Anklage nach BASF-Unglück

Angeklagter kann auf Bewährungsstrafe hoffen

Fataler Schnitt in falsche Leitung: Arbeiter soll Explosion bei der BASF verursacht haben. Ab dem heutigen Dienstag steht er vor Gericht.

04.02.2019 UPDATE: 05.02.2019 15:10 Uhr 2 Minuten

Nach der Explosion im Nordhafen stieg eine riesige, weithin sichtbare Rauchwolke auf. Vier Werkfeuerwehrleute und der Matrose eines Tankmotorschiffs kamen infolge des Unglücks bei der BASF ums Leben, 44 Menschen wurden verletzt. Foto: dpa

Von Alexander Albrecht

Frankenthal/Ludwigshafen. Man mag nicht tauschen mit dem 64-jährigen Mannheimer, der am heutigen Dienstagmorgen unter großem Medieninteresse im Saal 20 des Frankenthaler Landgerichts auf der Anklagebank Platz nehmen muss. Und man kann nur ahnen, was dann in den Angehörigen der Toten und der Schwerverletzten, die überlebt haben, vorgeht. Um 9.30 Uhr startet der Prozess um die Explosion bei der BASF vor mehr als zwei Jahren.

Das Unglück: Zwei erfahrene Mitarbeiter einer beauftragten Firma sind am Morgen des 17. Oktober 2016 im Nordhafen der BASF in Ludwigshafen mit routinemäßigen Schweißarbeiten beschäftigt. Es ist bereits ihr zweiter Tag auf dem Werksgelände. Einsatzort ist ein etwa 20 Meter breiter Graben, in dem 38 Leitungen liegen - für Dampf, Brunnen- und Abwasser, aber auch für höchst brennbare Chemikalien. Die Aufgabe des Duos: Es soll an einem Nachbarrohr der Leitung "Propylen flüssig 95%" einen sogenannten Dehnungsbogen austauschen.

Knapp 20 Zentimeter rechts neben der mit einem gelben Farbfleck gekennzeichneten Propylen-Leitung verläuft ein rot markiertes Rohr, durch das ein brennbares Buten-Gemisch fließt. Hier soll der Angeklagte mit seinem Winkelschleifer den fatalen Schnitt angesetzt haben. Es fängt an zu brennen, drei Minuten später sind sieben Mitglieder der Werkfeuerwehr vor Ort. Sie wollen einen Wasserwerfer aufbauen, um aus rund 60 Meter Distanz die Rohre zu kühlen.

Doch nach drei weiteren Minuten entsteht neben dem Propylen-Rohr, in einer Ethylen-Leitung, die Explosion. Das circa ein Zentimeter dicke Stahlrohr berstet, beide Hälften schlagen in Richtung Hafen. Zwei Feuerwehrleute und der Matrose eines Tankschiffs sind sofort tot.

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Der Prozess: Die Staatsanwaltschaft will 42 Zeugen vernehmen und hat zehn Sachverständige benannt. Geplant sind vorerst 13 Verhandlungstermine. Für den Prozess hat das Landgericht einige Zugangsbestimmungen erlassen. Unter anderem ist zum Betreten des Sitzungssaals eine Einlasskarte nötig, die am Eingang in begrenzter Zahl ausgegeben wird.

Die Opfer: "Meine Mandanten wollen verstehen, was passiert ist", sagt der Ludwigshafener Anwalt Jan Schabbek, der in dem Prozess als Nebenklägervertreter drei schwer verletzte Werkfeuerwehrmänner und die Witwe eines verstorbenen Kameraden vertritt. Sein Kollege Alexander Klein ist von einem Ehepaar engagiert worden, das um seinen Sohn trauert. Das einzige Kind. "Für Eltern gibt es nichts Schlimmeres", weiß Klein. Der Strafrechtler ist der Ansicht, dass sich die BASF bei der Aufklärung der Katastrophe "eher zurückhaltend" gezeigt hat. Die Sicherheitsmaßnahmen vor dem Unglück hält der Anwalt für unzureichend. "Das ist unstreitig, denke ich", sagt der Ludwigshafener.

In dem Prozess vor dem Frankenthaler Landgericht werde es darum gehen, ob wenigstens die "dürftigen Auflagen" von der BASF erfüllt worden sind. Seine Klienten hofften auf ein zügiges wie gründliches Verfahren. Wobei die Mutter des toten Werkfeuerwehrmanns noch nicht abschätzen könne, ob sie die Verhandlung überhaupt durchsteht.

Der Angeklagte: Der Mannheimer kann sich nach Angaben des Gerichts nicht an den genauen Hergang erinnern und bedaure die Tragödie außerordentlich. Er ist bei der Explosion ebenfalls erheblich verletzt worden und aufgrund psychischer Beeinträchtigungen nicht mehr arbeitsfähig. Alkohol hatte der Mann vor dem Unglück nicht konsumiert. Laut BASF waren er und sein damaliger Kollege zuvor sieben beziehungsweise zehn Jahre auf verschiedenen Baustellen des Konzerns im Einsatz, die Spezialfirma schon seit einem Vierteljahrhundert. Der Angeklagte muss nicht zwingend in Haft, Juristen halten auch eine Bewährungsstrafe für möglich. 

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