Auf Stolpersteine-Tour erfährt man per App mehr über Schicksale
Als Volontärin am Mannheimer Goethe-Institut hat Ina Lukas in einer App eine Tour mit sechs Stationen entwickelt.

Von Jan Millenet
Mannheim. Stolpersteine, ein Projekt des deutschen Künstlers Gunter Demnig, mit dem er an die Opfer und Verfolgten des Nationalsozialismus erinnern möchte, findet man bereits in vielen Städten europaweit. Auch in Mannheim oder Heidelberg gehören die meist auf dem Boden angebrachten beschrifteten Messingplatten seit einigen Jahren zum Stadtbild. Ina Lukas interessiert sich schon lange für sie und hat nun das Projekt "Mannheimer Stolpersteine entdecken! Eine Spurensuche" ins Leben gerufen – eine kleine Tour, mit der man mehr über verschiedene Schicksale erfährt.
Eigentlich ist Ina Lukas Ludwigshafenerin. Warum sich die 26-Jährige die Quadratestadt für ihr Projekt ausgesucht hat, hängt damit zusammen, dass sie bis Ende Juli als Volontärin ein Ausbildungsjahr beim Mannheimer Goethe-Institut (GI) im Bereich Kultur- und Freizeitprogramm und kulturelle Bildung absolviert. Das Volontariat beinhaltet auch im Sinne einer eigenen Ausbildungsstation die Mitarbeit am Zentrum für internationale kulturelle Bildung des GI, das sich unter anderem Projekten zur Bekämpfung von Antiziganismus und Rassismus widmet.
"Ich habe in diesem Rahmen die Möglichkeit bekommen, ein eigenes Projekt zu entwickeln. Und meine Idee war es, etwas zu den Stolpersteinen zu machen", erzählt sie. Denn dies lasse sich auch perfekt mit den internationalen Sprachkursteilnehmenden, die am GI Mannheim Deutschkurse belegen, umsetzen.
Besonders gut an den Stolpersteinen findet Ina Lukas die Idee, die dahinter steckt. "Dass man zufällig vorbeiläuft und sieht, dass hier eine Person gelebt hat, hinter der sich eine Biografie befindet", präzisiert sie. Auf den Stolpersteinen selbst stehen nur wenige Informationen über die Menschen, an die erinnert wird. "Doch ich möchte immer wissen, was das für eine Person war und welches Schicksal ihr widerfahren ist", sagt sie.
Auch interessant
Und genau darauf zielt auch "Mannheimer Stolpersteine entdecken ab!". Es ist eine Idee, die die Ludwigshafenerin schon von der kulturellen Bildungsarbeit des GI in Amsterdam kennt. Dahinter verbirgt sich eine kostenlose App namens Actionbound, die von Medienpädagogen für interaktive Stadtrallyes entwickelt wurde und sich vornehmlich an Jugendliche und Schulklassen richtet.
Aber nicht nur, denn nutzen kann und soll sie jeder, der sich für die Geschichte des Nationalsozialismus in Mannheim interessiert und Bezüge zur heutigen Zeit herstellen möchte. Daher hat Ina Lukas die App auf Mannheim gemünzt. Unterstützung bekam sie dabei von den Amsterdamer Kolleginnen und Kollegen, vom Mannheimer Marchivum, vom deutsch-türkischen Institut für Arbeit und Bildung sowie durch eine Förderung der Stadt Mannheim.
Entstanden ist eine Tour mit sechs Stationen, die sich in den Quadraten verteilt finden lassen. Auch die Synagoge gehört dazu. "Ich wollte so viele verschiedene Opfergruppen wie möglich abbilden. Zum Beispiel Juden, Homosexuelle, Sinti und Roma", so die studierte Kulturwissenschaftlerin.
Über die App bekommen die Nutzer dann einerseits verschiedene Informationen zu den Stationen. Andererseits müssen sie aber auch mit ihrer Umgebung interagieren, um Aufgaben lösen zu können. "So kann man spielerisch und nachhaltig lernen", sagt die Volontärin.
Die Nutzung der App ist relativ einfach. Man lädt sie sich aufs Handy, sucht über den Namen des Projekts "Mannheimer Stolpersteine entdecken!" die entsprechende Mannheim-Tour und bekommt darüber den Startpunkt mitgeteilt.
"Es folgt ein kurzer Input zur aktuellen Station, dann eine Aufgabe", erläutert Ina Lukas. Das könne eine kreative Aufgabe sein, ein Multiple-Choice-Quiz oder etwa die Herausforderung, eine Sprachaufnahme zu machen. "Ist die Aufgabe gelöst, erhält man die Koordinaten für die andere Station."
Rund 35 bis 50 Minuten dauert die Stolperstein-Tour. Sie ist für Kleingruppen konzipiert und in deutscher, englischer und einfacher Sprache verfügbar. Zusätzlich – und das könnte besonders für Lehrkräfte und Personen der außerschulischen Bildung interessant sein – gibt es Begleitmaterial in Form von Handouts zur Vor- und Nachbereitung, sodass der Actionbound im Rahmen des Unterrichts und von Projekttagen genutzt werden kann.
Seit Anfang Juni ist die Stolpersteine-Tour für zwei Jahre verfügbar. Ob es dann eine Verlängerung gibt, kann Ina Lukas nicht sagen, da sie dann selbst nicht mehr am Goethe-Institut sein wird. Aber sie hofft, dass viele sie nutzen und die App dazu beiträgt, die Menschen für Diskriminierungs- und Ausgrenzungsmechanismen sowie Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu sensibilisieren. Etwas, das in heutiger Zeit immer wichtiger wird.
Info: www.goethe.de/stolpersteine.