Kaufkraftanalyse

Mannheim bleibt Zugpferd, Heidelberger kaufen woanders

Kunden in der Region kaufen wieder mehr in den Geschäften. Das Geld bleibt oft nicht im Ort. Sorgen gibt es in Mannheim.

21.07.2023 UPDATE: 21.07.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 10 Sekunden

Die Hauptstraße in der Heidelberger Altstadt. Archiv-Foto: Rothe

Von Carsten Blaue

Mannheim. Nach den Einschränkungen in den Jahren der Corona-Pandemie erholt sich der Einzelhandel in der Region weiter. Für das Jahr 2023 prognostiziert die Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar (IHK) in ihrer aktuellen Kaufkraftanalyse steigende Umsätze für die Geschäfte im Kammerbezirk – bei zuletzt sinkenden Anteilen im Online-Handel. Und doch wird das Geld nicht immer im eigenen Ort ausgegeben.

Die Kaufkraftbindungsquote zeigt an, ob das Geld im Ort bleibt. Liegt sie über 100 Prozent, kommen sogar noch Umsätze von Kunden von auswärts hinzu. Liegt sie unter 100 Prozent, kann die eigene Kaufkraft nicht in der Kommune gehalten werden. Grafik: RNZ-Grafik

> Nicht alle profitieren. Der Einzelhandel vor Ort sei vital und zukunftsfähig. Und er wachse wieder. Die Kunden kauften zwar wieder mehr. Unsicherheiten und Inflation dämpften die Kauflust aber, so IHK-Präsident Manfred Schnabel am Donnerstag bei der Vorstellung der Studie. Auch würden nicht alle Orte in gleichem Maße von der Trendumkehr profitieren. Es komme auf den Standort und die Rahmenbedingungen an. Schnabel ermahnte Verwaltungen und Kommunalpolitik, die Einzelhandelsstandorte zu pflegen.

> Die Kaufkraft steigt, der Umsatz auch. Das verfügbare Einkommen der Bevölkerung wird auch 2023 in der Region wachsen – um 4,5 Prozent auf 32,2 Milliarden Euro in Vorjahresvergleich, sogar um 14,8 Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019. Der einzelhandelsrelevante Einkommensanteil wird 2023 jedoch nur um 3,4 Prozent auf 8,9 Milliarden Euro steigen. Im Vergleich zu 2019 liegt das Wachstum bei sechs Prozent. Die Prognose sieht für die Umsätze ein Plus von 5,5 Prozent gegenüber 2022. Sie erreichen damit fast wieder das Niveau von 2019.

> Mannheim bleibt das Zugpferd. Für den Einzelhandel in ihrem Bezirk rechnet die IHK dieses Jahr mit einem Gesamtumsatz in Höhe von 7,7 Milliarden. Euro. Etwa eine Milliarde Euro werden im Online-Handel oder außerhalb der Region ausgegeben. Allein in Mannheimer Geschäften wird jeder dritte Euro ausgegeben. Die Stadt kommt damit auf einen regionalen Umsatzanteil von 35,2 Prozent. Gut 40 Prozent fließen in Geschäfte im Rhein-Neckar-Kreis. Heidelberg steuert 15,2 Prozent zum Gesamtumsatz bei, der Neckar-Odenwald-Kreis 9,2 Prozent. Mannheim und Heidelberg erwirtschaften somit über die Hälfte der Umsätze im Einzelhandel.

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> Aber auch Sorgen in den Quadraten. Alarmierend: Die Umsätze in der City erholen sich zwar im Vergleich zu 2022 um 60 Millionen auf 761 Millionen Euro. Mit einem Minus von 21,4 Prozent sind sie allerdings deutlich vom Niveau aus dem Jahr 2019 entfernt. Die IHK spricht hier von einem "Einbruch". Mannheim fällt somit im bundesweiten Ranking der Top 14-Einzelhandelsstandorte um drei Plätze zurück und ist 2023 das Schlusslicht.

Für IHK-Präsident Schnabel ein "Erdbeben". Grund dafür sei auch die schlechte Erreichbarkeit der Quadrate durch Baustellen, zuletzt die Sperrung des Fahrlachtunnels oder die angespannte Situation bei den Rheinquerungen – viele Kunden aus der Pfalz kommen nicht mehr. Und dann ist da ja auch noch der umstrittene Versuch zur Verkehrsberuhigung der City.

