieht man sie schon in sechs- bis achtjährigen Anlagen", so Antes. Den Klimawandel nennt er als Hauptursache dafür.

Ursache ist die durch Pilze verursachte Holzkrankheit Esca. Seit Ende der 1990er Jahre wird sie in deutschen Weinbauregionen als ernstes Problem betrachtet, heißt es beim Julius Kühn-Institut in Quedlinburg. Überall in den Weinbergen tauchen tote Rebstöcke auf, vermeintlich zufällig verteilt. Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass Esca-Pilze heute die Hauptschaderreger im Weinberg seien, so Tim Ochßner, Weinbauberater am Landwirtschaftsamt des Landratsamts Karlsruhe, auf RNZ-Nachfrage.

Es handelt sich dabei um Totholzpilze, wie Winfried Krämer, Aufsichtsratsvorsitzender der Schriesheimer Winzergenossenschaft, erklärt. Sie dringen an den Schnittstellen der Rebstöcke ein und zerstören von innen. Normales Spritzen hilft da wenig. Die Sporen fliegen ab zwei Grad Celsius. Sind sie im Weinberg, so besiedeln sie irgendwann alle Rebstöcke. Keine Sorte ist vor Esca gefeit. Tendenziell sind Müller-Thurgau, Riesling und Gewürztraminer eher betroffen, die Burgundersorten weniger.

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Forscher haben nun wohl ein Gegenmittel gefunden. Der Clou dabei: Sie bekämpfen die holzzerstörenden Pilze mit Pilzen der Trichoderma-Arten, wie Andreas Kortekamp und Joachim Eder vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz erklären. Das sei eine Art "Schutzimpfung für die Weinrebe", sagen die Rebkrankheiten-Experten. Wo die harmlosen Trichoderma-Pilze schon sitzen, können sich die Esca verursachenden Pilze nicht mehr niederlassen.

Gefunden haben die Forscher die nützlichen Pilze in den Rebstöcken selbst. Natürlicherweise kommen sie aber nur in wenigen Prozent der Reben vor, wie Kortekamp erklärt. Einmal eingeimpft, wüchsen die Pilze in die Rebe ein. Es handele sich um natürlichen Pflanzenschutz - die Wissenschaft imitiere oder verstärke ein natürliches System, betont Kortekamp.

Würden schon die kleinen Setzlinge in den Rebschulen mit Trichoderma geimpft, seien die Erfolge sehr gut, sagt Eder. Die Besiedelungsrate liege bei fast 100 Prozent. Negative Effekte konnten die Pilzexperten bei ihren Versuchspflanzungen rund um das DLR in Neustadt an der Weinstraße bisher nicht feststellen. Doch kann man nicht gleich jeden befallenen Weinberg neu aufstocken. Und auch die Verjüngung älterer Anlagen sei mit enormem Aufwand verbunden, gibt Werner Bauer zu bedenken.

Der Winzer vom Heidelberger Dachsbuckel ist Vorstandsmitglied der Wieslocher Genossenschaft "Winzer von Baden" und Rebschutzwart für Heidelberg. Er hofft, dass das Esca-Problem beim Frühjahrstreffen der Rebschutzwarte von Bergstraße, Ortenau und Kraichgau am nächsten Montag ein Thema sein wird. Und grundsätzlich begrüßt er die Forschungen, um der Sache Herr zu werden.

Die Wissenschaftler halten das Potenzial der Trichoderma-Pilze für gewaltig. Schließlich gingen jedes Jahr rund ein bis vier Prozent der Rebstöcke durch Esca kaputt. Weltweit entstünden so Verluste von jährlich einer Milliarde Euro, in Deutschland wird der Schaden auf rund 40 Millionen Euro geschätzt. Die deutschen Winzer reagierten derzeit noch zurückhaltend, sagt Stephan Reimann vom Unternehmen Belchim Crop Protection in Burgdorf, das derzeit das einzige Anti-Esca-Produkt mit Trichoderma auf dem deutschen Markt anbietet. "Die Ergebnisse sind aber sehr gut. Das interessiert die Winzer auch auf jeden Fall, die letzte Überzeugung fehlt jedoch noch", sagt Reimann.

Zu den Vorsichtigen zählt auch Tim Ochßner. Die Forschungen, sagt er, stünden ja noch ganz am Anfang. Antes unterstreicht, dass der genetische Hintergrund der Esca-Erreger noch überhaupt nicht bekannt sei: "Es gibt ja unterschiedliche Pilze. Einer macht am Rebstock die Tür für den Befall auf, einer hält die Klinke, andere gehen rein." Nur wer macht was? Das ist die unbeantwortete Frage. Daher sagt Antes: "Trichoderma ist keine Bekämpfung, sondern einer der Versuche, den Befall zu verringern."

Die Genehmigung für das Mittel gibt es seit drei Jahren, und die Zulassung gilt nur für Rebschulen und junge Anlagen. Reimann ist überzeugt: Können die Winzer auch ältere Rebstöcke nach dem Rebschnitt an den Wunden mit der Anti-Esca-Lösung behandeln, werden sie zugreifen. Der Wirkungsgrad des Produkts liege bei 50 bis 80 Prozent, erzählt Kortekamp.

"Im Labor klappt’s", entgegnet Antes. Für den Winzer draußen im Weinberg seien die Anwendungsbedingungen heute allerdings "miserabel": "Man muss Trichoderma nach dem Schnitt im Winter spritzen. Bei plus zehn Grad Celsius. Kommen dann Frost und Kälte, war alles schon für die Katz’". Zudem stellt sich für Antes durchaus die Frage, wie man Totholz - also Gewebe, das in sich nichts mehr transportieren kann - wirklich erfolgreich imprägnieren soll. Ganz abgesehen davon, dass es ein teures Unterfangen sei. Insofern sei die Trichoderma-Behandlung nur ein erster Ansatz. Ein weiterer, die Schnittstellen am Stock möglichst klein zu halten, wie Winfried Krämer sagt. Manchmal kann der Rebschutz eben einfach auch mit der Schere funktionieren.

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