Schleuser, Mord, Corona-Betrug

Diese Fälle beschäftigen die Staatsanwaltschaft Heidelberg

Schleuser arbeiten wie ein Reisebüro. Millionenreibach mit angeblichen Corona-Tests.

08.03.2024 UPDATE: 08.03.2024 04:00 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden
Symboldbild: David-Wolfgang Ebener/dpa

Von Alexander Albrecht

Heidelberg/Rhein-Neckar. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hat kürzlich bei einem Pressegespräch über den aktuellen Stand des Verfahrens bei mehreren größeren Fällen aus dem vergangenen Jahr informiert. Die RNZ stellt drei aus dem Rhein-Neckar-Kreis vor.

> Der Schleuser: Die Geschichte beginnt Ende September 2022, als die Polizei auf der A5-Rastanlage Hardtwald bei Sandhausen einen VW-Touran kontrolliert. Im Auto: vier Männer. Zwei Syrer auf der Rückbank geben übereinstimmend an, vom Fahrer, Beifahrer und Halter gegen Geldzahlung von Tschechien nach Deutschland gebracht worden zu sein. Die Beamten nehmen Ermittlungen gegen das beschuldigte Trio auf, werten Mobiltelefone aus und erfahren dadurch von weiteren Schleuserfahrten.

Anfang Januar 2023 wird der 44-jährige Halter nach einem Haftbefehl des Amtsgerichts Heidelberg in seiner Wohnung im thüringischen Jena festgenommen. Auf dem Handy des Syrers befinden sich viele Chatnachrichten in arabischer Sprache und Videos, die die Ankunft von geschleusten Menschen in der Bundesrepublik zeigen. In der Folge vernimmt die Polizei insgesamt 52 Personen, wovon 13 den 44-Jährigen identifizieren.

Wie weitere Recherchen ergeben, agiert die Gruppe international und professionell, ähnlich eines Reisebüros. Die Ausländer werden von der Türkei nach Serbien und weiter über Ungarn und die Slowakei nach Tschechien gebracht. Damit sie nach Deutschland, die Niederlande oder Belgien gelangen, zahlen sie zwischen 10.000 und 15.000 Euro pro Person an die Schleuser.

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Diese organisieren sich auf drei Ebenen, so die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Oben stehen unbekannte Drahtzieher, die in der Türkei und Syrien "Büros" leiten, in denen Schleuserfahrten gebucht werden können. Der 44-Jährige ist Mitglied der zweiten Ebene und zuständig für den letzten "Reiseabschnitt".

Fahrer und Beifahrer im Touran sind von ihm beauftragt worden und gehören der dritten Ebene an. Aufgabe des Fahrzeughalters war es, Videos von den Geschleusten anzufertigen und an die oberste Führungsebene weiterzuleiten, die dann die Zahlung von Honoraren zwischen 650 und 1100 Euro veranlasste.

Während das Amtsgericht Heidelberg Fahrer und Beifahrer am 14. März 2023 zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, muss der 44-Jährige hinter Gitter bleiben. Das Landgericht Heidelberg spricht den Mann mit Urteil vom 11. Oktober 2023 in 22 Fällen wegen des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern schuldig. Fünf Jahre Haft für den Syrer, außerdem wird sein Touran im Wert von 90.000 Euro eingezogen.

> Der Mord: Ein stechender, ekelerregender Geruch kriecht einem Techniker in die Nase, der sich am 10. Oktober 2023 zu Wartungsarbeiten in einem zweistöckigen Reihenmittelhaus in Walldorf befindet. Er benachrichtigt die Vermieterin, und die verständigt wiederum die Polizei. In einer Wohnung machen die Beamten einen grausamen Fund – sie entdecken die Leiche eines Mannes.

Wie sich herausstellt, ist der 63-Jährige bereits drei Tage zuvor Opfer eines Verbrechens geworfen. Sein Mitbewohner (40) soll ihn zunächst auf den Kopf geschlagen haben, Messerstiche folgten. Der schlafende Geschädigte hatte keine Chance. Der mutmaßliche Täter soll sich von ihm in seiner Nachruhe gestört gefühlt haben, möglicherweise hat er sich das aber nur eingebildet.

Er befindet sich einem psychiatrischen Krankenhaus. Und dort soll der 40-Jährige nach dem Wunsch der Staatsanwaltschaft auch bleiben: Die Behörde hat beim Landgericht Heidelberg einen Antrag auf dauerhafte Unterbringung wegen Mordes eingereicht. Die Richter müssen noch entscheiden, wann sie den Prozess mit sogenanntem Sicherungsverfahren gegen den Beschuldigten eröffnen.

> Der Betrug: Ein Millionengeschäft gemacht haben sollen zwei junge Männer mit ihren insgesamt zehn Corona-Teststationen im Rhein-Neckar-Kreis. Allerdings kein legales: Die Staatsanwaltschaft wirft dem 23- und dem 24-Jährigen Abrechnungsbetrug im Zeitraum zwischen Juni 2021 und März 2023 vor. Über ihre Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) sollen sie bei der Kassenärztlichen Vereinigung viel mehr Tests zur Erstattung eingereicht haben als tatsächlich vorgenommen.

Zudem verstießen sie offenbar in den Stationen gegen hygienische und technische Standards. Die Kassenärztliche Vereinigung überwies laut Staatsanwaltschaft insgesamt 1,4 Millionen Euro auf das Konto der GbR. Eingeleitet worden waren die Ermittlungen nach einer Geldwäscheverdachtsanzeige der Bank. Insgesamt ermittelt die Behörde derzeit hinsichtlich des Betrugs mit Corona-Tests gegen fast 30 Personen. Sie sollen einen Schaden von knapp fünf Millionen Euro verursacht haben.

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