Vier Tage nach der Katastrophe zischte es immer noch
Experten sagten aus - Schiffsgutachter übt Kritik

Bei der Explosion am 16. Oktober 2016 auf dem Gelände des Chemiekonzerns BASF starben fünf Menschen. Archiv-Foto: Einsatzreport Südhessen
Von Alexander Albrecht
Frankenthal/Ludwigshafen. Vier Tage nach der Katastrophe im Nordhafen der BASF steht der Chemiker am Ort des Geschehens und beäugt die zerborstenen Rohre. Allzu lange darf sich der Mann vom Landeskriminalamt (LKA) in Mainz dort nicht aufhalten, schon wenig später werden er und seine Kollegen von Ludwigshafener Polizisten zurückbeordert. "Denn es hat in dem Rohrleitungsgraben gezischt", erinnert sich der LKA-Experte bei seiner Vernehmung am Frankenthaler Landgericht. "Ich war selbst überrascht, dass man das Geräusch noch gehört hat."
Auf Nachfragen des Gerichts vermutet der Chemiker, dass das Zischen "wohl von dem versehentlich angeflexten Rohr kam, und das haben wir damals auch mitgeteilt." Ganz sicher ist er allerdings nicht. Bislang waren die Prozessbeteiligten davon ausgegangen, dass Mitarbeiter der BASF den Schnitt entdeckt und anschließend die Ermittler informiert hatten - und nicht umgekehrt. Sicher ist, das haben der Chemiker und sein Team hinterher durch Proben herausgefunden, dass die festgestellten Stoffe den Angaben im BASF-Leitungsplan entsprachen.
Ein Schiffsgutachter kritisiert, wie Schiffe im Nordhafen des Chemiekonzerns an die Rohrleitungen auf dem Werksgelände angeschlossen worden sein sollen. Ein Kapitän habe ihm nach der Katastrophe im Oktober 2016 gesagt: Schiffe würden mit den BASF-Anlagen so verbunden, dass sie auch im Fall einer Not-Trennung von den Rohren immer noch an einer Kette festhingen.
Das hatte nach Angaben des Experten zwar am Unglückstag keine unmittelbaren Folgen, sei aber nicht ungefährlich. Eigentlich sollte der Fachmann vor allem untersuchen, ob eines der beiden bei der Explosion beschädigten Schiffe das Unglück ausgelöst haben könnte. Seiner Einschätzung zufolge ist das auszuschließen. Elektrik und Verkabelung seien in Ordnung gewesen.
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Auf der Anklagebank sitzt der Mitarbeiter einer Fremdfirma, der mit dem fatalen Schnitt in das falsche Rohr die Katastrophe mit fünf Toten verursacht haben soll. Beim Prozess sagt jetzt ein Kollege, eine Verwechslung hätte "jedem passieren" können. Der Mann leitete als Vorarbeiter einen Monteur-Trupp, der in etwa 400 Metern Entfernung an der gleichen Leitung eingesetzt war.
Der Zeuge erklärt, dass er und seine Männer zur Orientierung vorab eine mündliche Einweisung erhalten hätten. Außerdem hatten sie Pläne und konnten sich an Schildern orientieren, die im 50-Meter-Abstand die Pipelines kennzeichnen. Direkt auf dem Metall hingegen hätten BASF-Meister lediglich mit ihrem Namenskürzel die Bohrstellen abgezeichnet, mit denen jeweils vorab kontrolliert wurde, ob sich noch Stoff in einem zu zerlegenden Rohr befand. Weitere Markierungen für Arbeiten habe es hingegen grundsätzlich nicht gegeben.
Andere Zeugen hingegen haben berichtet, dass zumindest an der Unglücksstelle weitere Hinweise aufgemalt worden waren. Spuren davon waren nach dem Flammeninferno aber nicht mehr zu finden. Mittlerweile werden bei der BASF zu bearbeitende Leitungen durchgängig mit gut sichtbaren Banderolen markiert.