Bluttat in Kandel

Ein Ort unter Schock

"Mein Herz ist bei den Eltern": Tödliche Messerattacke auf 15-Jährige in Drogeriemarkt löst in Kandel Entsetzen aus

28.12.2017 UPDATE: 29.12.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 40 Sekunden

Kerzen, Blumen und eine Karte: Viele Menschen drückten gestern vor dem Tatort ihre Anteilnahme aus. Foto: Arnold

Von Volker Knopf, RNZ Karlsruhe und Jasper Rothfels

Kandel. Ein paar Blumen, ein paar Kerzen - viel mehr ist es noch nicht, was am Donnerstagmorgen vor dem Drogeriemarkt im südpfälzischen Kandel an das Verbrechen vom Vortag erinnert. Bände sprechen aber die Gesichter von Menschen, die nach eigenen Worten in der Nähe waren, als ein 15-Jähriger ein gleichaltriges Mädchen im Geschäft mit einem Messer tödlich verletzte. Dazu gehört die 31 Jahre alte Diana Jäger: "Ich habe Schreie gehört und den Streit", berichtet die mitgenommen wirkende Frau. Sie habe in der weitläufigen Filiale am Ortsrand gerade Fotos ausdrucken wollen, als die Tat passiert sei.

Die Schülerin ist durch die Stiche so schwer verletzt worden, dass sie später im Krankenhaus starb. Der Täter ist ihr Ex-Freund, ein Asylbewerber aus Afghanistan. "Er hat nach unseren Erkenntnissen gesagt, dass er sie abpasst", erklärt Vize-Polizeipräsident Eberhard Weber bei einer Pressekonferenz. Es sei aber bis zu der Tat zu keiner körperlichen Auseinandersetzung gekommen.

Zeugin Diana Jäger erinnert sich, dass sie wegen der Schreie zusammen mit anderen Marktbesuchern in Richtung der Kosmetikabteilung gelaufen sei. Das Mädchen habe da bereits am Boden gelegen, umringt von anderen Jugendlichen. Jemand habe den Namen der Verletzten gerufen, Schreie wie "Bleib da!" und "Bleib wach!" seien zu hören gewesen. Der junge Mann sei nach den Stichen von Passanten festgehalten worden, berichtet Augenzeugin Jäger. Aber das sei eigentlich gar nicht nötig gewesen. "Der stand einfach nur da und hat nichts gesagt", erzählt die Zahntechnikerin. "Als ich ihm in die Augen geschaut habe, hat er gegrinst." Nun sei sie zurückgekommen, um ihre entwickelten Bilder in dem mittlerweile wieder geöffneten Geschäft abzuholen - "mit einem extrem seltsamen Gefühl", wie Jäger sagt.

Roman Melcher, einer der Geschäftsführer der Drogerie-Kette dm mit Hauptsitz in Karlsruhe, legt einen Kranz nieder. "Wir sind sehr erschüttert und möchten unser tiefes Mitgefühl für die Opfer der Angehörigen ausdrücken. Wir sind sehr bestürzt", sagt er. Über allem kreist die große Frage nach dem Warum.

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Die Hintergründe der Bluttat kennt auch Verbandsgemeindebürgermeister Volker Poß (SPD) nicht. Zum Täter weiß er nur: "Es ist niemand, der bei uns in der Verbandsgemeinde wohnhaft ist." Die 15-Jährige dagegen sei aus Kandel - einem Ort mit knapp 9000 Einwohnern am südlichsten Zipfel der Metropolregion Rhein-Neckar, auf halber Strecke zwischen Landau und Karlsruhe gelegen. Erlebt hätten die Menschen dort eine solche Bluttat noch nicht, heißt es. Einmal habe einer die Sparkasse überfallen, erinnert sich eine 69-jährige Marktbesucherin. Aber den Täter habe man gleich gefasst. Bekannt ist der Ort vor allem für seine Weinfeste.

Menschen, die die Tat nicht miterlebt haben, zeigen sich ebenso betroffen. So etwa eine Frau, die am Morgen mit drei Kindern rosa Rosen vor der Filiale ablegt und eine Kerze entzündet. "Ich habe selbst drei Kinder", sagt die Frau und kann ihre Tränen kaum zurückhalten. "Mein Herz ist bei den Eltern. Das ist das Allerschlimmste, das passieren kann." Auch populistische Töne sind zu vernehmen. "Fragen sie doch Frau Merkel. Vielleicht sollten Politiker für ihre Flüchtlinge haften", raunt ein Kunde des Drogeriemarkts mit grimmiger Miene.

In die gleiche Kerbe schlägt ein Mann aus dem nahen Bad Bergzabern, der ein Transparent gebastelt hat und die aus seiner Sicht verfehlte Flüchtlingspolitik der Kanzlerin und der Grünen attackiert. Zu sehen ist auf dem Plakat neben dem Konterfei Merkels auch ein Foto vom Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt vor einem Jahr. Was er mit seiner Aktion bewirken will? "Haben Sie die letzten beiden Jahre auf dem Mond gelebt? Schauen sie sich doch an, wohin diese Flüchtlingspolitik führt ", schimpft er.

Andere äußern sich sehr viel moderater und warnen vor Vorurteilen. "Auch wenn das sehr tragisch ist, was hier passiert ist: Man darf nicht alle Flüchtlinge über einen Kamm scheren. Wir dürfen das Feld nicht den Populisten überlassen", sagt eine ältere Frau aus dem Ortsteil Freckenfeld.

Einige Stunden später findet eine spontane Gedenkveranstaltung vor der dm-Filiale statt. Rund 150 Menschen, darunter viele Schüler, Eltern und die beiden Pfarrer der Gemeinde, wohnen dem stillen Gedenken bei. Bürgermeister Poß sagt: "Die Anteilnahme im Ort ist groß. Wir müssen schauen, wie wir der Opferfamilie nun helfen können."

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