GRN-Kliniken

"Der Betrieb der Kliniken ist nicht in Gefahr"

RNZ-Gespräch mit Rüdiger Burger, Geschäftsführer der Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH, über die Auswirkungen der Energiekrise auf die Krankenhäuser.

28.09.2022 UPDATE: 28.09.2022 06:00 Uhr 7 Minuten, 20 Sekunden
Die Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH betreibt im Rhein-Neckar-Kreis vier Kliniken. Hier im Bild der Standort Eberbach. Foto: GRN

Von Stefan Hagen

Rhein-Neckar. Krisen, wohin man blickt: Davon bleiben auch die Krankenhäuser und Kliniken im Land nicht verschont. Zahlreichen Häusern droht eine finanzielle Schieflage – auch oder gerade wegen der steigenden Energiekosten. Im Rhein-Neckar-Kreis betreibt die Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH (GRN) vier Kliniken mit Standorten in Eberbach, Schwetzingen, Sinsheim und Weinheim. Die RNZ hat mit Geschäftsführer Rüdiger Burger über die Energie-Lage an den GRN-Kliniken gesprochen.

Herr Burger, damit man mal eine Vorstellung bekommt: Nennen Sie doch bitte die größten "Energiefresser" im Alltag eines Klinikbetriebs.

Die GRN-Klinik Schwetzingen. Foto: GRN

Den meisten Strom in unseren Kliniken verbrauchen wir unter anderem für die aus Hygienegründen notwendigen Kälte- und Lüftungsanlagen, insbesondere für die Einhaltung der maximal zulässigen Temperaturen in den OP-Bereichen. Die gesamten technischen Anlagen der Kliniken bis hin zu den Aufzügen laufen ununterbrochen, also über 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche. Aber auch die Medizingeräte sind in ständiger Nutzung. Gerade die medizinischen Großgeräte wie Röntgenanlagen oder Herzkatheter haben einen enormen Strombedarf.

Welche Bemühungen zur Einsparung von Energie wurden in Ihren Kliniken bereits angestoßen oder werden in absehbarer Zeit angestoßen?

Auch interessant
Energiekrise: "Das kann kein Krankenhaus kompensieren"
GRN-Krankenhaus Sinsheim: Teilweise sind Betten leer, weil Pfleger fehlen
GRN-Klinik Eberbach: Intensivpflege bewegt sich zwischen Leben und Tod
GRN-Klinik Schwetzingen: Abschiebung von Pflegeassistent Andi Agdebite abgewendet

Großes Einsparpotenzial haben wir in unseren Kliniken leider nicht. Um die medizinische Versorgung der Bevölkerung zu sichern, können wir medizinische Geräte nicht einfach abschalten. Auch Wärme kann nur bedingt eingespart werden. Kliniken und Heime sind ausdrücklich von der Reduzierung der Zimmertemperaturen ausgenommen. Dennoch bemühen wir uns, wo immer möglich, Energie einzusparen.

Wie gehen Sie dabei vor?

Wir haben standortübergreifende Arbeitsgruppen eingesetzt, in denen insbesondere die Technischen Leiter der Einrichtungen vertreten sind. Mit Rundschreiben werden die Mitarbeitenden auf die Möglichkeiten und Notwendigkeiten zum Energiesparen hingewiesen. Der Energieverbrauch wird aber seit Jahren überwacht und einrichtungsbezogen, aber auch im Klinikvergleich, analysiert. Bisher wurde die Kühlung in verschiedenen Bereichen gedrosselt und die technischen Anlagen stärker überwacht. Die Parkplatz- und Außenbeleuchtung wird in der Nacht unter Beachtung der notwendigen Sicherheit auf bis zu 50 Prozent reduziert. Auch die IT-Abteilung hat vielfältige Maßnahmen zur Energieeinsparung umgesetzt. Wir wissen jedoch, dass wir mit diesen Maßnahmen die durch die Preissteigerung verursachten Mehrkosten bei weitem nicht ausgleichen können.

Sind deshalb sogar Einschränkungen im Angebot oder im Service der einzelnen Häuser geplant?

Nein, Einschränkungen in unserem Betrieb sind nicht vorgesehen, um die medizinische Versorgung der Menschen im Rhein-Neckar-Kreis und dem weiteren Einzugsgebiet weiterhin gewährleisten zu können.

Der GRN-Standort in Weinheim. Foto: GRN

Können Sie bitte einmal den jährlichen Energieverbrauch der einzelnen Kliniken vor und jetzt während der Krise nennen.

