Hygieneaffäre kommt vor Gericht
Prozess gegen angeklagten Ex-Geschäftsführer beginnt am 22. Februar

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Knapp sechseinhalb Jahre nach Bekanntwerden gravierender Hygienemängel am Universitätsklinikum Mannheim muss sich der frühere Geschäftsführer vor dem Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft Alfred D. Verstöße gegen das Medizinproduktegesetz vor. Diese können mit einer Geldbuße oder einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Der Prozess gegen den 72-Jährigen beginnt am 22. Februar, das Gericht hat bis Ende April insgesamt zehn Verhandlungstage angesetzt.
Die Staatsanwaltschaft nahm im Oktober 2014 Ermittlungen gegen das Krankenhaus auf. Experten des Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe hatten zuvor bei Durchsuchungen entdeckt, dass Operationsbesteck nicht durch zertifizierte "Spülmaschinen" desinfiziert wurde. Bei allen 20 Geräten war die Prüfplakette abgelaufen, die Klinikleitung schaltete sie daraufhin ab. Es kam jedoch ans Licht, dass das RP schon sieben Jahre zuvor die Aufbereitung des Sterilguts beanstandete.
In der Folge musste das Krankenhaus die Operationen auf dringende Eingriffe beschränken. Der Betriebsrat kritisierte, Alfred D. ginge es vor allem um Gewinne, der Kostendruck sei enorm. Der Personalmangel habe die Hygieneaffäre verursacht. Schließlich nahm der Geschäftsführer seinen Hut. Die Staatsanwaltschaft warf ihm in ihrer Anklage Anfang 2018 vor, es "trotz des von ihm erkannten dringenden Handlungsbedarfs" unterlassen zu haben, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Hierdurch sei "die Gesundheit einer Vielzahl von Patienten gefährdet worden".
Allerdings räumte die Behörde ein, dass kein direkter Zusammenhang zu Infektionen, die Menschen im Klinikum erlitten hatten, nachweisbar sei. Die Ermittler prüften auch Vorwürfe gegen fünf weitere Führungskräfte. Der frühere Leiter der Sterilgutversorgung akzeptierte einen Strafbefehl von 90 Tagessätzen, gegen die vier anderen wurden (strafrechtlich nicht registrierte) Bußgelder verhängt. Von der Anklage bis zum Prozess gegen Alfred D. hat es drei Jahre gedauert, was sich im Falle einer Verurteilung strafmildernd auswirken dürfte.
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Ein Sprecher des Landgerichts begründete 2020 gegenüber der RNZ die lange Vorlaufzeit mit der Komplexität des Verfahrens. Davon zeugten acht Bände zu den Ermittlungen, 15 mit Fallakten, 18 Ordner Beweismittel und 20 Sonderordner. Auch müsse sich die zuständige Kammer erst in eine "völlig neue" Rechtsmaterie einarbeiten. Weiterer Grund: Bei Gericht gilt das Beschleunigungsgebot. Das heißt: Tatverdächtige, die in Untersuchungshaft sitzen, haben Vorrang. Bei überlanger Verfahrensdauer muss ein Beschuldigter aus dem Gefängnis entlassen werden – selbst wenn Strafvorwürfe nicht abschließend geklärt sind oder Fluchtgefahr angenommen wird.
In der Ankündigung des Prozesses geht das Gericht nicht explizit auf Hygienemängel ein. Vielmehr heißt es, Alfred D. habe es zwischen 2007 und seinem Ausscheiden im Spätherbst 2014 "vorsätzlich unterlassen, ausreichende Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass nicht ausreichend sterilisiertes Operationsinstrumentarium für den Einsatz vorgehalten wird".
Für die Klinik spiele die Affäre im Verhältnis zu den Patienten keine Rolle mehr, sagte Sprecher Dirk Schuhmann der RNZ. Das Krankenhaus habe damals ein zertifiziertes Unternehmen mit der Aufbereitung seines Sterilguts beauftragt, das auch für andere Häuser tätig ist. Die zuvor auf mehrere Einheiten verteilten Reinigungs- und Desinfektionsaufgaben seien in einer zentralen, komplett modernisierten Abteilung gebündelt, die Abläufe neu organisiert und OP-Besteck neu beschafft worden, so Schuhmann.
Das Regierungspräsidium habe der Klinik und dem externen Dienstleister bei mehreren Besuchen ein gutes Zeugnis ausgestellt. Die Sterilgutaufbereitung entspreche inzwischen höchsten Standards, in einigen Hygienebereichen habe man sogar eine Führungsrolle übernommen. So nutze das Haus ausschließlich Endoskope einer neuartigen Bauart, die leichter zu reinigen und sicherer zu desinfizieren seien. Zur Höhe des Schadens und den damals notwendigen Investitionen machte der Sprecher auf Anfrage keine Angaben. Der Gemeinderat musste jedoch seit Herbst 2014 die Klinik mehrfach mit millionenschweren Finanzspritzen stützen. Das hat auch mit dem wirtschaftlichen Desaster beim Kauf von drei defizitären Krankenhäusern in Südhessen zu tun, den Alfred D. zu verantworten hat. Ob das Haus Regressansprüche gegen ihn erhebt, ließ Schuhmann offen.



