Vom Hofladen direkt an die Haustür
Mannheimer Familie bietet besonderen Lieferservice mit Gemüse aus der Region an - Damit trifft sie den Geschmack vieler Verbraucher

Karin Merz mit den nach ihr benannten Kisten, die zu den Kunden in Mannheim und der Region gehen. Foto: Gerold
Von Marco Partner
Mannheim. Wenn die Städter schon nicht aufs Land kommen, kommt der Bauernhof eben in die Stadt. Mit Kopfsalat, Radieschen, Äpfeln und Zwetschgen. Eingepackt in kleinen und großen Kisten, für den Single-Haushalt, die Familie oder fürs Büro. Seit 2006 bietet der Hofladen Merz mit "Karins frische Kiste" einen Lieferservice an. Ob in den Mannheimer Quadraten, im Lindenhof oder in Heidelberg: Die bis vor die Tür gebrachten Gemüsekisten enthalten überwiegend regionale und saisonale Produkte.
Alles begann mit einem Ei. Beziehungsweise Tausenden. 1963 startete der Familienbetrieb als Hühnerfarm. Abgelegen in Mannheims Norden, in Kirschgartshausen, wo die Großstadt weit weg zu seien scheint und das hessische Ried ganz nah. Auf Wochenmärkten verkaufte man schon damals neben den eigenen Eiern regionales Obst und Gemüse. Auch per Haustürverkauf versuchte man sein Glück.
Wie die Eisverkäufer zog man bimmelnd durch die Straßen von Sandhofen oder Blumenau. Mit festen Kunden, aber auch der spontanen Abhängigkeit, wer gerade zu Hause ist, wie der Kühlschrank aussieht. "Es war nicht immer erfolgreich", erinnert sich Karin Merz, die 1990 in den Hofladen einstieg – und rund zehn Jahre später auf die zündende Idee kam. Der Direkt-Vertrieb der Landwirte durch sogenannte Gemüsekorb-Abos machte schon damals die Runde.
Merz startete eine Umfrage bei potenziellen Dauerkunden, zog einen Unternehmensberater hinzu – und gründete mit "Karins Frische Kiste" das, was man heute ein Start-up-Unternehmen nennen würde. Seitdem wächst die Nachfrage stetig, bedient man Kunden in einem Umkreis von knapp 40 Kilometern. Tourt täglich nach Mannheim, Hockenheim oder Schriesheim, bis nach Speyer und Gernsheim.
Auch interessant
"Hauptsächlich sind es private Haushalte, aber auch Kindergärten und Firmen", so Merz. Vom Computerunternehmen über die Lackiererei bis zur medizinischen Versorgung sei alles vertreten. Blumenkohl, Tomaten, Lollo Rosso: Vieles wächst und gedeiht auf den umliegenden Äckern zwischen Sandhofen und Lampertheim. Die exotisch wirkenden Wassermelonen stammen aus der Pfalz, die Trauben von Winzern aus der Nähe. Nicht immer ist alles EU-normgerecht, kernlos oder frei von Erdspuren: Die Gurken sind etwas krumm, auch die dicken Karotten würden kaum durch das Supermarkt-Raster passen. "Dafür kommt alles aus der Region. Die Leute fragen immer häufiger nach, woher die Ware stammt", verrät Merz.
Ein Dutzend verschiedener Kisten stehen im Sortiment: von der saisonalen Obst- und Gemüsebox, über die Büro-Knabbertruhe mit Karotten und Cocktailtomaten bis zum Single-Paket mit Rosenkohl, Odenwälder Kochkäse und einer Dose Leberwurst. Jede Woche wandelt sich der Inhalt der Kisten. Das Kundenverhalten aber bleibt meist gleich. "Die Städter nehmen die vorsortierte Kiste, in den Vororten wird individueller bestellt", erklärt die Landwirtin. Dann gibt es auf Wunsch zum Beispiel mehr Kohlrabi und Paprika statt Kürbis. Bequem von zu Hause aus, per Online-Klick. Zur Internet-Flatrate und Serien-Streamingdiensten gesellt sich zur neuen Abo-Bequemlichkeit allmählich also die Gemüsebox-on-Demand hinzu.
Alexander Day ist seit knapp zehn Jahren Dauerkunde. Anfangs, um Zeit und Kilometer zu sparen, doch dann kam für den Mannheimer noch ein weiterer, überraschender Faktor hinzu. "Man tritt etwas aus dem gewohnten Alltagstrott heraus. Der Mensch ist ein bequemes Wesen, er schreibt immer denselben Einkaufszettel und kocht das gleiche", sagt der 55-Jährige. Dank der stetig wechselnden Kisten aber sei der Speiseplan nie eintönig – und wenn er einmal nichts mit Pastinaken oder Süßkartoffeln anzufangen weiß, gibt’s den passenden Rezeptvorschlag gleich dazu.
Info: Deutschlandweit gibt es laut dem Online-Portal Biokisten.org knapp 170 Gemüsekisten-Lieferdienste. Spitzenreiter sind Bayern (28) und Baden-Württemberg (24). Dank des nachhaltigen Systems, bei welchem Landwirte solidarisch zusammenarbeiten, sollen die lokalen Beziehungen zwischen Erzeuger und Verbraucher gestärkt und auch der Absatz der Ernte gesichert werden. Weitere Infos unter biokisten.org und www.frische-kiste.de



