Für den Schulweg nicht das "Elterntaxi" benutzen
Der ADFC wirbt dafür, den Kinder beizubringen, dass sie selbstständig zur Schule kommen.

Von Carsten Blaue
Heidelberg. Der Start ins neue Schuljahr diese Woche ist aufregend. Ganz besonders für die Abc-Schützen, für die ein ganz neuer Lebensabschnitt beginnt. Aber auch für die Fünftklässler mit dem großen Schritt in die weiterführenden Schulen. Sie schlagen neue Wege ein. Auch im ganz wörtlichen Sinne.
Denn der Weg zur Schule ist für die allermeisten Schüler neu. Und den sollten sie nach Ansicht von Michael Fröhlich und Michael Pfeiffer vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) möglichst bald selbstständig zurücklegen – die Schulanfänger zunächst zu Fuß, die Größeren auch mit dem Rad. Hauptsache, Mama und Papa verzichten aufs "Elterntaxi", also das Auto.
"Kinder wollen selbstständig mobil zur Schule kommen", sagt Fröhlich, der Leiter der Verkehrspädagogik im ADFC Rhein-Neckar, beim Redaktionsbesuch. Sein Appell an die Eltern: "Zeigt den Kindern den Weg, bringt es Ihnen bei!". Dabei sind die Eltern nicht auf sich alleine gestellt. Fröhlich und Pfeiffer sind dafür die besten Beispiele. Auch in diesen Tagen sind sie unermüdlich in der Region unterwegs, um in Schulen zu informieren, zu erklären, Ängste zu nehmen und zu motivieren. Die Schulen selbst nehmen sich des Themas an, und auch viele Kommunen unterstützen die vielen kreativen Verkehrsprojekte des ADFC rund um den sicheren Schulweg und Fahrradsicherheit.
Ein Beispiel ist das "Schulradler"-Projekt. Die Idee: Ältere Schüler begleiten jüngere. Dafür werden die "Schulradler" in der achten Klasse in sechs Modulen ausgebildet. Es geht um Verkehrszeichen und -regeln, es gibt ein Kommunikations- und Selbstsicherheitstraining, zudem einen Erste-Hilfe-Kurs bis hin zum "Straßenbahn-Diplom" der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV).
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So gut vorbereitet machen sich die "Schulradler" ab Klasse neun auf den Schulweg, nehmen ihre jungen Mitschüler mit und achten auf sie. Rund 120 dieser Begleiter gibt es an Schulen in Heidelberg, Bammental, Weinheim und Neckargemünd – und es dürfen gerne noch mehr werden. Doch Fröhlich und seine Mitstreiter können nicht überall sein: "Wir würden gerne viel mehr machen, haben aber nicht die Leute dazu."
Doch einen weiß er immer fest neben sich, und das ist Michael Pfeiffer. Ein echter Experte. Der 64 Jahre alte Heidelberger GAL-Stadtrat war Polizist und knapp 30 Jahre lang der Verkehrserzieher schlechthin bei der Polizei. Generationen von Schülern und Kindergartenkindern hat er Verkehrsregeln beigebracht, sie im Fahrradfahren geschult und mit ihnen das richtige Verhalten zu Fuß auf dem Schulweg geübt. Er war es auch, der vor über 20 Jahren in den Schulen geworben hat für die Projekte des ADFC.
Seit seiner Pensionierung Ende des Jahres 2020 macht er ehrenamtlich im ADFC weiter. Aus fester Überzeugung. "Kinder können laufen und Fahrrad fahren, und sie wollen das auch." Würden die Schüler mit dem Auto gebracht, werde ihnen Selbstständigkeit genommen und das Bewusstsein dafür, dass sie auch alleine auf dem Schulweg gut zurechtkommen.
Und Fröhlich sagt den Eltern bei den Elternabenden auch gerne, dass es so etwas wie eine Frischluft-Allergie nicht gibt. Im Gegenteil. "Frischluftdurchflutet", so Fröhlich, seien die Kinder im Unterricht viel aufnahmefähiger. Pfeiffer sagt, das sehe man sogar an der Körpersprache der Kinder. Doch die richtige Einstellung der Großen und Kleinen ist nicht alles. Auch die Kommunen müssen etwas tun.
Pfeiffer sagt, es gebe zwar inzwischen deutliche Verbesserungen bei der Aufteilung des Verkehrsraums (etwa in Form von verkehrsberuhigten Bereichen). Aber im Ganzen tue sich zu wenig und zu langsam. So müssten beispielsweise bessere Radwege her und Fahrrad-Straßen, und zwar schnell. Auch in Heidelberg.
Fröhlich erinnert zudem an den Erlass "Sicherer Schulweg" des Landes. Der sieht vor, dass für alle Grundschulen Gehschulwegpläne sowie für alle weiterführenden Schulen Geh- und Radschulwegpläne erstellt werden. Dafür gibt es seit 2020 vom Land sogar digitale Unterstützung. Die Pläne sollten eigentlich alle drei Jahre aktualisiert werden, so Fröhlich. Doch Verwaltungen hätten oft nicht die personellen Ressourcen dafür. Und eigentlich wäre es nötig, dabei auch die Kinder zu fragen. So sieht es das Land übrigens auch vor. Die Schüler sollen gemeinsam mit Lehrern die täglichen Schulwege ermitteln und Gefahrenstellen markieren, die dann entschärft werden müssten.
Die Kinder würden aber im Verkehr eigentlich nicht mit bedacht, moniert Fröhlich. Der ADFC betreibe an dieser Stelle auch Schadensbegrenzung, verweist er auf das ADFC-Projekt des vergangenen Jahres unter dem Motto "Rücksicht im Verkehr – da geht noch mehr!". Immer wieder auf die Anliegen des Radverkehrs aufmerksam zu machen, Mängel aufzuzeigen und zugleich die Kinder im Straßenverkehr zu stärken, sind Ziele des ADFC. "Aber es gibt ja auch noch andere Akteure", sagt Fröhlich und verweist auf den ADAC, den Verkehrsclub Deutschland (VCD) oder die Verkehrswacht und die Verkehrserziehung der Polizei. "Ich fände schön, hier mal ein Netzwerk für die Region aufzubauen", sagt Fröhlich. "Der ADFC hat da keine Berührungsängste."