Klimaerhitzung

Fichte weicht in Mannheim der Traubeneiche

Projekt "Klimawald" im Käfertaler Wald konzentriert sich auf hitzeresistente Baumarten - Forstamt pflanzte 5800 Setzlinge

21.07.2019 UPDATE: 28.07.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 8 Sekunden

Um sie vor Tieren zu schützen, wachsen die Setzlinge momentan in weißen Schutzhüllen heran: Foto: Gerold

Von Marco Partner

Mannheim. Er ist wie eine natürliche Klimaanlage. Gerade jetzt, wenn die Temperaturen weit über die 30-Grad-Marke klettern, erweist sich ein Spaziergang durch die großen Schattenspender als willkommene Abkühlung. Doch mittlerweile geraten die Bäume in den Mannheimer Wäldern selbst ins Schwitzen. Hitzewellen, Trockenheit, Pilzbefall und Borkenkäfer machen den Kiefern, Buchen und Fichten zu schaffen. Das Forstamt hält dagegen und versucht, die natürlichen Erholungsräume langfristig den neuen Herausforderungen anzupassen. "Klimawald" nennt sich das Projekt, dank des nach und nach klimatolerante Laub- und Nadelbaumartens behutsam gepflanzt und aufgebaut werden sollen.

Der Anfang ist bereits auf einer zwei Hektar großen Fläche nördlich der Konversionsfläche Franklin gemacht. Heimische Arten wie die Traubeneiche gedeihen neben submediterranen Baumgattungen wie Baumhasel. Hopfenbuche und Elsbeere wachsen aufgereiht in Reih und Glied in schmalen Plastikhülsen, sogenannten Tubex. Was an einen Soldatenfriedhof erinnert, ist in Wahrheit die Hoffnung auf ein Fortbestehen der grünen Lunge vor der Haustür. "Die aktuelle Situation ist besorgniserregend und nicht zukunftsfähig", verdeutlicht Forstamtsleiter Sebastian Eick bei einem Vor-Ort-Besuch.

Denn aktuell schwinden insbesondere die Kiefernbestände aufgrund der Dürreperiode 2018 rapide dahin. Hitze, Schädlingsbefall, Diplodia-Pilz, Triebsterben, rote Nadeln: es ist ein Teufelskreis, von dem der Käfertaler, Dossen- und Rheinauer Wald derzeit heimgesucht werden. "Der Wald, wie wir ihn kennen, droht auszusterben", betont auch Umweltbürgermeisterin Felicitas Kubala (Grüne) angesichts drohender Erderwärmung. Nach und nach wolle man daher wärmeresistente Baumarten in die Waldökologie einarbeiten. Darunter auch seit der Römzerzeit bewährte Arten wie die Esskastanie.

Welche Baumtypen sich am Ende durchsetzen, ist offen. Aktuell lugt noch keiner der über 5800 Setzlinge aus ihren Schutzhüllen hervor. Zumindest aber sind sie vor Wildschweinen, Rehen und natürlichen Konkurrenten wie der Traubenkirsche geschützt. Diese sei "invasiv", breite sich zu rasch aus und erschwere die Verjüngung des Walds sowie die Biodiversität. "Der Wald ist im Grund unsere größte Möglichkeit, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Bäume sind der beste CO2-Speicher", erklärt Förster Norbert Krotz. Auch wenn die uns vertraute Waldidylle mit Fichte, Buche und Kiefern wohl in den Hintergrund rückt. Bis 2050 sei ein Mischwald angestrebt, ähnlich wie er heute in Mailand gedeiht. Mit Zedern oder Flaumeiche, um die Schutzfunktionen des Walds zu erhalten und zu verbessern.

Auch interessant
Seilbahn, Grün, 1000 Bäume: So sehen die Pläne für die Buga 2023 in Mannheim aus
Mannheims Wälder: Trockenheit und Pilz setzen Kiefern zu

Für das Projekt "Klimawald" hat sich die Stadt auch die Mannheimer Klimaschutz-Agentur mit ins Boot geholt. Die vor zwei Jahren ins Leben gerufene Initiative ist unter anderem an der Vorgarten-Aktion "Grün statt grau" sowie an einem Förderprogramm zur Begrünung von Dach- und Versiegelungsflächen beteiligt. Ab 2020 wird zudem die Zuständigkeit der Unteren Forstbehörde des Rhein-Neckar-Kreises in den Bereich der Stadt fallen. "Damit liegt die ganze Verantwortung für den Wald bei uns", erläutert Felicitas Kubala.

Innerhalb der nächsten fünf Jahre wollen die Förster nun mithilfe ihres lebendigen Versuchslabors wichtige Erfahrungen sammeln. Um nicht wild zu pflanzen, sondern genau zu prüfen, welche Arten mit dem heimischen Boden und Bedingungen zurechtkommen, in welche Richtung letztlich der Klimawald der Zukunft seine Wurzeln schlägt. Doch das Projekt ist auch ein Wachstumstest, bei dem die Uhr tickt. Ein Experiment, das gelingen muss, wie eine Operation an einem offenen Herzen.

Die Förster sind jedoch guter Dinge. 85 Prozent der "Zukunftsbäume" seien schon angewachsen. Und wenn die Bäume trotz aller hitziger Debatten eines brauchen, dann nicht nur Regen, sondern Zeit. "Der Waldumbau ist unvermeidlich, aber er ist eine Aufgabe für mehrere Generationen", macht Forstamtsleiter Eick deutlich.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.