Gibt es bald keine Hausärzte mehr?
Mediziner werden immer älter – Der Weiterbildungsverband will sich gegen den Mangel stemmen

Sie wollen etwas gegen den Hausärztemangel tun: Martin Honsowitz, Durda Kratochwil, Thomas Simon, Friedrich-Karl Schmidt, Christoph Eisenbach und Manfred Scheuer (v. l.). Foto: Dorn
Weinheim/Rhein-Neckar. (keke) Zwei, die "gut miteinander können": Das sind der "Ärzteverein regiomed" mit rund 140 niedergelassenen Ärzten aller Fachrichtungen und die Mediziner der GRN-Klinik Weinheim mit 220 Planbetten. Gemeinsames Ziel beider Einrichtungen ist es, angehende Fachärzte für Allgemeinmedizin bei ihrer Weiterbildung zur Seite zu stehen. Vor gut drei Monaten haben der Ärzteverein und die Klinik als Akademisches Lehrkrankenhaus der Uni Heidelberg einen Verbund für angehende Hausärzte ins Leben gerufen.
Jetzt stellten regiomed-Geschäftsführer Friedrich-Karl Schmidt (Weinheim), der Facharzt für Allgemeinmedizin Manfred Scheuer (Laudenbach), die angehende Fachärztin für Allgemeinmedizin, Durda Kratochwil, gemeinsam mit dem Chefarzt für Innere Medizin (Gastroenterologie und Diabetologie), Christoph Eisenbach, sowie Thomas Simon, Chefarzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie an der GRN-Klinik, das gemeinsame Projekt vor.
Denn der Hausärztemangel macht auch vor der Region nicht halt, wie Schmidt anhand alarmierender Zahlen verdeutlichte: "Von 47 Hausärzten in Weinheim und Umgebung sind mehr als die Hälfte älter als 56 Jahre." Noch gravierender: 15 sind über 61 Jahre, davon sechs bereits über 66 Jahre alt. Nachfolger seien deshalb dringend gesucht.
Um dem Notstand zu begegnen, wurde der "Weinheimer Weiterbildungsverbund Allgemeinmedizin" gegründet. Junge Ärzte, die sich später als Hausärzte niederlassen möchten, finden hier fachmännische Unterstützung bei der Suche und Kombination geeigneter Weiterbildungsstellen in den Praxen der Region sowie in der Klinik. "Bisher mussten sie sich selbst um die Stellen kümmern und sich mehrfach bewerben", so Schmidt: "Wartezeiten und Umzüge in Kauf nehmen, wenn in einer Region keine geeigneten Stellen zu finden waren. Diese Unsicherheiten schreckten viele junge Mediziner ab." Der Verbund soll nun den medizinischen Nachwuchs "mit der Region vertraut und diese attraktiv" machen.
"Außerdem kümmern wir uns um eine nahtlose Rotation zwischen den jeweiligen Weiterbildungsstellen", sagt Schmidt. Die jungen Kollegen müssten nur mitteilen, welche Fachbereiche sie interessieren. Das Angebot erscheint verlockend. Zur Auswahl stehen 13 Hausarztpraxen zwischen Laudenbach und Hirschberg sowie neun Praxen mit 14 Fachärzten verschiedener Fachrichtungen, die sich dem Verbund angeschlossen haben. Mit dabei sind die hessischen Nachbargemeinden Birkenau und Gorxheimertal sowie eine orthopädische Praxis in Schriesheim. Daneben ist für angehende Ärzte eine mehrmonatige Tätigkeit in einem Krankenhaus Pflicht. "Damit sind wir auf Anhieb der größte Weiterbildungsverbund in Baden-Württemberg", erläutert Schmidt.
"Wir brauchen eine Ärzteschaft, die gut miteinander vernetzt ist", machte Christoph Eisenbach deutlich. Die persönliche Bindung zwischen Praxisinhabern und der Klinik sei deshalb wichtig, "weil dann die Wege kurz werden und die gegenseitige Akzeptanz steigt".
In der GRN-Klinik Weinheim verfüge man zwar über keine allgemeinmedizinische Abteilung, so Eisenbach und Thomas Simon unisono. Dennoch sei es ihnen wichtig, dass die jungen Kollegen die interdisziplinäre Zusammenarbeit der beiden großen Fächer Innere Medizin und Chirurgie mit ihren jeweiligen Inhalten kennenlernen. Dies komme letztlich dem Wohl der gemeinsamen Patienten zugute. Sind doch Hausärzte - neben Frauen- und Kinderärzten - in der Regel die ersten Ansprechpartner für Patienten. Eisenbach: "Häufig sind sie es, die Facharztbesuche und Klinikaufenthalte koordinieren und für die Weiterbehandlung zu Hause sorgen." Damit falle der hausärztlichen Tätigkeit für alle Beteiligten eine Schlüsselrolle zu.
Derzeit absolvieren sieben junge Ärzte ihre Weiterbildung in einer der dem Verbund angeschlossenen Praxen. Zwei Mediziner sammeln in der GRN-Klinik Praxis-Erfahrung. Dass die Allgemeinmedizin ein gravierendes Imageproblem aufweist, verhehlen Eisenbach, Simon und Scheuer nicht. Das Vorurteil, der Hausarzt werde mehr beansprucht, verdiene aber deutlich weniger, sei unter Nachwuchsmedizinern weit verbreitet.
Durch den Ärztlichen Bereitschaftsdienst, der die Nächte und Wochenenden abdeckt und damit die niedergelassenen Hausärzte entlastet, habe sich aber vieles verbessert. Darauf, dass der abwechslungsreiche Hausarztberuf einen hohen Befriedigungsgrad verschaffe, verwies Kratochwil. "Weil man eine große Bandbreite von Krankheiten vom Kleinkind bis zum alten Menschen alle Altersstufen behandelt."
Außerdem komme das große Vertrauensverhältnis hinzu, das im Laufe der Jahre aufgebaut wird und ein besseres Verständnis für eine ganzheitliche Behandlung der Patienten ermöglicht.
Info: Näheres zum Verbund unter Telefon 06201/89.2100 der GRN-Klinik; Email: allgemeinmedizin-weinheim@grn.de sowie bei regiomed, E-Mail: info@regiomed-weinheim.de.