KZ-Überlebende Zilli Schmidt ist tot
Sie starb am Freitag im Alter von 98 Jahren. Noch im Januar hatte ihr Mannheims OB Peter Kurz das Bundesverdienstkreuz am Bande überreicht.

Von Olivia Kaiser
Mannheim/Rhein-Neckar. Sie hat das Grauen vom Auschwitz überlebt, danach jahrzehntelang für ihr Recht und gegen Antiziganismus gekämpft, aber doch ihre Liebe zu den Menschen nicht verloren. Am Freitag ist Cäcilie "Zilli" Schmidt, eine der letzten Überlebenden des Völkermords an den Sinti und Roma in Europa, im Alter von 98 Jahren verstorben.
Noch im Januar hatte ihr Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz das Bundesverdienstkreuz am Bande überreicht. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier hatte es der Sintezza bereits im April 2021 verliehen, doch aufgrund der Pandemie fand die Zeremonie später und in kleinem Rahmen statt. Kulturstaatsministerin Claudia Roth würdigte Schmidt als einen Menschen mit dem "Mut, Missstände anzusprechen, zu mahnen, wenn Menschenfeinde sich heute in neuen Gewändern kleiden".
Zilli Schmidt, geborene Reichmann, wurde 1924 im thüringischen Hinternah geboren. Ihre Eltern waren Schausteller auf Wanderschaft und betrieben ein Wanderkino. 1939 floh die Familie ins Sudetenland, 1940 brachte Zilli ihre Tochter Gretel zur Welt. Nächste Station war Frankreich, wo sie 1942 bei einer Razzia in Straßburg festgenommen wurde. Mit Teilen ihrer Familie wurde sie am 11. März 1943 nach Auschwitz deportiert und im sogenannten Zigeunerlager interniert. Als das etwa ein Jahr später aufgelöst werden sollte, wurde sie ins KZ Ravensbrück verlegt. Im Februar 1945 gelang Zilli die Flucht, und sie tauchte bis Kriegsende unter. Ihre Tochter, ihre Eltern und ihre Schwester wurden jedoch in Auschwitz ermordet.
1948 heiratete sie den Sinto Anton Schmidt, das Ehepaar zog nach Mannheim. Zilli Schmidt stellte einen Antrag auf Entschädigung und musste die schmerzhafte Erfahrung machen, dass der Antiziganismus das Naziregime überdauert hatte. In den Nachkriegsamtsstuben saßen teils dieselben Beamten, die während des Zweiten Weltkriegs an der Verfolgung und Deportation der Sinti und Roma beteiligt waren. Lange wurde zudem behauptet, bei deren Ermordung habe es sich nicht um rassische Verfolgung gehandelt, der Grund für ihre Internierung seien "asoziale Lebensweise" oder "Arbeitsscheue" gewesen. Doch Zilli Schmidt gab nicht auf, zog vor Gericht und bekam schließlich recht. Eine Entschädigung für ihre Tochter Gretel wurde jedoch abgelehnt.
Welchen Mut es sie gekostet haben muss, ihrem Peiniger aus dem Todeslager in die Augen zu sehen, lässt sich nur erahnen: 1988 sagte sie im Prozess gegen SS-Rottenführer Ernst-August König als Zeugin aus. Er war in Auschwitz Blockführer gewesen. Daran erinnert der Freund der Familie und EU-Abgeordnete Romeo Franz: "Zilli Schmidt war nicht nur für mich eine herausragende Persönlichkeit und ein Vorbild. Obwohl sie das schlimmste Grauen erleben musste und unter dem Verlust ihrer geliebten Menschen litt, war sie eine Kämpferin mit einem großen Herzen."
Bis zuletzt habe sie für den Erhalt des Mahnmals für die im Nationalismus ermordeten europäischen Sinti und Roma in Berlin gekämpft, das einer S-Bahn-Strecke weichen soll, betonte er. 2020 sagte sie: "Unser Denkmal darf nicht angefasst werden. Wer das tut, der tötet unsere Menschen ein zweites Mal." Ihren Kampf will nun Daniel Strauß vom baden-württembergischen Landesverband deutscher Sinti und Roma weiter führen: "Zilli Schmidts unerschütterlicher letzter Wille das Denkmal der ermordeten Sinti und Roma Europas in seiner Ganzheit zu schützen, wird für mich ein Auftrag sein", versprach er.



