Biker-Lärm

Warum die Polizei Strecken sperren muss, obwohl sie es nicht will

Das Motto lautet: "Wer zu laut ist, der ist auch zu schnell". Die Polizei hat in der Motorradsaison Lärm und Sicherheit im Blick.

26.04.2023 UPDATE: 26.04.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 2 Sekunden
Hauptkommissar Ricky Lowag ist Koordinator des Motorradkontrollteams bei der Verkehrspolizeiinspektion Weinsberg. Foto: Polizei Heilbronn

Von Carsten Blaue

Darmstadt/Heilbronn. Der internationale "Tag gegen Lärm" ist immer der letzte Mittwoch im April. Deutschland beteiligt sich daran seit 1998. "Mach’ mal leise" lautet das Motto.

Dem Aufruf dürften sich viele gerne anschließen, die zum Beispiel im Odenwald an beliebten Motorradstrecken leben. Der Biker-Lärm treibe hier viele Menschen um, sagt der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Südhessen, Bernd Hochstädter, im RNZ-Gespräch.

Auch Ricky Lowag kennt das Problem. Der Hauptkommissar ist bei der Verkehrspolizeiinspektion Weinsberg der Koordinator für das Motorradkontrollteam des Polizeipräsidiums Heilbronn. Er verknüpft den Geräuschpegel mit dem Sicherheitsaspekt: "Wer zu laut ist, der ist auch zu schnell."

Das gelte für Motorräder, aber genauso für Autos. In den Zuständigkeitsbereichen beider Präsidien hat die Biker-Saison längst begonnen – auch für die Kontrolleure.

Auch interessant
Lärmschutz: Mit dem Motorradlärm "geht es so nicht weiter"
Hirschhorn: Debatte über Motorradlärm
Rhein-Neckar: Wenn das Motorrad zur Plage wird
Heiligkreuzsteinach: "Leiser" soll laute Motorradfahrer bremsen
Oberzent: "Leise kommt an" – Gemeinsam gegen Lärm

Dabei gibt es neuralgische Punkte. Für Lowag ist ein besonderer die "Löwensteiner Platte" an der B39. Ein beliebter Treffpunkt. Um hier raufzukommen, wird auf den teils geraden Strecken mit ordentlich Krach beschleunigt. "Das wurmt schon", sagt Lowag.

Und selbst wenn der Tacho dann zulässige 70 km/h zeige, sei das Lärmproblem damit auch für die Polizei nicht aus der Welt: "Denn es gibt Paragraf 30, Absatz 1 der Straßenverkehrsordnung".

Und der besagt, dass unnötiger Lärm bei der Benutzung eines Fahrzeugs verboten ist. Mittlerweile können gegen zu viel Dröhnen sogar 80 Euro Bußgeld verhängt werden. Es gehe bei den Kontrollen also nicht um Willkür, unterstreicht der Polizist, der selbst leidenschaftlicher Motorradfahrer ist, wie er sagt.

Immer mehr würden inzwischen verstehen, dass der Spaß auch davon abhängt, ob man sich "sozial adäquat" verhält, so Lowag. An der "Löwensteiner Platte" gibt es jedes Jahr einen Aktionstag.

Aber auch im Neckar-Odenwald-Kreis sind er und sein Team unterwegs, etwa im Bereich Eberstadt/Tropsteinhöhle. Oder grenzübergreifend sogar nach Bayern in Richtung Unterfranken. Zum Beispiel zwischen Amorbach und Mudau. Besonders frequentierte Strecken an Sonn- und Feiertagen zu sperren, sei zwar eine Lösung, sagt Lowag. "Aber eine schlechte."

Als Motorradfahrer könne er sie nicht akzeptieren, als Schutzmann aber auch nicht. Wenn man eine komplette Zielgruppe aussperre, weil man an diesen Stellen Recht und Gesetz einfach nicht durchsetzen könne, dann sei das kein gutes Zeichen.

Die Personaldecke in der polizeilichen Prävention sei zwar gut. Aber es fehle in der Breite an der "zielgruppenspezifischen" Ausbildung. Dennoch ist das Weinsberger Motorradkontrollteam gerade zu Saisonbeginn jedes Wochenende draußen zu Schwerpunktkontrollen: "Da haben wir Dauerpräsenz", sagt der Polizist.

"Legal laute" Fahrzeuge gibt es für ihn übrigens nicht: "Zulassungsrechtlich und technisch mag da alles in Ordnung sein." Aber wenn beim Fahren die Lautstärke negativ auffalle, dann sei es eben doch nicht okay. Als Kontrolleur müsse man da mit Augenmaß handeln.

Mit Fingerspitzengefühl arbeiten auch Lowags südhessische Kollegen. "Wir sind schon voll in der Saison", sagt Hochstädter. Am Osterwochenende gab es Kontrollen an der ehemaligen Bergrennstrecke in Zotzenbach im Odenwald, wo auch gleich Bikes mit illegalen technischen Veränderungen aus dem Verkehr gezogen wurden.

Die Strecke ist übrigens eine von Dreien im Präsidiumsgebiet, die an Wochenenden und Feiertagen für Biker dicht ist – neben dem Krähberg bei Oberzent und der Verbindung zwischen den Oberzenter Ortsteilen Beerfelden und Sensbachtal.

Wegen der Unfallhäufigkeit auf diesen Strecken gab es hier schon vor Jahren das erste saisonale Fahrverbot. "Denn wegen der großen Anzahl der Fahrer können Sie hier gar nicht von morgens bis abends kontrollieren", sagt Hochstädter.

Daher ist die Prävention ja so wichtig für die Südhessen. Sie bieten auch dieses Jahr drei sogenannte "Biker-Safety-Touren" an. Die erste war am Freitag. Hier steuern Motorradfahrer gemeinsam mit Polizisten auf ihren Dienstmaschinen Gefahrenpunkte an, sprechen über Lärm und Erste Hilfe am Unfallort.

Wie nötig Prävention ist, zeigte sich bereits Mitte März, als eine 24 Jahre alte Motorradfahrerin aus Aschaffenburg auf der L3349 zwischen Vielbrunn und Breitenbrunn im Odenwaldkreis so schwer stürzte, dass sie wenig später im Krankenhaus starb. Auch Verletzte gab es schon.

Vorbeugung ist für die südhessische Polizei auch ein Kampf gegen die Statistik. Vergangenes Jahr verloren sieben Biker in deren Verantwortungsbereich ihr Leben. 86 Schwerverletzte und 210 Leichtverletzte auf Motorrädern mit über 125 Kubikzentimeter Hubraum gab es.

Das Darmstädter Präsidium hält dagegen – nicht nur mit Kontrollen, sondern auch mit Radiospots oder Plakataktionen für mehr gegenseitige Rücksicht oder die Vermeidung von Lärm.

Gegen den Krach hat die Polizei zudem Lärmdisplays angeschafft, die ähnlich wie Geschwindigkeitsanzeiger funktionieren – nur dass sie eben anzeigen, ob ein Motorrad zu laut ist.

Für Hochstädter ist die Lärmvermeidung besonders wichtig. "Die meisten fahren ordentlich. Aber das Argument zieht bei den Anwohnern der Strecken nicht." Sie wollen Ruhe. Hochstädter versteht das.

Er warnt die Biker davor, die Schalldämpfer, sogenannte "db-Killer", auszubauen. Wer am Auspuff manipuliere, "bekommt die Kiste eben weggenommen". Und dann ist die Saison schneller vorbei, als sie angefangen hat.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.