Gespräche mit den neuen Turley-Investoren gab es bereits
Mannheimer Liste fordert einen Ausschuss zur Akteneinsicht, um sich ein Bild von der Situation zu machen

Die Baufelder 4 und 5 des Turley-Geländes an der B38. Hier sollten eigentlich Wohnungen und Gewerbebetriebe entstehen. Was nach dem Verkauf von Tom Bock passiert, ist ungewiss. Archiv-Foto: Sommer
Von Olivia Kaiser
Mannheim. Seitdem bekannt geworden ist, dass der Investor Tom Bock zwei Baufelder auf der Konversionsfläche Turley in der Neckarstadt-Ost mehrheitlich an die Gründer des Sportwettenanbieters Tipico verkauft hat, sind viele Mannheimer Stadträte besorgt darüber, was die neuen Investoren jetzt mit der Fläche anfangen. Im schlimmsten Fall könnten die besagten Baufelder 4 und 5 über längere Zeit brach liegen, weil die neuen Besitzer die Grundstücke ihrerseits gewinnbringend verkaufen möchten. Eigentlich sollten dort Wohnhäuser und Gewerbebetriebe entstehen.
Doch anscheinend sind die neuen Besitzer durchaus am Wohnungsbau interessiert, wie Achim Judt, Geschäftsführer der für die Konversionsflächen verantwortlichen Entwicklungsgesellschaft MWSP, erklärt: "Die MWSP hatte bis heute bereits einige sehr konstruktive Gespräche mit dem neuen Projektentwickler. Dieser hat die Bestandswohnungen selbst ins Spiel gebracht. Es entspricht unserem Kenntnisstand, dass diese in den aktuellen Planungen Berücksichtigung finden." Eine schriftliche Zusicherung diesbezüglich liege jedoch nicht vor.
Die beiden Baufelder wurden in den Jahren 2012 und 2015 für etwa 6 Millionen Euro an die Tom-Bock-Gruppe verkauft. Allerdings enthielt der Vertrag keine Wertschöpfungsklausel. Diese Tatsache ist es, welche die Stadträte durch alle Fraktionen nicht verstehen können. Denn nun hat Bock die Baufelder für 36 Millionen Euro verkauft, ohne dass die Stadt am Gewinn beteiligt wird - was mit einer Wertschöpfungsklausel der Fall wäre.
Der Verzicht dieser Klausel sei vor dem Hintergrund der damaligen Entwicklung im Jahr 2012 zu bewerten, so Judt. Damals erwarb Tom Bock zehn denkmalgeschützte Kasernengebäude auf dem Turley-Areal. "2012 galt der Immobilienmarkt als schwer vorhersehbar", gibt Achim Judt zu bedenken. "Die Immobilien- und Finanzkrise von 2008 lag erst wenige Jahre zurück."
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Bereits 2007 habe die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) die Turley Barracks an einen privaten Projektentwickler veräußert. Dieser musste aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten das Gelände an die Bima zurückgeben. Die Diskussion in den Jahren 2011 und 2012 sei vor allem vom Zweifel geprägt gewesen, ob eine Entwicklung auf Turley überhaupt gelingen kann. "Mit der Tom-Bock-Gruppe konnte 2012 ein Ankerinvestor für Turley gewonnen werden, der eine Finanzierung von über 50 Prozent der Gesamtinvestition Turley sicherte und dabei sowohl überzeugende bauliche wie sozio-kulturelle Aspekte - beispielsweise Gastronomie, Kindergarten oder Balletthaus - anbot und in Frankfurt als verlässlicher Bestandshalter aufgetreten war", führt der MWSP-Geschäftsführer aus. "Die Kaufpreise für die Grundstücke lagen im Baufeld 4 zum Verkaufszeitpunkt 2012 und für Baufeld 5 im Jahr 2015 über dem Bodenrichtwert. Angelegt und über Jahre so realisiert war der Vertrag mit der Tom-Bock-Gruppe als eine langfristige Entwicklungspartnerschaft."
Die Stadträte der Mannheimer Liste (ML) treibt derzeit eine weitere Sorge um: "Unklar ist die Situation hinsichtlich möglicher Regressansprüche vonseiten der Bima gegenüber der MWSP, beziehungsweise der Stadt Mannheim. Die Bima hatte die Konversionsflächen an die MWSP verkauft. Soweit bekannt, werden bei Grundstücksverkäufen durch die Bima die Kaufverträge mit der entsprechenden Wertschöpfungsklausel geschlossen. Im vorliegenden Fall würde dies bedeuten, dass die Bima erhebliche finanzielle Ansprüche gegenüber der MWSP gelten machen kann", heißt es in ihrer Erklärung zum Grundstücksverkauf. "Für uns ist klar, dass angesichts der unklaren Verkaufsgeschäfte der Gemeinderat gefordert ist und sich durch einen Ausschuss zur Akteneinsicht ein Bild von der Situation machen muss. Ziel ist es, Schaden von der Stadt und ihren Bürgern abzuwenden", sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Holger Schmid.
Für die Fraktionsmitglieder stellt sich auch die Frage, wie viele Grundstücke insgesamt die MWSP bislang mit "derart fehlerhaften Verträgen" veräußert hat. Achim Judt: "Seit Mitte 2017 werden mit Blick auf die eingetretene Marktdynamik Aufpreis- oder Rücktrittsregelungen in den Kaufverträgen der MWSP vereinbart."



