Flüchtlingssituation in Oftersheim: Durchs Kennenlernen Vorurteile abbauen

Infoveranstaltung zur Flüchtlingssituation in Oftersheim war begleitet von besorgten Stimmen - Begegnungscafé voller Erfolg -  "Man muss mit den Menschen einfach reden" 

19.02.2016 UPDATE: 20.02.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 34 Sekunden

Beim ersten Begegnungscafé "Welcome" im Josefshaus wurde es richtig voll. Foto: Widdrat

Von Stefan Kern

Oftersheim. An gleich zwei Abenden ging es in Oftersheim um das Thema Flucht und Flüchtlinge. Aber die Diskrepanz dieser beiden Veranstaltungen hätte größer kaum sein können. Denn einmal ging es ohne Beisein der Betroffenen um den Flüchtling als Herausforderung oder gar Problem und das andere Mal um den Flüchtling als Mensch und Mitbürger.

Am ersten Abend informierten der Rhein-Neckar-Kreis und die Gemeinde mehr als 400 interessierte Bürger in der Kurpfalzhalle über den Stand der Dinge rund um die Flüchtlinge in Oftersheim. Zurzeit leben im "Goldenen Hirschen" 70 Asylsuchende - und zwar ausschließlich Familien mit Kindern. Momentan sind das 23 Kinder. Und im Gewerbepark leben 250 Flüchtlinge in einer Halle, in der vor allem junge Männer aus Syrien, Afghanistan und Gambia untergebracht sind.

Natürlich sei dies für die Betroffenen kein erfreulicher Zustand, so der Leiter des Kreisordnungsamtes, Stefan Becker. Aber angesichts der Zahlen gebe es keine Alternativen. Im gesamten vergangenen Jahr musste der Kreis für fast 6000 Menschen eine Unterkunft suchen. Eine Herausforderung, die nur mit Lösungen wie dieser Halle zu stemmen gewesen sei. Und Christoph Schauder, Leiter der Stabsstelle Flüchtlinge, ließ keinen Zweifel daran, dass man auch im laufenden Jahr mit vielen Flüchtlingen zu rechnen habe.

Einzige Hoffnung, so die beiden, sei eine Beschleunigung des Verfahrens, damit schnell klar werde, wer ein Bleiberecht habe und wer nicht. Von den rund 6000 Menschen haben laut Becker etwas über 2000 eine realistische Perspektive auf einen positiven Asylbescheid.

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Nervös wurde die Stimmung, als es um die Finanzen ging. Ein alleinstehender Flüchtling bekommt laut Becker 364 Euro, Ehepaare erhalten jeweils 327 Euro im Monat. Für einige Bürger ganz offensichtlich ein Ärgernis, das sie lautstark zum Ausdruck brachten. Bei der anschließenden Fragerunde ging es zu Beginn vor allem um Sorgen und Ängste. Eine Frau erklärte, sie und ihre 15-jährige Tochter seien sexuell belästigt und dabei "regelrecht gejagt" worden. Ein Vorfall, der übrigens für die beiden Anzeigen verantwortlich ist, die bei der Schwetzinger Polizei anhängig sind. Als besorgniserregend stuften auch einige Bürger ein, dass die Flüchtlinge immer in Gruppen unterwegs seien und Bier tränken.

Hubert Böllinger, Polizeichef in Schwetzingen, erklärte darauf immer wieder, dass die Polizei gerufen werden solle. "Wir nehmen die Sorgen der Menschen ernst und kümmern uns." Andere Bürger zeigten dagegen Verständnis für die Gruppenbildung. "Wir gingen doch auch gerne gemeinsam spazieren." Und eine Dame erklärte, dass sie Flüchtlinge vor ihrem Haus auf den Alkoholkonsum angesprochen habe, worauf sich diese entschuldigt hätten. "Man muss mit den Menschen einfach reden."

Ein Satz, der fast prophetisch auf den folgenden Abend im Josefshaus verwies, wo das erste Begegnungscafé "Welcome" stattfand. Leider, soviel gleich vorab, kamen nicht die Menschen mit den größten Sorgen oder Ängsten. Aber ansonsten verlief der Abend wie im Bilderbuch. Bei kleinem Buffet begegneten sich Menschen jeden Alters und Geschlechts aus sicher einem halben Dutzend verschiedener Länder. Und es passierte genau das, was sich Heidi Joos, die Leiterin des Asylkreises Oftersheim, insgeheim gewünscht hatte: Die Menschen kamen miteinander ins Gespräch. Und mit jedem gewechselten Wort wurden die Vorurteile und daraus entstehenden Sorgen kleiner. Auch Bürgermeister Jens Geiß war von der Resonanz begeistert. "Hier passiert genau das, was wir wollten. Menschen begegnen sich, lernen sich kennen und dann schätzen."

Am schönsten war das übrigens bei den Kindern in der Spieleecke zu beobachten. Zum Teil konnten sie kein Wort miteinander wechseln. Aber irgendwie klappte das mit dem gemeinsamen Spiel ohne jede Schwierigkeit. Das heißt nicht, dass es nicht auch Streitereien gab, wer jetzt was spielen dürfe. Aber Sekunden später saßen sie schon wieder zusammen und vergaßen gemeinsam die Welt.

Es war ein erfolgreicher Auftakt für das Begegnungscafé "Welcome". Am Ende wurde der Saal im Josefshaus so voll, dass Geiß und Joos schon miteinander diskutierten, ob man das nächste Begegnungscafé in die Kurpfalzhalle verlegen sollte. Geriet das Begegnungscafé doch fast zu einem kleinen Integrationsfest. Natürlich ist nicht alles so einfach und schön, wie es an diesem Abend anmutete. Aber es ist ein kleiner Schritt. Und in den Augen von Heidi Joos war es ein beeindruckend großer Schritt.

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