Bahntrasse Frankfurt-Mannheim

Die Bahn stellt zwischen Frankfurt und Mannheim die letzten Weichen

Der Verlauf der Neubaustrecke zwischen den beiden Großstädten steht nun endlich fest. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Projekt.

13.11.2020 UPDATE: 14.11.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 57 Sekunden
Die ICE sollen tagsüber durch Mannheim fahren, die Güterzüge in der Nacht. Foto: Gerold

Von Alexander Albrecht und Jan Brinkhus

Mannheim. Die Deutsche Bahn hat am Freitag bekannt gegeben, welche Trassenführung sie für den Neubau der Schnellstrecke zwischen Frankfurt und Mannheim bevorzugt: Die ICE-Züge sollen auch in Darmstadt halten und weitgehend parallel zu den Autobahnen 5 und 67 fahren. Mit der Entscheidung werden die Weichen für die Planfeststellung gestellt. Diese ist eine Art Baugenehmigung für ein solches Projekt. 

Hintergrund

Ex-Bahnchef wollte die Trasse einst an Mannheim vorbeiführen lassen

Was haben sie damals in der Region getobt, als sich der Ex-Bahnchef vor knapp 20 knapp Jahren zu einer überheblichen Aussage hinreißen ließ: "Wenn die Bahn weiterhin alle 70 Kilometer

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Ex-Bahnchef wollte die Trasse einst an Mannheim vorbeiführen lassen

Was haben sie damals in der Region getobt, als sich der Ex-Bahnchef vor knapp 20 knapp Jahren zu einer überheblichen Aussage hinreißen ließ: "Wenn die Bahn weiterhin alle 70 Kilometer anhalten soll, brauchen wir keine ICE mehr zu kaufen, sondern S-Bahnen", sagte Hartmut Mehdorn. Und setzte noch einen drauf: Es müsste alle Stunde einen Zug geben, der für die Strecke Köln–Stuttgart nur zwei Stunden brauche. Dies gehe nur, "wenn wir nicht jede Milchkanne mitnehmen". Gemeint war Mannheim. Rumms, das saß.

Mehdorn wollte, dass die ICE über einen Bypass an der Quadratestadt und der Kurpfalz vorbeifahren. Politiker werteten die Herabsetzung Mannheims zur "Milchkanne" als Unverschämtheit und Zeichen der Ignoranz. Denn die Region drängte angesichts knapper Kapazitäten auf der Schiene damals schon darauf, die Lücke in den Korridoren Rhein-Main und Rhein-Neckar für den Güter-, Fern- und Nahverkehr zu schließen.

"Hätte man auf uns gehört, wäre die Neubaustrecke längst gebaut worden", ärgerte sich Mannheims Erster Bürgermeister Christian Specht noch 2016 im RNZ-Interview. Es sei doch "irrsinnig", in einem transeuropäischen Netz einen Flaschenhals der Kurpfalzmetropole und Frankfurt lassen zu können.

Damals hatte das Bundesverkehrsministerium gerade die zweigleisige Trasse in den Bundesverkehrswegeplan 2030 aufgenommen und sie mit "vordringlichem Bedarf zur Engpassauflösung" eingestuft. "Endlich", wie Specht sagte. Doch es zeichneten sich drei Knackpunkte ab: die Trassenführung, der Lärmschutz und die Frage, ob und wie sowohl Güter- als auch Personenfernzüge aufs Gleis gesetzt werden können.

Die Region positionierte sich klar. Nachts sollten die Güterzüge über die neue Trasse rattern, tagsüber die schnellen ICE. Dazu machte der Verkehrswegeplan aber keine Angaben. Specht, zugleich Vorsitzender des Zweckverbands Verkehrsverbund Rhein-Neckar (ZRN), appellierte an Bahn und Bund, auf dem gesamten Korridor den Lärmschutz im Blick zu haben.

Das sei angesichts von rund 200 Güterzügen mehr pro Tag ein wesentliches Thema für die Anwohner in Mannheim, Schwetzingen, Hockenheim und Südhessen. Der Ausbau der Rheintalbahn machte der Region Hoffnung. Im südbadischen Offenburg wird ein Eisenbahntunnel gebaut, um die Bürger entlang der Strecke zu entlasten. "Auch wir müssen dort, wo die Lärmbelastung besonders hoch ist, über Tunnellösungen nachdenken", sagte Specht.

Wichtig aus Mannheimer Sicht sind die Schienentrassen, die durch die Stadtteile führen. Schon heute leiden die Anwohner der Östlichen Riedbahn unter dem Krach der Güterzüge. Sie fürchten, dass der Lärm nach der Fertigstellung der Neubaustrecke weiter zunehmen wird.

Der Verband Region Rhein-Neckar forderte in einem Positionspapier, einen Güterzugtunnel unterhalb der Stadt mit Anbindung an den Rangierbahnhof zu prüfen. Die leiseren Personenzüge sollen dagegen weiterhin oberhalb in Mannheim halten. Weil die Bahn bei der ICE-Neubaustrecke ohnehin teilweise in Tunnellage plane, komme die Trasse auf einem niedrigen Höhenniveau an, und es seien keine langen Rampen nötig, um die Güterzüge nach unten zu führen, argumentierte der Verband. Diese Fragen spielten bei der Trassenführung (s. obiger Artikel) keine Rolle, sie müssen beim Ausbau des Bahnknotens Mannheim beantwortet werden. Auch dieser wird im Bundesverkehrswegeplan 2030 mit der höchsten Priorität bewertet. (alb)

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Worum geht es bei dem Bahnprojekt? Ziel ist es, die Rhein-Main-Region um Frankfurt und die Rhein-Neckar-Region um Mannheim und Ludwigshafen besser und schneller per Bahn miteinander zu verbinden. Auf der Neubaustrecke können ICE-Züge mit einem Tempo von bis zu rund 300 Kilometern pro Stunde unterwegs sein. Die neue, zweigleisige Trasse ist ungefähr 60 Kilometer lang. Tagsüber sollen Personenzüge auf ihr rollen, nachts Güterzüge.

