Kommunalpolitik im Krisenmodus
Gemeinderat tagte trotz Corona-Pandemie - Kämmerer Rolf Fitting brachte Haushaltsplan für 2020 ein

Von Harald Berlinghof
Hockenheim. Die jüngste Hockenheimer Gemeinderatssitzung kratzte bedenklich am bisherigen Kurzzeitrekord. Den hatte der damalige Oberbürgermeister Dieter Gummer im Januar 2005 aufgestellt. Zwölf Minuten hatte damals die Sitzung gedauert. Vorher hatte bereits Gummers Vorgänger, Gustav Schrank, die Latte mit 16 Minuten schon recht hoch gelegt. Nun gelang es dem amtierenden Oberbürgermeister der Rennstadt, Marcus Zeitler, eine 19-minütige öffentliche Sitzung hinzulegen. Der Grund dafür: Das Coronavirus und die Maßnahmen, mit denen seine Ausbreitung verhindert werden soll. Die Sitzung wies deshalb noch einige weitere Besonderheiten auf.
Bei der Sitzordnung der Gemeinderäte, Pressevertreter und Besucher hatte man streng auf das Abstandsgebot geachtet. Allerdings hatten sich nur zwei Besucher dazu entschlossen, der Sitzung beizuwohnen – deshalb gab es in dieser Hinsicht auch keine Probleme. Die Verwaltung hatte angekündigt, die Zahl der Besucher bei großem Andrang begrenzen zu müssen. Doch soweit kam es nicht.
Ausfallen lassen wollte Zeitler die Sitzung nicht. Denn auf der Tagesordnung stand die Einbringung des städtischen Haushalts 2020 und die Haushaltsplanung bis 2023. "Danke, dass Sie uns mit ihrer Anwesenheit helfen. Wir als Stadtverwaltung müssen handlungsfähig bleiben. Wenn wir nicht funktionieren, funktioniert auch die Stadt nicht. Der Haushaltsplan für 2020 muss deshalb eingebracht werden", begann der Oberbürgermeister die Sitzung, für die fünf Räte entschuldigt waren: Markus Fuchs (CDU), Helmut Kief (FDP), Gaby Horn (FWV), Richard Zwick und Ingrid Trümbach-Zofka (beide SPD). Dann ging alles sehr schnell.
Keine Anfragen von den Besuchern, keine Bekanntgabe von Beschlüssen aus nicht öffentlicher Sitzung, keine Aussprache. Die Vergabe der Lieferung und Montage für Teile des Klärwerks zur Phosphat-Eliminierung mit einer Gesamtsumme von rund 274.000 Euro dauerte ganze drei Minuten. Keine Anmerkungen und Fragen der Stadträte. Das Wichtigste war allerdings, den städtischen Haushalt einzubringen. Das geschieht traditionell ohne Aussprache. Erst der Beschluss in vier Wochen wird – insofern es Corona zulässt – im Gremium diskutiert.
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Kämmerer Rolf Fitterling hatte allerdings keine guten Nachrichten mitgebracht. "Der Haushaltsplan ist in der neuen doppischen Haushaltsplanung voluminöser und dicker geworden", sagte Fitterling und hielt das in jeder Hinsicht gewichtige Zahlenwerk in die Höhe. Mehr Geld für die Stadt steckt allerdings nicht drin. Darauf hatte der Kämmerer im Vorfeld immer wieder hingewiesen. Ganz im Gegenteil: In den Zahlenkolonnen des Plans bis 2023 dominiert die Farbe Rot. "Das ist natürlich nicht gut", so Fitterling.
Man werde die geplanten Tilgungen nicht in jedem Jahr zwischen 2020 und 2023 erwirtschaften können. Auch bis 2026 sei man davon ein ganzes Stück entfernt. Die Nachhaltigkeitssatzung der Stadt besagt, dass nur so viel neue Schulden aufgenommen werden dürfen, wie Schuldentilgungen erfolgen. Damit will man einen Anstieg der städtischen Schulden verhindern. Da die Liquidität der Stadt aber von 34,1 Millionen Euro in 2020 auf 1,2 Millionen Euro in 2023 absinkt und damit hart an die Grenze der Mindestliquidität rückt, wird es in Hockenheim nicht ohne neue Schulden gehen. "Das bedeutet, dass die Nachhaltigkeitssatzung ausgesetzt werden muss", sagte der Finanzexperte. Die Verschuldung werde dann von gegenwärtig 20 Millionen auf 45,5 Millionen Euro im Jahr 2023 ansteigen. Das liege daran, dass man bei den notwendigen Investitionen, die vorgesehen waren – vor allem in Schulen und Kitas – keine Abstriche machen will.
Der Oberbürgermeister wies schließlich darauf hin, dass viele der durch die Corona-Krise bedingten Entwicklungen in dem nun vorgelegten Zahlenwerk noch gar nicht enthalten seien. "Ich fürchte, dass die Zahlen, die wir in vier Wochen vorlegen, noch einmal spürbar schlechter ausfallen", räumte der Rathauschef ein. Er betonte jedoch, die Stadtverwaltung, die Stadtwerke und alle städtischen Einrichtungen blieben handlungsfähig. "Wir reagieren von Tag zu Tag auf die Herausforderungen", so Zeitler.



