Ab Samstag gibt es wieder Federweißen

Am Montag fiel in Neustadt in der Pfalz der Startschuss für die Weinlese in Deutschland. Dabei steht jetzt schon fest: 2016 wird kein leichtes Jahr für die Winzer.

22.08.2016 UPDATE: 23.08.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 3 Sekunden

Da strahlt nicht nur die pfälzische Weinkönigin: Gestern hat in Neustadt mit der Ernte der ersten Trauben die offizielle Weinlese in Deutschland begonnen. Julia Kren hält hier Trauben der frühreifen Sorte "Solaris" in den Händen. Foto: Uwe Anspach

Von Rolf Sperber

Neustadt-Mußbach. Mit der Lese von rund 80 000 Kilogramm Trauben der Rebsorten Solaris und Ortega ist am Montag in Neustadt-Mußbach der offizielle Startschuss zur deutschen Weinlese 2016 gefallen. "Wegen des Fernsehens" - so Geschäftsführer Bastian Klohr von der Winzergenossenschaft "Weinbiet" - wurden in herkömmlicher Handlese in der Lage "Bischofsweg" des Weinguts Susanne Müller-Magin im Osten von Mußbach zunächst Solaristrauben gelesen, die ein Mostgewicht von 85 Grad Oechsle auf dem Refraktometer anzeigten.

Hintergrund

> Federweißer ist einer von zahlreichen Namen für noch nicht ausgereiften Wein. Die Bezeichnung stammt nach Angaben des Deutschen Weininstituts (DWI) daher, dass die Hefen des milchig-weißen Getränks beim Schwenken im Glas wie "Federchen" tanzen. Das leicht prickelnde

[+] Lesen Sie mehr

> Federweißer ist einer von zahlreichen Namen für noch nicht ausgereiften Wein. Die Bezeichnung stammt nach Angaben des Deutschen Weininstituts (DWI) daher, dass die Hefen des milchig-weißen Getränks beim Schwenken im Glas wie "Federchen" tanzen. Das leicht prickelnde Getränk, das sich auf halbem Weg vom Traubensaft zum Wein befindet, wird auch "Bitzler", "Rauscher" oder "Sauser" genannt. Es hat einen Alkoholgehalt von etwa fünf Prozent. Federweißer wird dem Verein Pfalzwein zufolge normalweise zwischen August und Ende Oktober angeboten.

> Etwa 1,5 Millionen Liter und damit die Hälfte der bundesweiten Produktion kommt demnach aus der Pfalz. Da bei der Gärung Kohlensäure frei wird, werden die Flaschen - anders als beim normalen Wein - mit einer luftdurchlässigen Kapsel verschlossen, damit das Gas entweichen kann. Zunächst schmeckt Federweißer sehr süß, ähnlich prickelndem Traubensaft. Er wird aber mit fortschreitender Gärung herber. dpa

[-] Weniger anzeigen

Gemischt mit einer kleineren Menge von ebenfalls früh reifenden Ortegatrauben, ergab die Maische einen durchschnittlichen Gehalt von etwa 75 Grad Oechsle". Das ist recht ordentlich," urteilte Reinhard Bossert (Neustadt-Duttweiler), Vizepräsident des Weinbauverbandes Pfalz.

Den "Neuen" aus Mußbach kann man ab Samstag mit Beginn des traditionellen Kelterhausfestes der Genossenschaft verkosten: Neun Wochen lang bis Anfang November wird dort täglich ab 10 Uhr Federweißer verschiedener Rebsorten ausgeschenkt - ab Anfang September folgt der Müller-Thurgau.

Die Mußbacher Winzer sind Spezialisten für neuen Wein: Seit 1974 organisieren sie mit Lesebeginn ihr Kelterhausfest, bei dem nach Insiderschätzungen jährlich rund 250 000 Liter "neuer Wein" aus dem Fass ausgeschenkt werden. Das sind fast zehn Prozent der durchschnittlichen Jahresproduktion der Genossenschaft von drei Millionen Litern. Der Vorteil für die Genossenschaft: Sie muss den Most nicht im Keller verarbeiten, spart Flaschen, Korken und Etiketten und hat schon im Herbst viel Geld für die anliefernden Winzer in der Kasse.

Auch interessant
: Die Bergstraße lässt sich bei der Weinlese noch Zeit

Rund vier bis fünf Millionen Liter "Neuer" kommt jährlich nach Angaben von Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut (DWI) in Deutschland in den Handel - eine ebenso große Menge wird direkt bei Genossenschaften und Winzern an die Liebhaber dieser Spezialität als Federweißer, Bitzler oder Rauscher abgesetzt. In der Pfalz haben sich mittlerweile 15 Genossenschaften und Weingüter zwischen Billigheim-Ingenheim und Weisenheim/Berg auf die Produktion von Federweißem spezialisiert - und dazu gibt’s meistens Zwiebelkuchen.

Der "Neue" ist auch eine Art "Wegweiser" für die Qualität des gesamten Jahrgangs. Die war gestern bei den Experten noch ein "große Unbekannte". Günter Hoos, Direktor des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum (DLR) in Neustadt, erwartet in diesem Jahr "große regionale und sogar lokale Unterschiede und eine Bewährungsprobe für die Winzer". Die Witterung habe mit vielen Niederschlägen für eine besondere energiegeladene Klimaphase gesorgt. Hoos: "Wir empfehlen den Winzern eine frühe Lese, sonst könnte die derzeit noch kaum aufgefallene Kirschessigfliege doch noch zu einem Problem werden".

Auch der Weinbauexperte Mathias Petgen (DLR) hält "gesunde Trauben bei etwas früherer Lese für besser als später höhere Oechslegrade". Doch alle Experten sind sich einig: Der Weinjahrgang 2016 kann bei einigermaßen normalen Witterungsverhältnissen "mit einem guten September und einem goldenen Oktober" einen herausragenden Wein mit vielen Aromen bescheren. Allerdings gibt es auch einen Wermutstropfen für die Winzer: Die Experten rechnen mit einem geringeren Ertrag als bisher: "Wir werden den jahrelangen bundesdeutschen Durchschnitt von neun Millionen Hektoliter in diesem Jahr nicht erreichen."

In der Pfalz gehen die Kenner der Weinregion von "etwa 20 Prozent weniger Ertrag als im vergangenen Jahr" aus - das wären statt 2,2 Millionen nur rund 1,9 Millionen Hektoliter. Die Mostmenge werde auch durch verstärkten Vogelfraß beeinträchtigt, gibt DLR-Chef Hoos zu bedenken. Die Kellerbestände an der Weinstraße sind zum Teil nur noch bescheiden: Riesling, Portugieser und Dornfelder "ab Keller" gibt es nicht mehr überall.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.