Wie soll die Trasse verlaufen? Vom Frankfurter Hauptbahnhof aus folgt sie zunächst der A 5 und später der A 67. Ab Lorsch wird die Strecke teilweise unterirdisch – in Tunneln mit offener Bauweise und abschnittsweise auch in abgesenkten Trögen – zurückgelegt. Kurz nach Lorsch geht es teils oberirdisch und teils unterirdisch durch den Lampertheimer Wald. Kurz vor dem Bahnhof Mannheim-Waldhof soll die Trasse wieder emporsteigen.

Die neue Bahntrasse mit zwei Gleisen verläuft teils ober-, teils unterirdisch. Grafik: Bahn/RNZ-Repro

Sind alle von den Plänen begeistert? Nein. Vor allem von drei Kommunen an der hessischen Bergstraße gibt es Kritik. Lorscher, Bensheimer und Einhausener befürchten mehr Lärm, den Verlust von Natur und eine Zerschneidung der Landschaft. Sie hatten sich zudem einen bergmännischen Tunnel gewünscht. Ein von den Kommunen vorgeschlagener Verlauf der Strecke hätte wegen der Bremswirkungen durch Kurven wertvolle Minuten gekostet. "Das wäre für uns unwirtschaftlich gewesen", sagte Projektleiter Jörg Ritzer von der DB Netz AG. Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann lobt das Konzept: "Unsere Straßen sind voll, und auch die Schienen haben kaum noch freie Kapazitäten. Nur mit dem konsequenten zügigen Aus- und Neubau der Schiene kann die Verkehrswende gelingen."

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Es gibt doch schon Bahnlinien zwischen Frankfurt und Mannheim, wieso wird eine neu gebaut? Nach Angaben der Bahn sind die bisherigen Strecken schon jetzt vollständig ausgelastet. Prognosen zeigten, dass der Schienenverkehr auch weiterhin stark zunehmen wird, insbesondere auf den Nord-Süd-Verbindungen. Das Gebiet zwischen Frankfurt und Mannheim zählt zu den Regionen mit dem höchsten Zugaufkommen in Deutschland, es gilt als Nadelöhr im Schienenverkehr. Es geht aber auch um eine bessere Anbindung an andere Schnellbahnstrecken, etwa Frankfurt-Köln oder Stuttgart-Mannheim. Die Neubaustrecke schließe eine Lücke im deutschen und europäischen Schienenfernverkehrsnetz. Außerdem soll ein Deutschland-Takt für den ICE-Verkehr eingeführt werden, der alle 30 Minuten eine Verbindung auf den Hauptachsen vorsieht. Dazu braucht es auch neue Trassen. Gleichzeitig werden die bisherigen Strecken künftig entlastet – der Nahverkehr soll dadurch ebenfalls pünktlicher werden.

Inwieweit verkürzt die neue Trasse die Fahrzeit per Bahn zwischen Frankfurt und Mannheim? Derzeit brauchen die ICE-Züge knapp 40 Minuten, die Fahrzeit soll nach Fertigstellung der Strecke um etwa ein Viertel sinken. Die Bahn geht davon aus, dass die Fahrzeit zwischen den Hauptbahnhöfen Frankfurt und Mannheim um rund neun Minuten auf dann 29 Minuten sinken wird. Aber auch die Fahrzeiten für Reisende etwa zwischen Köln, Frankfurt und Stuttgart sollen kürzer werden.

Wann wird gebaut? Das Projekt ist noch in einem recht frühen Stadium, ein konkretes Datum für den Baubeginn steht noch nicht fest. Die Bahn rechnet aber mit einem Baubeginn kaum vor Mitte der 2020er-Jahre. Vorher müssen alle baurechtlichen Verfahren und gegebenenfalls auch Klagen vor Gerichten erledigt sein. Wie lange gebaut wird, kann die Bahn momentan ebenfalls noch nicht genau sagen. Nach grober Schätzung dürfte aber mindestens fünf bis sechs Jahre gebaut werden. Es wird also noch lange dauern, bis erstmals Züge auf der Neubaustrecke unterwegs sein werden.

Was kostet die neue Trasse? Eine konkrete Summe steht noch nicht fest. Klar ist aber, das zeigen ähnliche Projekte, dass es um eine Milliardensumme vom Bund gehen dürfte. Obwohl die Höhe der Gesamtinvestition nicht feststeht, konnten Bahnvertreter am Freitag sagen, dass die gewählte Trasse 280 Millionen Euro günstiger ist als eine Alternativstrecke.

Worum ging es bei der Wahl der Trasse genau? Es war bislang offen, wie Darmstadt an die neue Bahnstrecke angebunden wird. Über die Pläne für den ICE-Halt in der Wissenschaftsstadt freute sich am Freitag unter anderem der Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) sehr. Dort können größere Baustellen vermieden werden. Güterzüge fahren an der Stadt vorbei. Auch die Frage nach dem Trassenverlauf zwischen Darmstadt, Lorsch und Mannheim-Waldhof wurde in einem "Beteiligungsforum" seit Dezember 2016 diskutiert. Dabei haben sich Vertreter von Behörden, Bürgerinitiativen, Umweltschutzverbänden und den Verkehrsministerien ausgetauscht. Das soll Klagen und eine mögliche Verzögerung des Projekts verhindern, zum anderen die Öffentlichkeit eng beteiligen. Ein Thema dabei war der Schallschutz für Anwohner an der neuen Strecke.

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