Mannheim

Das Katzenelend wächst weiter und weiter

Immer mehr frei laufende Katzen sind in der Stadt unterwegs. Eine Katzenschutzverordnung könnte helfen.

23.09.2022 UPDATE: 23.09.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 49 Sekunden
Ehrenamtliche Helfer versorgen die Streunerkatzen auf dem früheren US-Militärgelände Spinelli bei Käfertal, wo die Arbeiten für ein neues Wohngebiet auf Hochtouren laufen. Tierschützer drängen bei der Stadt auf eine schnelle Lösung. Fotos: gol

Von Wolf H. Goldschmitt

Mannheim. Es war einmal eine idyllische Kleingartenanlage an einer friedlichen Straße, benannt nach der Frauenrechtlerin Anna Sammet. Diese Laubenpieperkolonie im Stadtteil Käfertal existiert immer noch. Doch sie ist keine Oase der Ruhe mehr. Um sie herum herrscht an Werktagen ein Höllenlärm. Betonmischer, Kipplader und Krane dröhnen um die Wette. Ein Neubaugebiet mit einförmigen Wohnquadern wächst rasch auf dem Gelände der ehemaligen US-Kasernen Spinelli. Mitten in dem Dauerkrach warten wilde Katzen tagtäglich auf ihre Fütterung. Die alten Bäume und verfallenen Wochenendhäuschen direkt nebenan stehen auf der To-do-Liste der Mannheimer Stadtentwicklungsgesellschaft (MWSP). Alle Besitzer der Gärten haben inzwischen ihre Parzelle verkauft und für Bauland freigemacht. Bleibt noch eine offene Frage: Was geschieht künftig mit dem Dutzend dort lebender Katzen?

Ehrenamtliche Helfer versorgen die Streunerkatzen auf dem früheren US-Militärgelände Spinelli bei Käfertal, wo die Arbeiten für ein neues Wohngebiet auf Hochtouren laufen. Tierschützer drängen bei der Stadt auf eine schnelle Lösung. Fotos: gol

 Bisher haben ehrenamtliche Tierfreunde regelmäßig auf eigenen Kosten die Nachfahren jener Tiere mit Nahrung versorgt, die von den US-Familien beim Abzug der Truppen zurückgelassen worden waren.

Als die Bauarbeiten in Schwung kamen, wurde den Tierschützern am 12. April 2021 von der MWSP versichert, dass das "Versorgen und Umsiedeln dieser Population gemeinsam in Angriff genommen wird", bevor der erste Bagger das ehemalige Idyll platt macht.

Und so blieb ein Kleingarten in der Anna-Sammet-Straße weiterhin angemietet, um dort bis zum Tag X die wild lebenden Samtpfoten bis zum Umzug zu versorgen. Schutzhäuschen gegen Hitze und Kälte wurden aufgestellt und ein Notfallplan für die ganzjährige Fütterung organisiert.

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Das schriftliche Hilfsangebot der MWSP aus dem vergangenen Jahr, das der Redaktion vorliegt, wird von der Gesellschaft heute relativiert. "Wir können die Bedenken um die Situation der Streunerkatzen gut nachvollziehen und schätzen den Einsatz sehr. Wir als Entwicklungsgesellschaft können jedoch auch weiterhin keine Ausweichflächen anbieten. Da es um Fragen des Tierschutzes geht, wurde eine Anfrage bei den zuständigen Stellen der Stadt gestellt und um Unterstützung bei einer Lösung gebeten", heißt es auf Anfrage.

Inzwischen hat auch die letzte Pächterin ihre Kündigung erhalten, da mittelfristig an der Anna-Sammet-Straße weitere Wohnbebauung vorgesehen sei. Jetzt fragen sich die Tierschützer: Können alle scheuen Vierbeiner rechtzeitig vor dem Abriss der Anlage eingefangen werden, wo sollen sie ihre Zuflucht finden und wer finanziert die Umsiedlungsaktion? Dass dieses Katzenproblem überhaupt entstand, dafür zeichnet die Stadtverwaltung mitverantwortlich.

Seit über zehn Jahren kämpfen die Ehrenamtlichen für eine Katzenschutzverordnung. Doch sie wurde bislang im Gemeinderat ergebnislos von den Fraktionen der Li.Par.Tie (Linke, Die Partei, Tierschutzpartei) und der Grünen gefordert. Daher ist die Population sowohl in der Käfertaler Kleingartenanlage als auch an Dutzenden anderer Futterplätze trotz Einfangen und Kastration mancher Tiere weiter gewachsen.

Jeder frei laufende Kater sollte künftig kastriert und gekennzeichnet sein. Eine Herkulesaufgabe bei geschätzt über 500 wilden Tieren und einer unbekannten Zahl frei laufender Hauskatzen. Eine einzige, nicht kastriert ausgesetzte Katze kann in einem Jahr für 30 Nachkommen sorgen. Obwohl viele davon im Straßenverkehr, durch schwere Krankheiten oder bei Misshandlungen verenden, wächst das Elend ständig weiter. Am 18. Oktober stehen die Straßenkatzen und ihr Leid auf Antrag der Tierschutzpartei in der Fraktion Li.Par.Tie auf der Tagesordnung des Gemeinderatsausschusses für Sicherheit und Ordnung. Für die fordert Andreas Parmentier: "Nur eine Katzenschutzverordnung kann langfristig die Katzenpopulation kontrollieren und somit vorbeugenden Tierschutz leisten."

Ehrenamtliche Helfer versorgen die Streunerkatzen auf dem früheren US-Militärgelände Spinelli bei Käfertal, wo die Arbeiten für ein neues Wohngebiet auf Hochtouren laufen. Tierschützer drängen bei der Stadt auf eine schnelle Lösung. Fotos: gol

Eine Umfrage der RNZ bei Kommunalpolitikern macht den Befürwortern Hoffnung, dass eine Mehrheit für die Verordnung möglich werden könnte. "Die SPD unterstützt die Forderung nach dem Erlass einer Katzenschutzverordnung für Mannheim", so Andrea Safferling, tierschutzpolitische Sprecherin. Sie ergänzt: "Wir warten schon lange auf die Vorlage einer Katzenschutzverordnung für Mannheim. Bürgermeister Specht hatte das, zuletzt im Ausschuss für Sicherheit und Ordnung im Februar 2021, bereits zugesagt." Ähnliche Signale kommen von den Grünen und den Freien Wählern. Mannheims Tierärzte und das Tierheim halten eine Katzenschutzverordnung, wie sie in Ludwigshafen und Viernheim bereits eingeführt ist, für zwingend.

"Für verantwortungsbewusste Katzenhalter sollte es selbstverständlich sein, ihre Tiere kastrieren zu lassen, wenn sie – tiergerechten – Freilauf erhalten. Leider ist das nicht immer so. Grundsätzlich geht eine Katzenschutzverordnung in die richtige Richtung, um Tierleid durch übergroße Populationen frei lebender Katzen zu reduzieren. Voraussetzung ist die Dokumentation, dass große Populationen im Stadtgebiet vorhanden sind. Darauf warten wir", schreibt FDP-Stadträtin Birgit Reinemund.

Die Versorger der frei lebenden Katzen wissen von weit über hundert betreuten Tieren täglich. Und die Dunkelziffer sei wesentlich höher. Eine aussagekräftige Zahlendokumentation habe man aber bereits mehrfach Peer-Kai Schellenberg übermittelt, dem zuständigen Abteilungsleiter des Amtes für Sicherheit und Ordnung.

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