CDU schlägt autofreie Fressgasse und Kunststraße vor
Fußgängerzone würde sich verdoppeln - Experten: Erreichbarkeit der City darf sich nicht verschlechtern

Wird die Kunststraße für Autos gesperrt, wie hier zu sehen ist, müssten sich Anwohner und Passanten auch nicht mehr über die sogenannten Poser ärgern. Grafik: CDU Mannheim
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Unter dem Schlagwort "Neue Innenstadt" schlägt die CDU vor, die Fußgängerzone in den Quadraten zu erweitern. Bislang sind nur die Planken (vom Kaiserring bis zum Paradeplatz) und die am Marktplatz vorbeiführende Breite Straße inklusive Seitenstraßen und Passagen für Autos tabu. Nach dem Wunsch der Christdemokraten sollen zur Bundesgartenschau (Buga) 2023 und darüber hinaus die Kunststraße und die Fressgasse hinzukommen. Dadurch würde sich die Fläche der Fußgängerzone nahezu verdoppeln.
Die CDU verspricht sich von dem Vorstoß zweierlei: Erstens könnte die Aufenthaltsqualität in der City steigen, Kunststraße und Fressgasse durch neue Bäume und Grünflächen aufgewertet werden. Profitieren würden auch Radfahrer, für die jeweils Zweirichtungswege angelegt werden sollen. Zweitens soll die in der Bevölkerung nicht übermäßig beliebte Buga einen positiven Schub erhalten. So wie 1975, als zur letzten Bundesgartenschau in Mannheim die heutige Fußgängerzone eingerichtet wurde.
Können die Autos dann nicht mehr in die Quadrate fahren? Doch, aber anders. CDU-Stadtrat Thomas Hornung, der an dem Konzept entscheidend mitgearbeitet hat, beziffert den reinen Durchgangsverkehr auf täglich unter 1000 Fahrzeuge in der Kunststraße in Richtung Wasserturm, 1500 seien es in der Fressgasse. "Diesen Verkehr kann der Ring gut aufnehmen", ist Hornung überzeugt.
Tatsächlich rollen wegen der gesperrten Hochstraße Süd viel mehr Autos durch die Fressgasse - als Schleichweg zur Kurt-Schumacher-Brücke über den Rhein in die Pfalz. "Aber diesen Verkehr gab es ja vorher schon, und er ist über den Ring beziehungsweise die Bismarckstraße gefahren", sagt Hornung. Und ergänzt: Wir können und sollten uns in Mannheim Entwicklungschancen nicht vergeben, weil auf der anderen Rheinseite Probleme nicht schnell genug gelöst werden können." Angenehmer Nebeneffekt für die Anwohner: Der durch die Kunststraße lärmenden Poser-Szene würde endgültig der Garaus gemacht.
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Stellt sich die Frage nach dem Parken. Laut Hornung sind Parkhäuser und Tiefgaragen in den Quadraten mit insgesamt rund 6900 Plätzen "bei weitem nicht ausgelastet - sowohl im Schnitt als auch an Spitzentagen". Als zusätzlicher Anreiz schwebt der CDU vor, dass die erste halbe Stunde für schnelle Besorgungen kostenlos bleibt. Durch die Umwandlung von Kunststraße und Fressgasse in autofreie Zonen würden rund 300 öffentliche Parkstände am Straßenrand wegfallen.
Verbleiben in der ganzen City noch circa 4400. Anwohner würden 150 Parkplätze verlieren. "Das ist nicht wirklich viel", betont Hornung. Die Plätze könnten in benachbarten Quadraten ausgewiesen oder von Parkhausbetrieben günstig angeboten werden.
Die Parkplatzsuche entscheidend erleichtern soll ein intelligentes digitalisiertes Leitsystem. Ein entsprechendes Konzept arbeitet die Stadt ohnehin gerade aus, der Bund fördert es mit 1,8 Millionen Euro. Es soll auch für bessere Luft in der Innenstadt sorgen. Geplant ist, dass Autofahrer in Echtzeit auf dem Navi oder Handy angezeigt bekommen, wo freie Parkplätze sind.
"Unsere Pläne werden dem Einzelhandel helfen, nicht schaden", glaubt Hornung. Experten und das Zentren-Konzept der Stadt betonten: "Die Aufenthaltsqualität einer Stadt entscheidet künftig darüber, ob Besucher kommen, bleiben und Geld ausgeben." Lutz Pauels, Erster Vorsitzender der Werbegemeinschaft Mannheim City, findet die CDU-Vorschläge spannend und interessant. "Diese werden sicher die von uns allen gewünschte und notwendige Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt erhöhen", sagt er auf RNZ-Anfrage. Dabei sollten jedoch die Konsequenzen für Seitenstraßen und den Innenstadtring sorgfältig beleuchtet werden, fordert Pauels. Die Werbegemeinschaft wünscht sich dazu eine "professionelle Simulation" von Experten.
"Wir sind nicht grundsätzlich gegen den Antrag der CDU", sagt Swen Rubel, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands Nordbaden. Er verlangt aber, dass die Entscheidungsfindung ergebnisoffen geführt und wissenschaftlich begleitet wird. "Und politisch so untermauert wird, dass die Erweiterung der Fußgängerzone über die reine Straßensperrung hinaus mehr Aufenthaltsqualität bringt", sagt Rubel.
Er wünscht sich, dass das Konzept aus dem regionalen Verkehrsplan abgeleitet wird. Das sieht auch Manfred Schnabel so. Aus Sicht des Präsidenten der IHK Rhein-Neckar und mit Blick auf den Wirtschaftsstandort Mannheim sind Vorschläge begrüßenswert, die Teil ganzheitlicher Planungen sind. Als Beispiel nennt Schnabel den Mobilitätspakt für die Metropolregion, der nach der Sperrung der Hochstraße Süd dringlicher denn je geworden ist. "Daran sehen wir, wie wichtig eine regionale Abstimmung ist", erklärt Schnabel.
Auch die CDU will das Projekt "Neue Innenstadt" in ein regionales Gesamtkonzept einbinden, das den Ziel- und Durchgangsverkehr in der City ebenso umfasst wie Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr. Die Stadt will sich nach Angaben einer Rathaussprecherin erst dann äußern, wenn das Thema im Hauptausschuss des Gemeinderats diskutiert wird.