Mannheim

Aufregung um Zaun für Haubenlerchen um Spinelli

Ex-OB Peter Kurz weist die Schuld von sich. Die Mitarbeiter in zwei Dezernaten wussten schon 2021 Bescheid.

11.11.2023 UPDATE: 11.11.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 5 Sekunden
Freilaufende Katzen sollen streng geschützte Haubenlerchen auf dem Spinelli-Gelände nicht angreifen, deshalb fordert die Obere Naturschutzbehörde Zäune. Symbolbild: Seeger

Von Alexander Albrecht

Mannheim. Staunende Blicke, Irritationen und sogar Wut bei den Stadträten, ein Oberbürgermeister Christian Specht (CDU), der nach eigenem Bekunden bis vor Kurzem nichts davon gewusst hat: Die Information von Buga-Geschäftsführer Michael Schnellbach im Konversionsausschuss, dass 15 bis 18 Hektar des Spinelli-Geländes zum Schutz der Haubenlerche umzäunt werden sollen, sorgt für Aufregung. Die RNZ erklärt die Hintergründe:

Wie viele Haubenlerchen leben derzeit auf Spinelli, und wie wurden die Vögel vor und während der Buga geschützt? Laut Stadtsprecher Dirk Schuhmann wurde zuletzt 2017 ein Haubenlerchen-Paar in Mannheim – und auch auf Spinelli – gesichtet. Im vergangenen Jahr habe man drei Exemplare beobachtet, die allerdings nicht auf dem Gelände gebrütet hätten. "Es könnte sich dabei um durchziehende Vögel gehandelt haben", so Schuhmann.

Beim Rückbau der Hallen und Betonflächen auf Spinelli zur Vorbereitung der Bundesgartenschau sei geprüft worden, ob die streng geschützte Art dort Reviere hatte beziehungsweise brütete. "Wären Haubenlerchen damals gefunden worden, hätte der Rückbau in dem Bereich sofort gestoppt werden müssen", teilt der Sprecher mit. Während der Buga sei das Schutzkonzept hingegen zeitweise ausgesetzt gewesen.

Katzenschützer hatten vor der Buga einen Schlüssel zum Gelände. Könnten Katzen dafür gesorgt haben, dass die Haubenlerche auf Spinelli verschwand? Das Gelände sei wie alle Freiflächen in Mannheim für Katzen erreichbar, sagt Schuhmann. "Daher ist es grundsätzlich denkbar, dass dort frei laufende Katzen auch Vögel erlegt haben."

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Schon 2019 hatten die Naturschutzbehörde, die Stadt und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, der die ehemalige US-Militärfläche damals noch gehörte, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zum Artenschutz unterzeichnet. Wer hat für die Stadt unterschrieben, und warum ist der Vertragsinhalt seinerzeit nicht im Aufsichtsrat der Buga thematisiert worden? Den Vertrag habe der damalige Oberbürgermeister Peter Kurz unterschrieben, sagt Schuhmann, die zweite Frage ließ er unbeantwortet.

Was sagt die Stadt auf die von FDP-Fraktionschefin Birgit Reinemund via Facebook aufgeworfene Frage "Hat Ex-OB Kurz den Gemeinderat und die Bevölkerung da bewusst angelogen?" Rathaussprecher Schuhmann verweist auf Aussagen von Kurz im "Mannheimer Morgen". Der im August aus dem Amt geschiedene SPD-Politiker sagte dem Blatt, der Vertrag habe zwar eine Wiederansiedlung und den Schutz der Haubenlerche vorgeschrieben, nicht aber in welcher Größenordnung. Bei einer Fläche von 15 bis 18 Hektar hätte er, Kurz, sofort reagiert und das Thema im Gemeinderat erörtert. Diesen Aussagen sei vonseiten der Stadt "aktuell nichts hinzuzufügen", betont Schuhmann.

Die Obere Naturschutzbehörde des Regierungspräsidiums hatte laut Schnellbach 2021 die Vorgaben in einer E-Mail konkretisiert und die 15 bis 18 Hektar Schutzraum genannt. Warum hat die Stadt dann nicht reagiert? Offenbar hatte sie kein Mitspracherecht mehr. In dem öffentlich-rechtlichen Vertrag verpflichtete sich die Stadt als Voraussetzung für den Rückbau der Kasernengebäude und der versiegelten Flächen des Militärgeländes "allgemein" dazu, Artenschutzmaßnahmen durchzuführen, erklärt Schuhmann.

Das betraf die Arten Mauereidechse, Haubenlerche, Dorngrasmücke, Neuntöter, Gelbspötter und Kreuzkröte. In dem Vertrag war auch ein Schutzradius von zehn Metern um eine nachgewiesene Brutstätte herum geregelt worden. Dies habe sich aber auf Ackerflächen außerhalb des Spinelli-Geländes bezogen, so der Stadtsprecher. Die Einzäunung war nach Vertragsschluss auf Anweisung des Regierungspräsidiums in den sogenannten Landschaftspflegerischen Begleitplan aufgenommen worden.

Die Vorgaben teilte die Karlsruher Behörde dann aber nicht Kurz mit, sondern den zuständigen Mitarbeitern der Bundesgartenschau-Gesellschaft sowie der städtischen Dezernate IV (Bauen) und V (Umwelt). Geführt werden sie von Ralf Eisenhauer (SPD) beziehungsweise Diana Pretzell (Grüne).

Wie hoch und wie beschaffen sollen die Schutzzäune sein? "Die genaue Ausgestaltung der Zäune ist nicht detailliert vorgegeben", sagt Schuhmann. Sie müssen allerdings den Vorgaben des Regierungspräsidiums zufolge dazu geeignet sein, die Schutzzonen vor dem Betreten von Besuchern und vor frei laufenden Hunden zu schützen, außerdem sollen sie Katzen möglichst aus dem Schutzgebiet fernhalten. Deshalb sind auch "Katzenrollen" vorgesehen, wie Schnellbach in der Ausschusssitzung informierte.

Wo genau befindet sich der bis zu 18 Hektar große Schutzraum auf Spinelli? Die Zonen sind Teil des Grünzugs Nordost und übernehmen eine wichtige Funktion als Frischluftschneise für die Innenstadt und angrenzende Stadtteile. Sie umfassen weitgehend Flächen westlich der Völklinger Achse, also dem direkten Weg zwischen Feudenheim und Käfertal-Süd. Ein kleinerer Teil befindet sich auf dem früheren Experimentierfeld südlich der Weinbar. Für diesen Bereich gab es bereits einige Nutzungsideen, die nun auf der Kippe stehen.

Haubenlerchen – da war doch was? Ja. Der Rhein-Neckar-Kreis hatte für die Stadt Walldorf im vergangenen und in diesem Jahr einen "Katzen-Lockdown" verhängt. Die Maßnahmen sollen 2024 und 2025 fortgesetzt werden, so lange gilt die Allgemeinverfügung grundsätzlich für alle frei laufenden Samtpfoten im südlichen Stadtgebiet. Während der Brutzeit seien die Walldorfer Haubenlerchen durch 1,75 Meter hohe Elektrozäune gut geschützt, hieß es. Doch sobald die Jungtiere das Nest verließen – und noch nicht fliegen konnten – gab es Probleme. Es waren viele jagende Katzen unterwegs, der Haubenlerchen-Nachwuchs verschwand nach und nach.

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