Vom Barock zur Postmoderne
Ein Blick auf die Historie des imposanten Alten Kaufhauses.

Von Olivia Kaiser
Mannheim. Heute trauern einige Mannheimerinnen und Mannheimer dem Alten Kaufhaus nach. Es war aber auch imposant: Der barocke Prachtbau mit dem mächtigen Turm und den Arkaden stand einmal dort, wo jetzt das Stadthaus N 1 steht. Als Ende Juli bekannt wurde, dass das Stadthaus mit seiner postmodernen Achtzigerjahre-Architektur jetzt unter Denkmalschutz steht, sorgte das in der Stadtgesellschaft für Unmut, wie sich aus Beiträgen in den sozialen Netzwerken ableiten lässt. Viele bedauerten den Verlust des barocken Gebäudes oder hätten sich gewünscht, dass man es damals historisch genau wieder aufgebaut hätte.
Es ist eine Laune der Geschichte, dass das Alte Kaufhaus im 18. Jahrhundert bei den Bürgern anfangs ebenfalls nicht sehr beliebt war. Das schreibt die vor Kurzem in den Ruhestand gegangene Stadtkonservatorin Monika Ryll in ihrer Abhandlung "Kaufhaus Rathaus Stadthaus – im Widerspruch zwischen Obrigkeit und Bürgerschaft". Darin zeichnet sie die Geschichte des Quadrats N 1 bis zur Eröffnung des Stadthauses im Jahr 1991 nach.
Nachdem Mannheim im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstört worden war, setzte unter Kurfürst Carl Philipp ab 1700 der Wiederaufbau ein, zunächst am Marktplatz. 1720 folgte die Grundsteinlegung des Schlosses und vier Jahre später die des Kaufhauses – wobei es sich dabei nicht um ein Kaufhaus im heutigen Sinn handelte, sondern eher um ein Handels- und Lagerhaus. Der erste bauliche Entwurf mit zwei identischen Gebäudeteilen und einem Turm in der Mitte stammt von Johann Georg Baumgratz und wurde von den Architekten, unter ihnen Alessandro Galli da Bibiena, in weiten Teilen umgesetzt.
Hintergrund
> Auch wenn das Stadthaus N 1 unter Denkmalschutz steht, ist ein Abriss nicht gänzlich unmöglich (die RNZ berichtete). Bis Planungen für eine Umnutzung des Gebäudes – in welcher Art auch immer – realisiert werden können, gehen aber wohl noch einige Jahre ins Land. Denn um
> Auch wenn das Stadthaus N 1 unter Denkmalschutz steht, ist ein Abriss nicht gänzlich unmöglich (die RNZ berichtete). Bis Planungen für eine Umnutzung des Gebäudes – in welcher Art auch immer – realisiert werden können, gehen aber wohl noch einige Jahre ins Land. Denn um den Paradeplatz wird kräftig gebaut. Derzeit wird das Postgebäude saniert, 2023 beginnt die Sparkasse Rhein-Neckar-Nord mit dem Abriss und dem Neubau in D 1. Eigentlich sollte in diesem Jahr noch der Spatenstich für die neue Stadtbibliothek in N 2 erfolgen, doch das Vorhaben muss verschoben werden, auch weil noch nicht klar ist, wann die Garage in N 2 abgerissen wird. Derzeit geht die Stadtverwaltung davon aus, dass die Bibliothek erst 2026 in den Neubau umziehen kann. (oka)
Die Kaufleute und der Stadtrat brachen dem Bau laut Ryll allerdings keine große Sympathie entgegen, es erschien ihnen zu teuer und zu überdimensioniert. Doch gegen den kurfürstlichen Willen konnten sie sich nicht durchsetzen. Nach der Fertigstellung 1741 wurde der Bau eher zum Sinnbild kurfürstlicher Macht als zum florierenden Handelszentrum. "Zwar dienten die beiden ebenerdigen Hallen zu Seiten des Turms als Warenstapelplatz", schreibt Monika Ryll. "In die erste Etage, die im barock in erster Linie der Repräsentation diente, zogen kurfürstliche Kontrollorgane ein." Sie wurde das Kaufhaus beispielsweise Domizil des Rentenamts, der Polizeikommission und des Oberappellationsgerichts.
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Von 1903 bis 1909 wurde das Gebäude nach Plänen von Richard Perrey aufwendig zum Rathaus umgebaut. Zentralverwaltung, Armenverwaltung, die Stadtkasse oder das Hoch- und Tiefbauamt fanden in der Beletage ebenso ihren Sitz wie der Bürgerausschuss-Saal. Am 21. und 22. November 1918 tagte dort die Versammlung der badischen Arbeiter- und Soldatenräte, die sich zum "Vorparlament der freien Volksrepublik" erklärte. In der Ära der Weimarer Republik und auch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden keine größeren baulichen Veränderungen vorgenommen.
Beim Bombenhagel in der nach vom 5. auf den 6. September 1943 wurde das Kaufhaus – wie viele Barockgebäude der Stadt – zerstört. Nur der untere Teil des Turms stand noch. 1949 wurde die Ruine gesprengt, wobei der Turm erhalten blieb. An der Breiten Straße wurden die Reste der Arkaden entfernt. Im linken Flügel wurden sie zu rundbogigen Schaufenstern umgebaut. Pläne, das Rathaus mit dem Turm wieder aufzubauen, wurden aufgrund dringlicherer Bauprojekte erst einmal zurückgestellt.
1960 gab es einen Architektenwettbewerb, bei dem der Entwurf von Roland Ostertag gewann, der allerdings den alten Turm nicht berücksichtigte. Deshalb wurden die Reste des Turms 1965 beseitigt. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten wurde das Projekt jedoch nicht realisiert. Das "attraktivste Grundstück Mannheims" wurde zu einem "Abstellplatz für Fahrzeuge degradiert", schreibt Monika Ryll.
Der Gemeinderat beschloss schließlich 1978, erneut einen Wettbewerb für die Bebauung von N 1 auszuloben. Einer der 58 eingesendeten Entwürfe war der von Carlfried Mutschler. Doch aufgrund von Geldnot wurde das Projekt erneut nicht mehr weiter verfolgt. Erst 1986 entschied der Gemeinderat sich für den Neubau nach Mutschlers Plänen. Es gab jedoch Stimmen, die sich für einen originalgetreuen Wiederaufbau einsetzten. Die Bürgeraktion "Altes Kaufhaus" entstand. Beim Bürgerentscheid kam jedoch das nötige Quorum nicht zusammen. Laut Ryll fehlten etwa 7000 Stimmen.
Mutschlers Entwurf mit den Zwillingsbauten und dem mittigen Turm greift die prägenden Elemente des Alten Kaufhauses auf. Dieser Baustil wird auch Mannheimer Symmetrie genannt. Das Alte Rathaus mit der Sebastianskirche am Marktplatz sowie die Konkordienkirche mit Mozartschule in R 2 sind weitere Beispiele. Trotzdem konnten sich die Mannheimerinnen und Mannheimer nie wirklich für das "exemplarische Bauwerk der Postmoderne", wie es das Landesdenkmalamt bezeichnet, erwärmen – wie schon vor 300 Jahren.



