So funktioniert die Unterstützung für Wohnsitzlose im Winter
Aufwärmen im Kältebus - Ab Null-Grad-Marke sind die Freiwilligen unterwegs

Von Wolf H. Goldschmitt
Mannheim. Eiseskälte bedeutet für die meisten frostige Finger oder eine rote Nase. Für Obdachlose aber können arktische Temperaturen wie jetzt zur tödlichen Gefahr werden. Ein Kältebus, der besser Wärmebus heißen sollte, ist bei Erreichen der Null-Grad-Marke in der Mannheimer City unterwegs. Die ehrenamtlichen Helfer versuchen, bei Einbruch der Dunkelheit, den Wohnsitzlosen mit einer heißen Tasse Tee, einer Suppe, Thermomatten oder einem warmen Schlafsack über die Nacht zu helfen.
Besetzt mit Freiwilligen rollt der weiße Sprinter bei seiner Runde zu verschiedenen "Platten", wie die windgeschützten Schlafplätze in städtischen Parks oder Unterführungen genannt werden. Trotz lobenswertem, sozialem Engagement löst die Versorgungsstation auf Rädern ein dringendes Problem nicht: einen ruhigen, sicheren und warmen Platz für die Übernachtung zu finden.
Nach Auskunft der Stadtverwaltung sammelt der Bus momentan "nur" ein bis drei Menschen ein, um sie in eine Notunterkunft wie das Haus Bethanien oder die Anlaufstelle in der Bonadiesstraße zu fahren. Doch in Zeiten von Corona ist alles anders. Die Mehrbettzimmer sind aufgelöst, denn nur so lassen sich die Hygienevorschriften einhalten. Damit hat sich die Bettenzahl fast halbiert. Seit vier Wochen werden bei der Aufnahme auch Schnelltests gemacht – sowohl bei Mitarbeitern als auch bei Übernachtungsgästen. Das Rathaus schätzt die Zahl der Wohnsitzlosen auf 20 bis 50 Personen.
Richard Brox fordert mehr Schutz für Obdachlose
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"Die Dunkelziffer ist höher, 50 mehr werden es wohl sein", sagt der Mannheimer Erfolgsautor und ehemalige Obdachlose Richard Brox. Viele Obdachlose pendelten jetzt im Rhein-Neckar-Raum hin und her auf der Suche nach einem sauberen und ungestörten Schlafplatz. Die Kommune hält dagegen: "Es stehen hinreichend Übernachtungsplätze zur Verfügung für Personen, die einen Schutz vor der Kälte benötigen". Einzelzimmer höre sich gut an, bedeute aber nicht, dass der Schlafende dort wirklich seine Ruhe hat und nicht von Leidensgenossen abgezockt wird, so Brox. Die Mannheimer Zimmer sind offen durchgängig. Jeder kann jederzeit hinein und da schläft keiner ruhig", kritisiert der Schriftsteller. Weil die Betroffenen das wüssten, suchten sie anderswo. "Oder sie machen im Käfertaler Wald Platte und riskieren den Erfrierungstod, weil sie wegen Alkohol die Kälte nicht mehr spüren. Einige sind schon Jahre draußen und dafür gut ausgestattet, aber längst nicht alle."
Und er schlägt eine andere Lösung vor. Im "härtesten Winter seit Jahrzehnten" bräuchten die Obdachlosen mehr Unterstützung als jetzt angeboten wird. "Das Bettelgeld ist weg, weil die Innenstädte leer gefegt sind, Essenausgabestellen, Tagesaufenthaltsstätten, Arztpraxen und Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe haben ihr Angebot gewaltig reduziert", berichtet Brox weiter.
Er fordert mehr Schutz für die Obdachlosen, und zwar in günstigen, abschließbaren Einzelzimmern von leer stehenden Pensionen wie in der Unteren Mühlaustraße. In anderen Städten gebe es mit dieser Lösung bereits gute Erfahrungen. Gleichzeitig sei das Wirtschaftsförderung. "Hotels verdienen, ihr Geld lieber mit echten Gästen statt allein auf Nothilfen angewiesen zu sein", lautet sein Appell an die Kommunalpolitiker.