> Erfreuliches aus Heidelberg. Über Heidelberg sagte Manfred Schnabel: "Die Stadt definiert sich nicht über das Einkaufen." Doch erstmals seit Beginn der Analyse kann Heidelberg ein einprozentiges Plus bei der Kaufkraftbindungsquote verzeichnen. Diese zeigt an, ob die Kaufkraft in der Stadt bleibt, das Geld also wirklich vor Ort ausgegeben wird. Liegt der Wert über 100 Prozent, dann kommen sogar noch Umsätze von Kunden aus der Umgebung hinzu. Liegt er unter 100 Prozent, kann die Kaufkraft nicht am Ort gehalten werden, sprich: Die Bürger kaufen woanders ein.

In Heidelberg wird die Kaufkraftbindungsquote dieses Jahr bei 97 Prozent liegen (zum Vergleich: Mannheim kommt auf 117 Prozent). Heidelberg kann die Kaufkraft seiner Einwohner also nicht gänzlich halten. Dabei ist die Ausgangslage gut. Mit 1,2 Milliarden Euro einzelhandelsrelevanter Kaufkraft rangiert Heidelberg auf Platz elf der 40 Städte mit 100.000 bis 200.000 Einwohnern.

> Schwetzingen bei Kaufkraftbindung top, Mosbach etabliert. Schwetzingen (165 Prozent) und Walldorf (155 Prozent) führen die Statistik der Kaufkraftbindungsquote im Kammerbezirk an. Mosbach folgt mit 141 Prozent (plus zwei) und hat sich laut Schnabel positiv zu einem Oberzentrum für den Neckar-Odenwald-Kreis entwickelt. Hier rangiert Buchen auf Platz sechs mit 108 Prozent (plus drei) gleich hinter Mannheim.

Die Top fünf macht Hockenheim mit 128 Prozent komplett. Die Rennstadt sowie Schwetzingen und Walldorf würden laut Schnabel von Fachmärkten profitieren. Doch seien gerade in Schwetzingen und Walldorf auch die Innenstädte attraktiv, hinter denen eine engagierte Verwaltung und Politik stünden, um die Situation zu verbessern.

> Schriesheim mit der höchsten Kaufkraft. Die höchste Kaufkraft pro Kopf aller 83 Kommunen im Kammerbezirk weist für 2023 Schriesheim an der Bergstraße mit genau 34.512 Euro auf. Einzelhandelsrelevant sind davon knapp 8720 Euro. Doch die Kaufkraftbindungsquote in der Weinstadt ist mit 48 Prozent nicht gut – ein Problem kleiner Städte. Mit 29 Prozent ist sie im Nachbarort Hirschberg noch schlechter, obwohl die allgemeine Kaufkraft pro Kopf auch hier die 34.000 Euro-Marke knackt (relevant für den Einzelhandel sind knapp 8650 Euro).

Zum Vergleich: Heidelbergs allgemeine Pro-Kopf-Kaufkraft liegt bei 26.700 Euro (einzelhandelsrelevant: gut 7430 Euro). Im Neckar-Odenwald-Kreis ist Binau mit 28.769 die Kommune mit der höchsten allgemeinen Kaufkraft pro Einwohner. Buchen kommt auf 26.356 Euro, Mosbach auf 26.177 Euro.

> Fazit. Die Rhein-Neckar-Region ist reich und überdurchschnittlich attraktiv – auch für den Einzelhandel. Dieser zeigt sich robust, allerdings kann die Kaufkraft nur unterdurchschnittlich gut in den Orten gehalten werden. Umso wichtiger seien laut Schnabel die Rahmenbedingungen. Kunden suchten das Einkaufserlebnis. Und ganz wichtig: Die Innenstädte müssten gut erreichbar bleiben – für Anlieferer und vor allem für Kunden. Diese würden immer noch am liebsten mit dem Auto kommen, vor allem aus dem Umland. Aber auch der Nahverkehr werde gerade in den Städten gerne genutzt. Daher, so Schnabel, müsse auch der ÖPNV gezielt ausgebaut werden.

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