Plus Nationaltheater Mannheim

Loriots Stuhl unterm Hammer

Zur "Abrissparty" des Nationaltheaters gehörte eine Auktion mit Requisiten. Die Shakespeare-Figuren geisterten durchs Schauspielhaus.

25.07.2022 UPDATE: 25.07.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 3 Sekunden
Neben Löwen, Pferden und Fischen, die einmal bei Oper, Schauspiel oder Tanz die Bühne zierten, konnten auch Kostüme ersteigert werden. Ensemblemitglieder schlüpften dazu in die Rolle von Models. Foto: Gerold

Von Stefan Otto

Mannheim. Genau 65 Jahre alt ist das Mannheimer Nationaltheater am Goetheplatz. Nun geht es nicht in Rente, aber sozusagen in Kur. Für voraussichtlich fünf Jahre fallen alle Vorhänge, während das Haus einer Generalsanierung unterzogen wird. Unter dem entschlossen in die Zukunft gerichteten Motto "Auf zu neuen Ufern!" wurde nun sowohl Abschied genommen als auch der Aufbruch gefeiert. Bevor, äußerst passend, mit Richard Wagners Oper "Götterdämmerung" am 30. Juli die vorerst letzte Vorstellung über die Bühne gehen wird, hatte das Theater zu einem großen Festwochenende eingeladen.

Während im weiten Foyer an allen Wänden und Pfeilern ausgewählte Aufnahmen des nach 37 Jahren scheidenden Theaterfotografen Hans Jörg Michel zu sehen waren, hatte auf dem Goetheplatz der Theatertruck Halt gemacht, der den Festrednern, darunter Oberbürgermeister Peter Kurz, ebenso eine Bühne bot wie dem Alphabet- und dem Kinder-Chor, einem dadaistischen "Abend für Katzen" oder ersten Einblicken in das Programm der nächsten Spielzeit, wenn das Nationaltheater in der neuen Oper am Luisenpark, dem Ludwigshafener Pfalzbau, dem Schlosstheater Schwetzingen oder dem NTM-Tanzhaus in Käfertal Station macht.

Im Schauspielhaus galt es, "Shakespeares schillernde Welt" zu betreten, einen Parcours, der sich ausnahm wie ein alter Schwarz-Weiß-Film, "Das Cabinet des Dr. Caligari" vielleicht, in dem man sich plötzlich selbst befand. In einer so düster-unheimlichen wie fantasievollen Inszenierung von Hausregisseur Christian Weise, umgeben von eindrücklichen Kulissen und umspukt von zahllosen Shakespearschen Gestalten aus "Hamlet", "Macbeth" oder dem "Sommernachtstraum".

Als leuchtender Elfenkönig Oberon war Patrick Schnicke aus dem Schauspielensemble zu entdecken, der sich als Moderator, Showmaster fast, der Theaterauktion im Opernhaus an einem weiteren Höhepunkt des Festwochenendes beteiligte. Mehr als 100 Objekte, Requisiten, Kostüme, Möbel und Raritäten, aus dem Fundus des Nationaltheaters waren hier zu ersteigern, von Theaterliebhabern, Opernfreunden und Kuriositätensammlern. "Wir hauen einen raus!" so Schnicke, der tatsächlich außergewöhnliche Unikate und Erinnerungsstücke anzubieten hatte. Sie stammten überwiegend aus den hauseigenen Werkstätten, von denen auch fast alle – nach zum Teil intensiven Bietergefechten – neue, stolze Besitzer fanden.

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Schwere Scheinwerfer kamen ebenso unter den Hammer wie drei verschiedenfarbige Sitze aus dem Jahr 1957 aus dem Schauspielhaus oder aus Stoff gefertigte Fischschwärme, Goldfische und Flundern, aus den Opern "Die Frau ohne Schatten" und "Peter Grimes". Ein "Verschwinde-Sarkophag" mit Durchstieg, der in der Produktion "Das Geheimnis der Irma Vep" Verwendung gefunden hatte, könnte künftig vielleicht in privaten Zaubervorstellungen wieder auftauchen. Es folgten eine veritable Kirchenbank, Putten und nachgebildete Tiere, ein Drachenkopf oder ein lebensgroßer Zentaur, den Patrick Schnicke selbst erwarb. Mit der Begründung: "Mein Vater hat bald Geburtstag."

Ein theatergeschichtliches Kleinod der Auktion war jener altertümliche Holzstuhl, in dem Loriot gesessen hatte, als seine humoristische Wagner-Verkürzung "Der Ring an einem Abend" 1992 in Mannheim uraufgeführt wurde. Darauf Platz genommen hatte auch Heinz Rühmann bei seinem letzten Bühnenauftritt, einer Lesung am 1. Advent 1993.

Aufwendig handgearbeitete Kostüme wie ein Camouflage-Abendkleid wurden von Schauspielerinnen vorgeführt ebenso wie die blutbefleckte Berufsbekleidung der Köchin aus der Oper "Die Liebe zu den drei Orangen" vom Bass Patrick Zielke, der jedoch keine Arie von Prokofjew intonierte, sondern aus Johann Strauss’ (Sohn) "Der Zigeunerbaron" die Verse "Mein idealer Lebenszweck / Ist Borstenvieh und Schweinespeck". Das Geld, das bei der Auktion zusammenkam, soll verschiedenen Projekten der Generalsanierung zugutekommen, zuvorderst einer bisher noch nicht finanzierten Drehbühne für das Schauspielhaus.

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