Der Strom- und Wärmebedarf unserer Standorte, insbesondere der Kliniken, ist untereinander nicht vergleichbar, zumal unterschiedliche Einrichtungen wie die Betreuungszentren in Sinsheim und Weinheim sowie das Seniorenzentrum in Schwetzingen angeschlossen sind. Geriatrische Reha-Kliniken und Einrichtungen der Kooperationspartner, beispielsweise des Psychiatrischen Zentrums Wiesloch mit den psychosomatischen Stationen und Tageskliniken in Schwetzingen und Weinheim, sowie der Betrieb von Medizinischen Versorgungszentren und Arztpraxen erhöhen den Verbrauch in unterschiedlichem Ausmaß. Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass einzelne Kliniken über ein Blockheizkraftwerk verfügen und der damit erzeugte Strom den Fremdbezug reduziert. Teilweise werden die Kliniken und Heime hauptsächlich über Fernwärme versorgt, dann ist die Kostensteigerung nicht so extrem. Die Einrichtungen in Weinheim beziehen nur Gas, das die größten Kostensteigerungen im Bereich der Energie zu verzeichnen hat.

Wie sehen die konkreten Zahlen in Bezug auf Strom, Gas und Fernwärme aus?

Der Stromverbrauch aller GRN-Einrichtungen für 2022 liegt voraussichtlich bei rund 11.300 Megawattstunden und verursacht nach der aktuellen Hochrechnung Kosten von circa 4,9 Millionen Euro. Gegenüber den Vorjahren rechnen wir mit einer Verdopplung der Kosten, die bisher bei 2,3 Millionen Euro lagen. Auch bei Erdgas erwarten wir deutliche Mehrkosten: An den Standorten in Weinheim und Schwetzingen wird bei einem Bezug von 14.300 Megawattstunden von Gesamtkosten von rund 1,6 Millionen Euro ausgegangen, was ein Plus von mehr als einer Million Euro gegenüber den Vorjahren bedeutet. Zudem beziehen wir circa 12.500 Megawattstunden Fernwärme, mehr als die Hälfte davon in Sinsheim. Bei einem Jahresaufwand von rund 1,2 Millionen Euro sind bisher keine nennenswerten Preissteigerungen eingetreten.

Ist eine verstärkte Zusammenarbeit mit der kreiseigenen AVR – etwa in Hinblick auf Photovoltaikanlagen – geplant?

Mit der AVR Energie GmbH haben wir bereits im Februar 2021 einen Rahmenvertrag über die Erbringung von Planungs- und Beratungsleistungen im Bereich der Energieerzeugung, -verteilung und -effizienz abgeschlossen. Hierzu gehören auch eine fortlaufende Energiedatenauswertung und das Energieaudit. Wesentlicher Punkt war jedoch der geplante energieeffiziente Betrieb der GRN-Gebäude. In Planung sind eine Vielzahl von Maßnahmen wie der Austausch von Brennern, der Ausbau des Fernwärmebezugs und die Installation von Photovoltaikanlagen sowie der Einbau von LED-Leuchten. Gerade bei den PV-Anlagen gibt es bereits konkrete Planungen in Weinheim und Schwetzingen.

Die Sinsheimer GRN-Klinik. Foto: GRN

Falls sich die Energiekrise weiter verschlimmern und die Preise weiter nach oben gehen sollten: Ist der Betrieb einzelner Häuser in Gefahr?

Davon gehen wir nicht aus. Kritische Infrastrukturbereiche müssen bevorzugt mit Energie versorgt werden. Sollte es einen Stromausfall geben, können die Kliniken eine gewisse Zeit mithilfe eines Notstromaggregats den Betrieb aufrechterhalten. Bei einem Ausfall von Erdgas oder Fernwärme gibt es alternative Versorgungen beispielsweise über eine Ersatzversorgung mit Heizöl. Der Betrieb der Kliniken ist nicht in Gefahr. Die Mehrkosten in dieser Größenordnung können von den Einrichtungen aber definitiv nicht aufgefangen werden. Es ist mit einem um rund drei Millionen Euro höheren Defizit zu rechnen.

Hoffen Sie noch auf Unterstützung durch die Politik?

