Nachtschwärmer-Szene

Nachtbürgermeister Robert Gaa kämpft um Förderungen für die Szene

und lotet neue Veranstaltungsformate für den Sommer aus - Dranbleiben, positiv denken

14.01.2021 UPDATE: 15.01.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 34 Sekunden
Robert Gaa ist seit Anfang des Jahres alleiniger Nachtbürgermeister. Foto: Gerold

Von Marco Partner

Mannheim. Er hat in seiner noch jungen Amtszeit bereits beide Extreme erlebt: ein voller Jungbusch im Spätsommer – und nun eine Geisterkulisse, eine Ausgangssperre, eine stille Nacht in der Quadratestadt. Im August wurde Robert Gaa zum neuen Nachtbürgermeister Mannheims ernannt. Die ersten Monate teilte er sich die Aufgabe gemeinsam mit seinem Vorgänger Hendrik Meier, seit der Neujahrsnacht ist der 30-Jährige allein im Amt. Die Herausforderungen in 2021 werden aber kaum kleiner als im kuriosen Corona-Jahr sein.

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Gibt es jemals wieder ein echtes Nachtleben? Wie wird sich die Club- und Kulturlandschaft aufgrund der Pandemie wandeln? Wie wird die Ausgehkultur in den 2020er-Jahren aussehen? So weit möchte Robert Gaa noch nicht in die Glaskugel schauen. Was ihn mehr umtreibt: wie er den verschiedenen Akteuren der Kulturszene beistehen und beim Überleben beziehungsweise Über-die-Runden-kommen unter die Arme greifen kann. "Fördermaßnahmen sind derzeit wohl die wichtigste Aufgabe", weiß Gaa.

Eigentlich sieht die aus den Metropolen wie New York oder Amsterdam übernommene Funktion des Nachtbürgermeisters eine vermittelnde Rolle vor. Zwischen Club- und Kneipenbesitzen, Nachtschwärmern, aber auch Anwohnern gilt es zu schlichten und gegenseitiges Verständnis aufzubauen.

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Seit Corona haben sich die Aufgaben gewandelt, sitzen im Grunde alle im selben Boot. Wer aber glaubt, dass ein Nachtbürgermeister nur zur späten Stunde aktiv ist, der irrt. Der neue Alltag für Gaa: E-Mails lesen, Projekte anstoßen, auf Fördermöglichkeiten für Clubs und Theater hinweisen, stets die neuesten Entwicklungen und Richtlinien auf dem Schirm haben.

Ein wichtiger Meilenstein für alle Kulturbeteiligten, vom Sänger bis zum Techniker hinter der Bühne: Planungssicherheit für Veranstaltungen im zweiten Halbjahr 2021. "Nur wenn es Rettungsschirme gibt, können die Kulturhäuser auch Künstler buchen", betont Gaa. Daneben müsse im kulturellen Alltag aber auch verstärkt das Spontane mit einplant werden.

Vor allem der Sommer erwies sich spätestens nach dem plötzlichen Lockdown light, der ab November alle Pläne wie ein Kartenhaus zusammenstürzen ließ, als kleiner Lichtblick, als offene Experimentierbühne. Deshalb hat Gaa schon den Sommer 2021 im Visier. "Mannheim ist geprägt von Kellerclubs", weiß der Nachtbürgermeister. Insofern ein genehmigter Impfstoff aber nicht alle Corona-Sorgen vertreibt oder Schnelltests vor dem Clubeingang durchgeführt werden, ist kaum mit einer schnellen Öffnung zu rechnen. "Auch Laufwege sind dort schwer einzuplanen, also muss das kulturelle Leben nach draußen verlagert werden", sagte Gaa. Deshalb macht sich der Nachtbürgermeister vor allem für Freiflächen stark. Die aus der Not wiedergeborenen Autokinos seien wiederholbar. Aber auch für Fußgänger müssten die Veranstaltungen erreich- und besuchbar sein.

Lange Zeit war Gaa selbst als DJ aktiv. Nun fühlt er mit den Betreibern der leeren und geschlossenen Clubs mit, von denen manche gleich doppelt getroffen wurden. Das Chaplin, Cube oder Rude 7 folgten den Vorschlägen im Sommer und verwandelten den Club tatsächlich in ein Café oder Gastrobetrieb. Mit dem Lockdown im November war dann alles vergebens. "Das ist bitter, sie haben viel investiert", so der Nachtbürgermeister.

Dennoch heißt seine Aufgabe: dranbleiben und positiv denken, neue Formate mitdenken, sodass Clubs möglichst bald wieder nachhaltig wirtschaften können. Und wie verbringt der Nachtbürgermeister in Zeiten der Ausgangssperre die Nacht beziehungsweise die Wochenenden? "Zu Hause, mit Serien schauen, streamen, Gesellschaftsspiele mit der Freundin. Wenn ich abends mit den Hunden spazieren gehe, ist es ein gespenstisches Gefühl", erzählt Gaa.

Singles machten eine schwierige Zeit durch. "Es gibt viele Lebensentwürfe, manche entscheiden sich bewusst, alleinstehend zu sein. Wenn sie dann vielleicht von der Spätschicht kommen, ist es mit der Ausgangssperre unmöglich, noch soziale Kontakte zu pflegen", sagt Gaa. Deshalb müsse man auch die Isolation junger Menschen im Blick haben.

Vielleicht könne die Pandemie auf lange Sicht aber gerade das Nachtleben in ein anderes Licht rücken. Oder wie Gaa sagt: "Die Clubkultur hatte schon lange davor einen schlechten Ruf, sie galt als düster und dubios, als reine Vergnügungsstätte. Jetzt habe ich das Gefühl, dass sich diese Wahrnehmung etwas wandelt. Clubs haben eine soziale Funktion und müssen deshalb auch als Kulturstätten akzeptiert werden. Durch die Pandemie ist die Szene zusammengerückt, man redet mehr miteinander als übereinander."

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