Dominik Eulberg sorgte für ein furioses Finale
Die Wunder der Flora und Fauna. Er verwandelte Naturgeräusche in elektronische Soundwelten.

Von Marco Partner
Mannheim. Der Schlussakkord gehört der jungen Generation: Mit Techno-Ikone Dominik Eulberg betritt am Sonntagabend der letzte Akt die Hauptbühne der Bundesgartenschau. Der 45-jährige langhaarige Electro-Pionier aber spielt keine 0815-Utz-Utz-Beats, sondern ist dafür bekannt, Naturgeräusche in elektronische Soundwelten zu verwandeln. Doch bevor die laute Musik ertönt, gibt der studierte Biologe aus dem Westerwald bei einer Biodiversitätsshow einen Einblick in die leisen und kleinen Wunder unserer Welt.
Sonst steht er am Mischpult und kreiert Klangkaskaden, nun wandelt Eulberg wie ein Lehrer mit einem Rohrstock über die Bühne, und hat sichtlich Spaß daran, die großen und kleinen Gäste zu ihrem Insektenwissen abzufragen. Antworten wie "Schmetterling" oder "Käfer" sind dem Soundingenieur, der während seines Ökologie-Studiums mit Schwerpunkt Naturschutz ein Jahr im Wald gewohnt haben soll, deutlich zu wenig. Und tatsächlich bekommt der uns umschwirrende Mikrokosmos eine andere Bedeutung, wenn man einen Tagfalter wie den Schwalbenschwanz von majestätischen Weißlingen wie der Goldenen Acht unterscheiden kann.
In seinem Album "Mannigfaltig" hat Eulberg den prachtvollen Schmetterlingen mit den wie eine Acht wirkenden Flecken einen eigenen Song gewidmet. Gemächlich breitet sich der Track auch bei seiner Live-Performance aus, während im Hintergrund exotisch wirkende Sequenzen aus der heimischen Flora und Fauna ablaufen. "Wir müssen nicht zum Amazonas reisen, es gibt auch vor unserer eigenen Haustüre wahre Wunder zu entdecken. Aber wie Johann Wolfgang von Goethe schon sagte: Wir sehen nur das, was wir wissen, was wir kennen. Daher müssen wir unseren Erfahrungshorizont weiten", sagt Eulberg, während zu einer sphärisch-heroischen Klangkulisse ein Rosenkäfer seine Flügel aufschlägt.
Die Wunder der Natur mit elektronischer Musik verbinden: Das ist von Anfang an die Leitlinie von Dominik Eulberg, der bereits 2004 vom bekannten Techno-Lifestyle-Magazin "Groove" zum Newcomer des Jahres ausgezeichnet wurde. Ein Beleg, wie lange er schon im DJ-Business unterwegs ist, und doch ist der Klangkünstler immer seinen eigenen Weg gegangen. Als Ornithologe nimmt er bei Spaziergängen durch den Wald nicht einfach nur Vogelgezwitscher wahr, er greift den Singsang in seinen Songs auf, übersetzt die Melodien des Zaunkönigs oder der Mönchsgrasmücke mithilfe von Synthesizern in harmonische Tracks.
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Doch die Musik allein genügt dem erfolgreichen Techno-DJ nicht. Während der Corona-Pandemie ging er unter die Autoren, sein 2021 erschienenes Buch "Mikroorgasmen überall" wurde zum Wissensbuch des Jahres ernannt. Es ist eine liebevolle Reise zu Ameisenlöwen, Sommergoldhähnchen, Täuschungsblumen oder Neunaugen, ein illustriertes Sachkundewerk, das weit über das Schuleinmaleins hinausgeht und auch Erwachsene wieder zum kindlichen Staunen einlädt. Denn darum geht es: "Wir schützen nur, was wir zu schätzen wissen, doch die Natur hat keine Lobby, der Patientin Erde geht es nicht gut", findet Eulberg, dessen Tracks meist humorvolle Titel wie "Der Hecht im Karpfenteich", "Die drei Millionen Musketiere" oder "Björn Borkenkäfer" haben, auch ernste Worte.
Die rote Liste der aussterbenden Arten ist auch in Deutschland lang, vor allem die Zahl der Insekten sinkt dramatisch. In den vergangenen 30 Jahren sei die Biomasse von fliegenden Insekten um 75 Prozent zurückgegangen. "Egal, ob hübsch oder hässlich, ob Schädling oder Nützling. Jedes Lebewesen hat seine Daseinsberechtigung, ob es uns gefällt oder nicht", lässt er einen tief in die bezaubernden Augen einer Regenbogenbremse oder in die Facettenaugen einer Stubenfliege blicken.
"Das sind wahre Kunstwerke", sagt Eulberg über die wiederkehrenden, fraktalen Muster. "Daran sollten wir denken, wenn wir das nächste Mal draufklatschen wollen. Ekel und Abstoßung sind Ausdruck einer verrückten Blickweise", betont er und erinnert an die "Vier-Plagen-Kampagne", die versuchte Ausrottung von Stechmücken, Fliegen, Ratten und Spatzen in China in den Fünfzigerjahren, die letztlich zu einer großen Hungersnot führten. Alles, was gegen die Natur geht, richtet sich letztlich gegen die Menschheit, die selbst als Eintagsfliege, als "Homo Suicidales" zu enden droht, lautet seine Botschaft.
Und doch endet der letzte Buga-Abend in keiner Dystopie. Nach den letzten Sonnenstrahlen wird zum Rave geladen, ein Symbol, dass der sich erst entwickelnde Grünzug Nord-Ost ein nachhaltiges Langzeitprojekt für die kommenden Jahrzehnte und Generationen ist. Die älteren Besucher – am Tag noch deutlich in der Überzahl – überlassen mehr und mehr der erst zu später Stunde auf das Gelände strömenden Jugend das Zepter, generationsübergreifend wird fast bis Mitternacht ein letztes Mal auf der großen Blumenschau gefeiert und getanzt, ehe sich Flora und Fauna, und auch die treusten Gäste nach dem großen Finale "Gute Nacht", oder auch "Leb wohl, du schöne Buga!" sagen.



