Sollen Alkoholiker unter die Brücke gen Ludwigshafen?
Mannheimer Gemeinderat entscheidet über Aufenthaltsraum für Trinker- und Drogenszene - Standort passt nicht allen

Auf dem Platz vor der Kurt-Schumacher-Brücke im Mannheimer Stadtteil Jungbusch soll ein Aufenthaltsraum für Alkoholiker gebaut werden. Kritiker bemängeln die trostlose Umgebung, für Caritas und Drogenverein ist es trotzdem der beste Standort. Foto: Gerold
Von Anna Manceron
Mannheim. Mannheim bekommt einen Aufenthaltsraum für Alkoholiker, daran ist nicht mehr zu rütteln. Aber wo er stehen soll - an dieser Frage scheiden sich die Geister. Am heutigen Dienstag stimmt der Gemeinderat über den Standort ab, den die Stadtverwaltung vorgeschlagen hat. Demnach soll der Trinkertreff in der Akademiestraße im Stadtteil Jungbusch gebaut werden. Der Hauptausschuss stimmte nur mit knapper Mehrheit für den Vorschlag der Stadt. Deshalb ist nicht klar, ob der Antrag wirklich grünes Licht bekommt.
Eine Prognose will Verena Schmidt von der Suchtberatung der Caritas deshalb nicht wagen. "Es wäre aber sehr schade, wenn es nicht klappt. Dann wären wir wieder beim Punkt Null", gibt sie zu bedenken. Den Aufenthaltsraum für die Trinker- und Drogenszene hatte der Gemeinderat schon im Jahr 2016 beschlossen. Die Idee für das Projekt kam vom Drogenverein Mannheim und der Caritas. Sie übernehmen auch die Betreuung der Besucher. Als Vorbild für den Trinkertreff gilt etwa das "Café Berta" in Dortmund.
Mit dem Aufenthaltsraum will die Stadt einen Ort schaffen, an den sich Obdachlose zurückziehen können und Alkohol trinken dürfen. Erlaubt sind "weiche" Getränke wie Bier und Wein. Hochprozentiges wie Wodka, Whisky oder Schnaps darf nicht getrunken werden. Den Alkohol müssen die Besucher selbst mitbringen. Auch illegale Drogen wie Heroin oder Kokain sind dort nicht erlaubt. Trotzdem soll der Raum auch eine Anlaufstelle für Menschen sein, die in einem Drogenersatzprogramm und dazu noch alkoholabhängig sind.
"Es geht uns nicht nur darum, dass die Leute ein Dach über dem Kopf haben, wo sie sich betrinken können", betont Verena Schmidt von der Suchtberatung der Caritas. Die Träger wollen den Menschen auch dabei helfen, ihre Lebensumstände zu verbessern. Das Angebot reicht von Sucht- und Schuldnerberatung bis zur Wohnungslosenhilfe. "Das sind Dinge, die diese Menschen brauchen, und die wir nicht mit ihnen auf der Straße besprechen können", erklärt Schmidt. Außerdem wollen sie ehrenamtliche Ärzte für ihr Projekt gewinnen, die regelmäßig vorbeischauen.
Die Kosten für das Projekt werden komplett von der Stadt Mannheim übernommen. Für dieses Jahr rechnet man mit Ausgaben von rund 520.000 Euro. Für 2019 sind Kosten von 287.000 Euro veranschlagt, 2020 sind es sogar 415.000 Euro. Sollte zunächst noch ein Container aufgestellt werden, setzt die Verwaltung inzwischen auf einen Massivbau.
Nutzen soll der Aufenthaltsraum aber nicht nur den Trinkern selbst. "Es geht auch darum, die Bevölkerung zu entlasten", erklärt Philip Gerber, Geschäftsführer des Drogenvereins Mannheim. Obdachlose Alkoholiker fielen in der Öffentlichkeit oft negativ auf. "Sie machen Lärm, blockieren Gehwege oder verrichten ihr Geschäft auf der Straße", so Gerber. Die Stadt will mit dem Projekt also auch verärgerte Anwohner besänftigen - was die Standortsuche nicht gerade leichter gemacht habe. Schließlich wolle kaum jemand neben einem solchen Aufenthaltsraum wohnen, sagt Gerber.
Zwei Jahre suchte die Stadt mit den Trägern nach einem geeigneten Standort. Unzählige Immobilien klapperten sie in der Innenstadt ab. "Oft waren die Räume einfach zu klein oder die Vermieter nicht einverstanden", erzählt Verena Schmidt. Oder sie kamen nicht infrage, weil sie direkt neben einer Schule oder einem Kindergarten lagen.
Nun soll der Trinkertreff also unter der Kurt-Schumacher-Brücke gebaut werden, die über den Rhein nach Ludwigshafen führt. Gegner im Gemeinderat monieren, der Platz sei weder zentral noch schön. Die Organisatoren sind da anderer Meinung: "Das ist bei Weitem der beste Ort, den wir bisher gesehen haben", erzählt Suchttherapeutin Verena Schmidt.
Der Standort in der Akademiestraße habe viele Vorteile: Er ist mit den Straßenbahnlinien 2 und 6 gut an das Verkehrsnetz angebunden. Außerdem liegen mehrere Suchtpraxen direkt um die Ecke. "Die größte Stärke ist aber, dass wir dort einen Außenbereich einrichten könnten", so Verena Schmidt. Den könnten die Klienten dann selbst gestalten, zum Beispiel mit einem Biergarten. "Die Leute wollen doch auch draußen sein können, vor allem im Sommer."