Messerattacke liegt wie Schleier über Wahl in Mannheim
Grüne und CDU Kopf an Kopf, SPD liegt nach einer SWR-Prognose vom Sonntagabend bei der Gemeinderatswahl nur auf Platz drei.

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Das Land schaut auf die Stadt – auch am Sonntag. Die Messerattacke legt sich wie ein Schleier über den Wahlen. Die Terrortat steckt Bürgern, Partei- und Stadtvertretern immer noch in den Knochen, das ist bei der Präsentation der Ergebnisse am Sonntagabend zu spüren. Nach der ersten Prognose für die Europawahl muss Stefan Fulst-Blei erst einmal tief durchatmen.
Der Stadtrat, Landtagsabgeordnete und Kreisverbandsvorsitzenden der SPD ist enttäuscht über das bundesweite Ergebnis der Genossen – und erschrocken ob des starken Abschneidens der AfD. "Der Mord an dem Polizisten durch einen mutmaßlichen Islamisten hat die Stadt auf den Rüttler gestellt", sagt Fulst-Blei.
Ein Raunen geht durch den Sitzungssaal, als die ersten Balken des Mannheimer Europa-Resultats auf der Leinwand zu sehen sind. Die Wähler in einem Stimmbezirk der Neckarstadt-Ost – einem klassisch links-bürgerlichen Stadtteil – setzen die AfD auf Platz zwei.
Erschrocken über Ergebnis von Rechtsextremen
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Allmählich nähern sich die SPD und Grünen an, schieben sich nach 75 von 220 ausgezählten Wahlbezirken an der rechtsextremen Partei vorbei und liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Rund 48.000 Menschen haben bis Sonntagabend Briefwahl beantragt. Gute Laune herrscht nur bei der CDU. Sie liegt in der Gunst der Bürger im Bund und in Mannheim vorne. "Ich denke, dass die Mitte der Gesellschaft durch den Messerangriff mobilisiert worden ist – aber das gilt eben auch für die AfD", sagt CDU-Gemeinderatsfraktionschef Claudius Kranz.
Bei der Kommunalwahl 2019 hatten die Grünen zwölf der insgesamt 48 Sitze im Gemeinderat erobert, die SPD kam auf zehn, die CDU auf neun. Die Mannheimer Liste holte – ebenso wie die AfD – vier Sitze, Linke und FDP jeweils drei. Die übrigen gingen an kleinere Parteien. Durch Verschiebungen wie etwa Parteiwechsel hat sich die Sitzverteilung in den vergangenen fünf Jahren etwas verändert, sodass Grüne und SPD derzeit jeweils auf elf Sitze kommen, die CDU auf acht.
Falls es zu einer Machtverschiebung im Gemeinderat zugunsten des bürgerlichen Lagers kommt, formuliert Kranz bereits seine Position für eine "Brandmauer". Es werde keine Absprachen mit der AfD geben. Kein Problem sieht er darin, wenn sie einem CDU-Antrag folgt. "Sie hat auch schon mit den Grünen gestimmt", so Kranz.
Der Fraktionsvorsitzenden und "Spitzenkandidatin" der Ökopartei, Nina Wellenreuther, schwant vor der am Montag beginnenden Auszählung der Stimmen für die Kommunalwahl nichts Gutes. Ein ureigenes Thema der Grünen, der Klimaschutz, sei bei den Wahlen hinten runtergefallen. Und trotzdem wolle man daran festhalten und eine starke Stimme dafür sein. Tatsächlich beherrschten vor dem Anschlag der Klimaschutz, der Bau einer neuen Stadtbibliothek oder die Verkehrsberuhigung den politischen Diskurs.
"Der Messerangriff überschattet auf jeden Fall die Wahl", glaubt Wellenreuther. Anderseits hätten zuvor viele Menschen Briefwahl beantragt. Sorgen macht sich Wellenreuther um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Stadt. "Ich weiß nicht, wie man die verschiedenen Positionen wieder zusammenführen kann." Der Ratsaal wird immer voller, die Spannung steigt: Um 20.30 Uhr will der SWR das Ergebnis seiner Nachwahlbefragung für die Mannheimer Kommunalwahl vorstellen. Stattdessen debattieren zu dieser Zeit im Stuttgarter Studio Landespolitiker über die Europawahl. Die Prognose verschiebt sich um ein paar Minuten.
Dann ist sie da: Grüne und CDU liegen demnach mit 21 Prozent gleichauf. Für die Christdemokraten wäre das ein Plus von 1,9 Punkten, während die Grünen 3,4 Punkte verlieren. Auf Platz drei landet die SPD mit 19 Prozent – ein Minus von 2,2 Punkten. Die AfD kommt laut Prognose auf 14 Prozent und gewinnt damit 4,8 Prozentpunkte dazu – der größte Zuwachs bei dieser Kommunalwahl in Mannheim.
Die Mannheimer Liste erreicht 6,5 Prozent, die FDP 5,5 der abgegebenen Stimmen und die Linke kommt auf 5 Prozent. Damit scheint sicher, dass die bisherige grün-rot-rote Mehrheit nicht mehr besteht. Aber auch ein Bündnis aus CDU, Mannheimer Liste und FDP könnte keine "Koalition" bilden.