Die Giftwelle auf der Jagst fließt jetzt langsamer Richtung Neckar
Neckarmündung wird vermutlich erst am Freitag erreicht - Großaufgebot von Helfern

Alte Jagst in neuem Flussbett: Aufwendig wurde bei Jagsthausen der Fluss umgeleitet, um eine sogenannte "Rettungsinsel" für Flusstiere zu schaffen. Fotos: Endres
Von Michael Endres
Heilbronn. Die Giftwelle in der Jagst fließt unaufhaltsam dem Neckar entgegen - aber langsamer und in geringerer Schadstoffkonzentration. "Wir müssen unsere anfänglichen Berechnungen korrigieren", sagt Detlef Piepenburg. Der Landrat des Landkreises Heilbronn ist das gesamte Wochenende vor Ort, um mit dem Einsatzstab von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk, Wasserwirtschaftsamt, Fischereivereinen und betroffenen Ämtern die Maßnahmen zu koordinieren.
Seit Sonntagvormittag sind an der Jagst die größten Löschwasserpumpen im Einsatz, die es im Land gibt: Von den Berufsfeuerwehren Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart und Heilbronn wurden Einsatztrupps nach Jagsthausen im Kreis Heilbronn geschickt, um das Gewässer zu belüften und damit auch die Schadstoffkonzentration zu verringern.
32.000 Liter wälzen die vier Großpumpen je Minute in der Jagst um: eine der zahlreichen Maßnahmen, das Gewässer vor der ökologischen Katastrophe zu retten. Flussaufwärts im Hohenlohekreis war am Sonntagmittag die Schadstoffkonzentration mit Ammoniumnitrat immer noch tödlich für alles, was in der Jagst schwimmt und krabbelt. "Wir haben das große Glück, uns auf die herannahende Giftwelle vorbereiten zu können", sagt Landrat Piepenburg weiter. Deshalb sind mittlerweile Mannschaften des Technischen Hilfswerks auch aus Bayern, Hessen und dem Süden des Landes zusammen mit Feuerwehren aus dem gesamten Landkreis entlang der Jagst damit betraut, das Gewässer mit dem Versprühen von Wasser zu belüften und mit Sauerstoff anzureichern.
Die 23 Kilometer lange Schadstoffwelle zieht jetzt wesentlich langsamer Richtung Neckar - an der Neckarmündung bei Jagstfeld wird die gefährliche Fracht deshalb erst am Freitag erwartet. Hier laufen auch schon die ersten Vorbereitungen, um - wie berichtet - ein größeres Schiff im Mündungsbereich auf Grund zu setzen. Damit will man erreichen, dass sich die Schadstofffahne teilt und besser mit dem Neckarwasser vermischt. Die Nachricht kam völlig überraschend, auch für die Experten: Die Schadstofffahne in der Jagst wird jetzt frühestens gegen Montagmittag im Landkreis Heilbronn erwartet - also rund 20 Stunden später als zunächst gedacht. Außerdem scheinen die Werte mit dem für Fische tödlichen Düngemittel im Wasser gefallen zu sein. Möglicherweise ist starkes Algenwachstum die Ursache. Offenbar ist dadurch die Schadstoffbelastung auch geringer geworden.
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Allerdings werde bei Berlichingen (Hohenlohekreis) kurz vor Jagsthausen stündlich der Schadstoffgehalt des Wassers gemessen, um die Belüftung auf jeden Fall rechtzeitig wieder einzuschalten. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk sind also rund um die Uhr in Bereitschaft.
Verworfen wurde mittlerweile die Idee, Wasser aus dem Kocher mit einer rund vier Kilometer langen Schlauchleitung in die Jagst zu pumpen. Technisch möglich, aber nach neuesten Erkenntnissen nicht sinnvoll: Denn im Kocher herrscht die sogenannte "Krebspest". "Wir wollen das Ökosystem der Jagst damit nicht noch mehr belasten", betont Piepenburg. Ebenfalls lehnt der Landrat den Einsatz von Chemie in der Jagst ab, das hätte wieder ganz andere Nachteile. Im Landkreis Heilbronn setzt man deshalb schwerpunktmäßig auf die Belüftung und gezielten Sauerstoffeintrag.