Bauarbeiten am Mannheimer "Marchivum" starten noch im Februar

Der Weltkriegsbunker Ochsenpferch wird bis 2017 zum neuen Domizil des Stadtarchivs und dann "Marchivum" heißen

11.02.2016 UPDATE: 12.02.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 13 Sekunden

Der massive Ochsenpferchbunker hielt im Zweiten Weltkrieg dem Treffer einer Zehn-Zentner-Luftmine stand und rettete damit zahlreichen Menschen das Leben.

Von Gerhard Bühler

Noch im Februar werden die Bauarbeiten beginnen. Bis 2017 soll sich der Weltkriegsbunker "Ochsenpferch" in der Neckarstadt in das neue Domizil des Stadtarchivs verwandeln. Über das Bundesprogramm "Nationale Projekte des Städtebaus" fließt dazu die außergewöhnliche Fördersumme von 6,6 Millionen Euro (wir berichteten). Ein Besuch des Bundestagsabgeordneten und Jury-Mitglieds Christian Kühn bot die einmalige Gelegenheit, das Innere des Bunkers noch einmal im unveränderten Zustand besichtigen. Dabei wurden dramatische Momente der Geschichte der Quadratestadt wieder lebendig.

Massive, graue Stahltüren verschließen noch immer die Zugänge an der Dammstraße, die um Hausecken herum nach innen verlegt wurden, um der Wucht niedergehender Bomben nicht direkt ausgesetzt zu sein. Nach einem mit weiteren Stahltüren gesicherten Vorraum führt der Weg in fast hallenartig große, leere Räume. Die kahlen Betonwände sind weiß gestrichen, es ist kalt und klamm. Von den drei Meter hohen Decken hängen dicke, graue Rohre der Lüftungsanlage. Sie sorgt für die notwendige Zufuhr von Frischluft in das fensterlose Gebäude.

Wenn der Bunker voll belegt war, wie in zahlreichen Bombennächten des Zweiten Weltkriegs, suchten hier 7500 Menschen Schutz, erzählt Christoph Popp vom Stadtarchiv beim Rundgang. Nach einigen Stunden Aufenthalt während der Fliegerangriffe soll es hier so stickig und voller Gestank gewesen sein, dass es kaum noch auszuhalten war. Der Bunker Ochsenpferch sei nicht nur der größte Hochbunker der Stadt, sondern auch architektonisch eine ungewöhnliche Stilmischung, Elemente des NS-Klassizismus seien ebenso dabei wie etwas Burgartig-Mittelalterliches, sagt Popp.

Bei seiner Erbauung von 1941 bis 1943 wurden 1000 Kubikmeter Beton verbraucht. Doch der Aufwand lohnte sich: Die 1,50 Meter starke obere Betondecke hielt in der Nacht vom 23. zum 24. September 1943 dem Treffer einer Zehn-Zentner-Luftmine stand. Während rundum alles in Schutt und Asche versank, rettete der Bunker vielen Neckarstädtern das Leben.

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Wer heute in den großen, leeren Innenräumen auf den Boden schaut, kann noch Spuren von Innenwänden erkennen, die jedoch erst nach dem Krieg hier eingebaut wurden. Weil fast alles zerstört war und dramatische Wohnungsnot herrschte, seien hier mit den Einbauten rund 450 Wohneinheiten geschaffen worden, erläutert Stadtarchivs-Leiter Dr. Ulrich Nieß. "Noch bis zum Jahr 1965 wurden diese als Not-Wohnraum für Obdachlose und sozial Schwache genutzt. Das waren schlimme Zustände hier", nennt Historiker Popp überraschende Details. Während des "Kalten Krieges" diente der Bunker wieder dem Zivilschutz. Im Katastrophenfall war sogar die Auslagerung von Teilen des Klinikums hierher vorgesehen. Die eingebauten Wände wurden wieder entfernt.

Seit 2008 dienen die Räume als Außendepot des Stadtarchivs. Nach dem Ende des nun beginnenden Umbaus, vermutlich ab 2017, wird das gesamte Stadtarchiv/Institut für Stadtgeschichte aus dem Collini-Center hierher umziehen. In zwei oben auf das Gebäude gesetzten Etagen aus Glas und Stahl werden Büros, Lesesäle und Publikumsräume entstehen. "Die Bunker-Stockwerke darunter dienen der Aufbewahrung von Archivgut. Während im Erdgeschoss eine ständige Ausstellung zur Stadtgeschichte ihren Platz finden soll, ist im ersten Obergeschoss ein Dokumentationszentrum zum Nationalsozialismus vorgesehen", erläutert Popp die Pläne.

Auch einen neuen Namen gibt es schon. "Marchivum. Mannheims Haus der Stadtgeschichte und Erinnerung" soll es heißen, den Namen Ochsenpferch wollen wir ablegen", blickt Nieß schon einmal voraus. Das Problemviertel Neckarstadt-West könne damit einen "kulturellen Anker" bekommen.

Die Besucher aus der Politik, neben Kühn als bau- und wohnungspolitischem Sprecher der Grünen auch die Parteifreunde Dr. Gerhard Schick (MdB) und Wolfgang Raufelder (MdL), sind nach dem Rundgang begeistert. "Das ist ein tolles Projekt, in das viel Herzblut hineingesteckt wird", zeigt sich Kühn sehr zufrieden mit der getroffenen Förderzusage: Die Geschichten von Bomben, Flucht und Vertreibung seien nach wie vor hochaktuell.

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