Wir gehen fest davon aus, dass die Politik die katastrophale Situation der Kliniken noch wahrnehmen und Ausgleichszahlungen beschließen wird. Bisher hat der Gesetzgeber aber nur Hilfen für die Branchen im Fokus, die ihre Preise selbst bestimmen können. Die Regierung hat bisher offensichtlich übersehen, dass die Kliniken und Heime die Preise für die von ihnen erbrachten Leistungen nicht selbst verändern können. Die Fallpauschalen, die den Haupterlös der Kliniken ausmachen, sind vorgegeben. Es bedarf hier dringend einer schnellen Unterstützung. Entweder müssen die Preise für die Leistungserbringer gedeckelt und/oder eine Strom- und Gaszulage für die Kliniken eingeführt werden.


In den vier GRN-Kliniken werden im Jahr zahlreiche energieintensive Operationen durchgeführt. Hier Dr. Matthias Hassenpflug (2. v. l.) und sein Team der GRN-Klinik Sinsheim während eines Eingriffs. Foto: GRN

Kreistags-Fraktionen nehmen zu den Energiemehrkosten des GRN-Verbundes Stellung

Von Stefan Hagen

Rhein-Neckar. Aufgrund der Energiekrise rechnet die Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH (GRN), die im Rhein-Neckar-Kreis unter anderem vier Kliniken betreibt, für das laufende Jahr mit einem höheren Defizit von rund drei Millionen Euro. Co-Geschäftsführerin Katharina Elbs hatte in einer Mitteilung des Klinikverbundes bereits angedeutet, dass dieser Summe keinerlei Refinanzierung gegenüber stehe, "sodass wir hier auf die finanzielle Unterstützung unseres Trägers, dem Rhein-Neckar-Kreis, angewiesen sein werden". Diese zusätzlichen Mittel müsste allerdings der Kreistag absegnen. Wie sieht es mit der Unterstützung der GRN-Kliniken aus? Die RNZ hat bei den im Kreistag vertretenen Parteien nachgefragt.

> Frank Werner (CDU): "Wir werden hier wie immer verlässlich hinter unseren Kliniken und Heimen stehen", betont der Christdemokrat. Ob nun eine Unterstützung im laufenden Haushalt erfolge oder später im Zuge der Defizitabdeckung die Fehlbeträge ausgeglichen würden, sei zweitrangig. "Viel wichtiger ist jedoch an dieser Stelle, die wirklich grundsätzliche Frage nach der Funktionsfähigkeit der Krankenhausfinanzierung zu stellen", legt Werner nach. Diese sei seit Jahren nicht auskömmlich, was die Energiekrise im Moment nochmals bitterlich aufzeige. Hier müssten endlich Änderungen im System erfolgen. "So bleibt die Erhöhung des baden-württembergischen Landesbasisfallwertes, der letztlich so etwas wie der landesweit gültige Preis für Krankenhausleistungen ist, mit 2,32 Prozent deutlich hinter der Inflationsrate zurück, die im August in unserem Bundesland bei 7,3 Prozent lag", geht Werner ins Detail. Damit würden die Kosten mehr als dreimal so schnell steigen wie die Erlöse. "So darf das nicht weiter gehen. Insofern fordern wir von der Bundesregierung einen echten Inflationsausgleich bei der Krankenhausfinanzierung – rückwirkend für das ganze Jahr 2022. 

> Ralf Frühwirt (Grüne): Der Rhein-Neckar-Kreis habe sich stets zum Erhalt der Gesundheitsversorgung im Kreis bekannt, betont Frühwirt. "Wir Grünen befürworten es, dass er das auch in dieser schweren Zeit tut. Das gilt für alle Einrichtungen." Bereits im März hätten die Grünen-Vertreter im GRN-Aufsichtsrat mit Rüdiger Burger das Thema "nachhaltiger Fußabdruck in den GRN-Gesundheitszentren" besprochen. "Wir sind der Meinung, dass sowohl bei den anstehenden Neubauten, wie auch im Altbestand noch Potenzial ist, den aktuellen und künftigen GRN-Energieverbrauch abzusenken. "Wir sehen die Energiekrise ein Stück weit auch als Bestätigung für die Linie, die wir seit langem fordern. Nämlich gerade auch im Bereich des ,RNK-Konzerns’ endlich ernst zu machen mit den Themen Effizienz, Energieeinsparung und dem Ausbau der Erneuerbaren Energien."

