Gentrifizierung in Mannheim

"Käsebrezel" kämpft für den Kiez im Jungbusch

Neu gegründeter Verein will Verdrängung der Kreativszene und Alteingesessenen im Jungbusch stoppen - Musik-Festival "Käsebrezel" am Samstag

03.08.2017 UPDATE: 04.08.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 22 Sekunden

Sie wollen mit ihrem Verein gegen die Gentrifizierung kämpfen (v.l.): Simon Sontowski, Max Freudenberg und Christoph Spieler. Foto: Gerold

Von Jan Millenet

Was hat eine Käsebrezel mit Gentrifizierung zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel. Auf den zweiten jedoch eine ganze Menge: Denn seit Kurzem gibt es in Mannheim einen gemeinnützigen Verein, der beides miteinander verbindet. Er nennt sich "Käsebrezel e.V.". Sieben Mannheimer haben ihn gegründet, um wachzurütteln. Sie wollen dazu auffordern, endlich etwas gegen die Gentrifizierung im Szenestadtteil Jungbusch zu tun. Die Gründer selbst sind schon aktiv geworden und richten nun am Samstag das erste Käsebrezel-Festival aus, ein kostenloses Musikfestival von 14 bis 22 Uhr.

"Dieses Jahr hat die Gentrifizierung richtig zugeschlagen", erzählt Simon Sontowski, eines der Gründungsmitglieder. Er hat gleich mehrere Beispiele parat. Das beliebte Stehcafé Kardes musste kürzlich schließen, nachdem ein Investor das Gebäude gekauft hat, in dem es sich befand. Die bekannte Aral-Tankstelle, die kaum aus dem Viertel wegzudenken sei, stehe ebenfalls vor der Schließung. "Selbst alteingesessene Kneipen knabbern an den steigenden Mieten, und es wird für sie immer schwerer, sich über Wasser zu halten", erklärt Sontowski.

Die Problematik ist zwar schon eine geraume Zeit bekannt. Dennoch, so findet Gründungsmitglied Christoph Spieler, würden viele der Bewohner zu wenig dagegen tun. Vielleicht, weil Gentrifizierung eher ein schleichendes Ereignis ist? "Kleine Mieterhöhungen werden stillschweigend angenommen", sagt Spieler, der sich schon mit Bewohnern des Jungbuschs darüber unterhalten hat.

Doch auch diejenigen, die das Nachtleben schätzen und regelmäßig am Verbindungskanal anzutreffen sind, würden sich kaum oder gar nicht um die Problematik kümmern. "Insgesamt wird viel über das Thema geredet, aber nur wenig unternommen", ist Spieler überzeugt. Gründungsmitglied Max Freudenberg, Besitzer der nahe liegenden "Dankbar", kennt Anwohner, die es direkt getroffen hat. "Immer wieder erzählen mir Gäste, dass sie vom Jungbusch wegziehen mussten, weil die Mieten zu teuer wurden und sie sich ihre Wohnung nicht mehr leisten konnten. Das ist traurig."

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Um nicht tatenlos dabei zuzusehen, möchte der Käsebrezel-Verein etwas tun. Er will die Massen zusammenbringen und zum Nachdenken anregen. Viele der Gründungsmitglieder wohnen zwar selbst nicht im Jungbusch, fühlen sich aber sehr verbunden. Freudenberg, der in Wallstadt wohnt, hat im "Busch" seine Frau Verena kennengelernt. "Ich liebe den Jungbusch. Er hat mich geprägt", sagt er.

Viele der Vereinsmitglieder sind obendrein Künstler oder Musiker und Teil der kulturellen Szene im Jungbusch. Sie genießen das künstlerische Umfeld, engagieren sich bei Events. "Der Jungbusch gehört zu unserer Heimat", sagt Musiker Christoph Spieler. "Die Kulturszene leidet unter der Gentrifizierung", stellt er fest. Besonders, weil zunehmend auch Locations wegfallen, in denen Kultur stattfindet, die die Szene prägen - wie die Aral-Tankstelle.

Und so soll das Käsebrezel-Festival auch ein Abschied von der Tankstelle sein, die im Übrigen verantwortlich für die Namensgebung ist. "Denn dort gab es immer die bekannten Käsebrezeln", erklären die drei lachend. Viele würden die Tankstelle kennen, viele werden sie vermissen. "Es kann so nicht weitergehen", sagen die Gründungsmitglieder, die hoffen, dass sich weitere Jungbusch-Fans ihrem Verein anschließen. Denn es sind weitere Aktionen geplant. Friedliche Aktionen, betonen sie.

Das Festival haben sie mit eigenen Mitteln auf die Beine gestellt. Die Veranstalter hoffen auf Spenden der Besucher, um ihre Fixkosten damit zu decken. Eine offizielle Unterstützung gebe es derzeit nämlich nicht, erklärt Freudenberg, der mit seiner Band Bad Image Company auftritt. Die wachsende Zahl der Facebook-Nutzer allerdings, die sich für das Festival interessieren und die auch schon ihre Teilnahme zugesagt haben, zeigt, dass es da draußen doch einige gibt, die der Wandel des kultigen Stadtteils berührt.

Info: Das Käsebrezel-Festival findet am 5. August auf dem Platz neben der Aral-Tankstelle im Jungbusch statt. Der Eintritt ist frei, Start ist um 14 Uhr. Neben einer Open Stage treten ab 16.30 Uhr fünf Live-Bands auf. Die Musik reicht von Psychedelic Rock über Hip Hop bis Grunge. Schluss ist um 22 Uhr.

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