Ist dieser Polizeieinsatz aus dem Ruder gelaufen?
Ein Festgenommener erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizei

Vor dem Kreativzentrum im Alten Volksbad in der Mittelstraße eskalierte die Situation am Freitagabend. Foto: Gerold
Von Olivia Kaiser
Mannheim. Es waren tumultartige Szenen, die sich am vergangenen Freitag während des ersten Tags des Kulturfests Lichtmeile im Stadtteil Neckarstadt-West abgespielt haben: Ein Mann wurde in einem Streifenwagen festgehalten, Passanten filmten das Geschehen, Polizeibeamte versuchten das teilweise zu unterbinden und kontrollierten sie. Ein 28-Jähriger wollte seinen Ausweis nicht zeigen und wurde daraufhin festgenommen. Er und ein weiterer Zeuge, ein Rechtsanwalt, haben sich bei der RNZ gemeldet. Beide erheben schwere Vorwürfe gegen die Polizei: Die Beamten hätten unverhältnismäßige Gewalt angewendet.
Die Geschichte begann gegen 21.15 Uhr. Die Polizei nahm einen 35-jährigen Mann fest, der - wie die Polizei in einem Bericht schreibt - mehrere Beamte beleidigt haben soll. Er wurde in einem Streifenwagen am Neumarkt festgehalten. Dort gelang es dem Mann, das Mikrofon an sich zu bringen und über die Lautsprecheranlage auf sich aufmerksam zu machen. Laut Polizei soll er seine Unterstützer herbeigerufen haben.
Beide Zeugen geben gegenüber der RNZ an, den Mann gehört zu haben. Was er sagte, verstanden sie nicht. "Es herrschte eine lockere Stimmung. Dass da jemand das Polizeimikro zu fassen bekam und über Lautsprecher zu hören war, sorgte für Belustigung", erzählt der Rechtsanwalt. So schildert auch der 28-jährige Student die Situation. Er begab sich zu dem Fahrzeug und sah, wie mehrere Polizisten herangerannt kamen. Einer habe die Tür zum Rücksitz geöffnet und sei ins Auto gesprungen. Daraufhin habe der Mann im Wagen "geschrien wie am Spieß". Dann soll der Satz gefallen sein: "Hört auf. Ihr brecht mir das Genick."
Die Polizei fuhr mit dem Streifenwagen ein Stück die Mittelstraße Richtung Alter Messplatz hinunter und kam vor dem Alten Volksbad zum Stehen. Dort habe sich schnell eine Menschenmenge ums Auto gebildet. Einige Passanten seien dem Wagen vom Neumarkt aus zum nicht weit entfernten Volksbad gefolgt, erzählen beide übereinstimmend. Dann soll laut dem Rechtsanwalt nochmals der Satz "Ihr brecht mir das Genick" gefallen sein. Er und viele der Umstehenden begannen, die Situation mit dem Handy zu filmen. Die Polizei habe versuchte, das zu unterbinden. "Sie haben die Leute mit Lampen angeleuchtet, ihnen gesagt, dass sie eine Straftat begehen. Das ist aber nicht korrekt. Das Filmen einen Polizeieinsatzes ist generell erlaubt", betont der Rechtsanwalt. Darauf habe er die Beamten auch hingewiesen, die dann seinen Ausweis sehen wollten. Als er dies verweigerte, hätten ihn drei Beamte sehr bestimmt in Richtung eines Streifenwagens bugsiert. Daraufhin gab er den Beamten seinen Ausweis.
Auch interessant
Mit Handschellen gefesselt und Kapuze über dem Kopf
Dass das Filmen eines Polizeieinsatzes generell erlaubt ist, dem stimmt Polizeisprecher Michael Klumpp zu. "Es ist zulässig, wenn die Situation an sich gefilmt wird", erklärt er. "Nahaufnahmen von einzelnen Beamten sind meines Wissens jedoch nicht zulässig." Genau das ist aber augenscheinlich der Grund gewesen, weshalb das Filmen für den 28-Jährigen nicht so glimpflich abgelaufen ist. Laut Polizeibericht hat er nämlich "Nahaufnahmen eines Gesprächs zwischen einem Polizeibeamten und einem Passanten gefertigt." Hier gelte zum einen das Persönlichkeitsrecht der beiden Betroffenen und zum anderen die Vertraulichkeit des gesprochenen Worts, erklärt Klumpp.
Der 28-Jährige wurde laut eigener Aussage von Polizeibeamten nach seinem Ausweis gefragt und weigerte sich, ihn zu zeigen. "Daraufhin wurde ich von mehreren Polizisten in ein Wettbüro gezerrt, dabei hat mit einer ins Gesicht geschlagen." Er sei auf den Boden geworfen und mit Handschellen gefesselt worden. Man habe ihm zudem eine Kapuze über den Kopf gezogen. Schätzungsweise zehn Minuten habe er so gelegen. Die Polizei habe nach seinem Handy gesucht, es aber nicht gefunden, obwohl es sich in der Jackentasche befunden habe.
Handy-Sperrcode oder Arrestzelle?
Erst auf dem Neckarstadt-Revier wurden sie fündig. "Man stellte mich vor die Wahl: Entweder ich gebe meinen Sperrcode heraus und zeige die Videos, oder mein Handy wird konfisziert und ich bleibe über Nacht auf dem Revier", erzählt der Student. Mehrfach habe er daraufhin über die Gegensprechanlage in der Zelle verlangt, einen Anwalt anrufen zu dürfen. Dies sei ihm verwehrt worden. Um Mitternacht schließlich sei er von anderen Polizisten freigelassen worden und habe sein Handy wieder bekommen.
Beide Zeugen hatten den Eindruck, dass die Polizeibeamten mit der Situation überfordert gewesen seien. Solche Vermutungen will Michael Klumpp nicht kommentieren - ebenso wie den Polizeieinsatz und die Aussagen der beiden Männer: "Ich kann zu dem Sachverhalt keine Stellung nehmen, es handelt sich um ein laufendes Verfahren." Dem 28-Jährigen wird Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Er selbst hat nach eigenen Aussagen eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft eingereicht. Dort werden beide Anzeigen bearbeitet und gegebenenfalls in beide Richtungen, sprich gegen den 28-Jährigen und gegen die beteiligten Polizisten, ermittelt.