> Hans Zellner (Freie Wähler): "Wir sind uns über die Verantwortung der Kreiseinrichtungen bewusst und werden auch im Rahmen dessen unser Möglichstes tun, um die GRN-Kliniken mit den notwendigen Mitteln zu versehen", stellt Zellner klar. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisteten eine wertvolle Arbeit, die Kliniken hätten im Bezug auf die medizinischen Leistungen einen guten Ruf. Dies würden auch die Belegzahlen dokumentieren. Dann wird der frühere Bürgermeister von Wilhelmsfeld deutlich: "Neben der bewusst vom Kreistag akzeptierten strukturellen Problematik der vier Klinikstandorte und der dadurch entstehenden höheren Kosten, ist es ein Ärgernis, dass regelmäßig die Unterdeckung mit Millionenbeträgen vom Kreis über die Kreisumlage und damit von den Bürgern abzudecken sind. Dafür können die GRN-Kliniken aber nichts. Dies resultiert im Wesentlichen aus den schlechten Rahmenbedingungen, die von den Krankenkassen und der Politik vorgegeben werden."

> Ralf Göck (SPD): "Wir müssen als Träger der Kliniken in den sauren Apfel beißen und die Mehrkosten zusammen mit den uns finanzierenden Gemeinden des Rhein-Neckar-Kreises stemmen", sagt der Sozialdemokrat. Die aktuelle Entwicklung führe die Notwendigkeit des sorgsamen Umgangs mit Energie vor Augen und erfordere noch mehr als bisher, alle Möglichkeiten des kurz- und mittelfristigen Energiesparens zu nutzen. "Wir sehen uns durch die Kostenentwicklung auf traurige Weise bestätigt in unserer mehrfach erhobenen Forderung, jede denkbare bauliche Möglichkeit zum Einsparen von Energie auch auszuschöpfen." Wie für alle Liegenschaften des Kreises gelte auch für die GRN-Gebäude das Ziel, bis spätestens 2040 klimaneutral zu werden. Man müsse also bei Neubauten und Sanierungen noch viel stärker als bisher auf die Einhaltung hoher baulicher Energiestandards achten.

> Dietrich Herold (FDP): "Die Prognose zu den Energie-Mehrkosten, die auch die Gesundheitszentren unseres Landkreises betreffen, kommt leider erwartungsgemäß. Die Energiekostensteigerungen treffen in gleicher Weise auch andere Kreiseinrichtungen und jeden von uns", sagt Herold. Für die FDP-Kreistagsfraktion sei es selbstverständlich, dass der Kreis insgesamt und generell seinen Einrichtungen – seien sie unmittelbare oder Beteiligungsbetriebe – hilft, wenn und soweit dies nötig und möglich ist", stellt er unmissverständlich klar. Dies gelte natürlich auch für die Krankenhäuser. Art und Umfang der Hilfen werde man zu gegebener Zeit in den zuständigen GRN- und Kreistagsgremien besprechen und entscheiden. Jetzt gelte es außerdem, zusätzlich zu den geplanten und bereits umgesetzten Energieeffizienz- und -einsparmaßnahmen, überall Einsparpotenzial im Energieverbrauch dort zu generieren, wo dies zumutbar sei, um die Kostenentwicklung abzufedern. "Das Patientenwohl und die Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden haben aber für uns Vorrang vor Kostenoptimierung."

> Edgar Wunder (Die Linke): Deutliche Mehrausgaben seien bei allen Kreiseinrichtungen zu erwarten, nicht nur bei den GRN-Kliniken. Insofern brauche man ein Gesamtkonzept, nicht nur für die Krankenhäuser. "Selbstverständlich kann dies nur so aussehen, dass der Rhein-Neckar-Kreis die gestiegenen Energiekosten für alle Kreiseinrichtungen deckt, auch für die Kliniken", betont Wunder. "Wie dies zu finanzieren sein wird – es ist sicher möglich –, wird Gegenstand der Haushaltsberatungen im November sein." Die finanzielle Ausgangslage des Kreises sei gut, so dass er diesbezüglich keine Sorge habe. 

> Malte Kaufmann (AfD): Man spreche sich dafür aus, dass der Landkreis die Energie-Mehrkosten übernimmt, sagt Kaufmann. "Wir können unsere Kreiskrankenhäuser in dieser Krise nicht im Stich lassen. Die Versorgung des ländlichen Raums, die Arbeitsbedingungen der Krankenhausmitarbeiter und das Patientenwohl müssen weiter gewährleistet sein." Leider müsse man energiepreissteigernde bundespolitische Versäumnisse – etwa die Weigerung, bestehende Kernkraftwerke weiterzulaufen zu lassen – auf kommunaler Ebene ausbaden.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.