"Forum für Deutsche Sprache" soll Besucher in Forschung einbeziehen (Update)
Mannheims Image als "Hauptstadt der deutschen Sprache" soll gestärkt werden. Die Einrichtung betritt damit Neuland.

Von Olivia Kaiser
Mannheim. "Das ist ein einzigartiger Glücksfall", erklärt Henning Lobin, Vorstandsvorsitzender und wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für deutsche Sprache (IDS). Carsten Könneker, Geschäftsführer der Klaus Tschira Stiftung, betont: "Da engagieren wir uns gern." Tatsächlich haben sich zwei gesucht und gefunden, um ein ehrgeiziges Projekt zu stemmen: den Bau eines Forums für Deutsche Sprache am Alten Messplatz. Die private Stiftung mit Hauptsitz in Heidelberg ist Bauherrin und wird dem IDS das Gebäude inklusive der ersten Dauerausstellung schenken.
Die Idee, ein Museum für Deutsche Sprache in Mannheim zu errichten, verfolgt das IDS schon länger. Doch es soll weit mehr als nur ein Museum sein: "Auch Begegnungsort und Forschungsstätte", so Lobin: "Deshalb verwenden wir den Begriff des Forums." Kindern und Erwachsenen soll nicht nur die Entwicklung der deutschen Sprache näher gebracht werden, sondern auch wie Kommunikation funktioniert und wie sie sich verändert – beispielsweise bei der Kommunikation in sozialen Netzwerken. Da es sich bei den Besuchern im häufigsten Fall um "Experten" handelt, sollen sie in die Spracherforschung eingebunden werden, beispielsweise durch "Sprachspenden". Auch Vorträge, Lesungen, Workshops oder Science Slams werden im Forum stattfinden. "Es soll ein lebendiges Haus sein, dessen unterschiedliche Funktionen sich gegenseitig befruchten", beschreibt der IDS-Geschäftsführer.
Genau dieses Konzept passe wiederum wunderbar zur Klaus Tschira Stiftung, wie Carsten Könneker betont. Die Stiftung fördert eigentlich Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik, doch Themenschwerpunkte sind auch Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation. "Und da können wir bei allen drei Punkten einen Haken dranmachen", so Könneker. Auch wenn es sich bei Linguistik nicht um eine Naturwissenschaft handle, so sei diese aber doch in hohem Maß datengetrieben und mitunter von den Naturwissenschaften gar nicht so weit entfernt. Immerhin würde Naturwissenschaft durch die Sprache vermittelt.
"Es soll allerdings kein nationales Sprachzentrum werden", stellt Henning Lobin klar. Denn nicht nur in Deutschland wird deutsch gesprochen. Auch in Österreich, der Schweiz, Luxemburg, Belgien, Liechtenstein und Südtirol ist Deutsch Amtssprache und existiert in vielen lokalen und internationalen Dialekten. Das soll sich im Forum der Deutschen Sprache widerspiegeln. Und genau dieses Zusammenspiel von Lokalität und Internationalität mache Mannheim zum idealen Standort für das Haus, finden Könneker und Lobin.
"Wir freuen uns, dass das so möglich ist", erklärt Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD). Damit werde Mannheim als Wissenschaftsstandort ebenso gestärkt wie der Anspruch der Stadt auf den Titel "Hauptstadt der deutschen Sprache". Den kann man jetzt nicht mehr nur durch Dudenverlag und IDS untermauern, sondern auch mit einem einzigartigen Projekt, denn: "Es gibt in Europa kein Haus, das solch ein integratives Konzept verfolgt", versichert Lobin. Der integrative Gedanke soll sich auch architektonisch bemerkbar machen.
Dazu lobt die Klaus Tschira Stiftung einen Architektenwettbewerb aus, bei dem sich Büros aus allen Ländern bewerben können, in denen deutsch gesprochen wird. "15 bis 20 Büros können uns ihre Planungen vorlegen, davon wählt die Jury etwa sechs aus, die dann konkrete Entwürfe erarbeiten", stellt Könneker das Prozedere vor. Von diesen wiederum erhalten die besten drei Entwürfe Preise. Der Sieger soll im Herbst 2021 feststehen. Derzeit geht man von einem mehrgeschossigen Bau mit einer Gesamtfläche von circa 4800 Quadratmetern aus. Über die Kosten schweigt sich die Stiftung in der Tradition von Klaus Tschira aus.
Das Gebäude soll auf dem Teil des Alten Messplatzes zwischen Neckar und Dammstraße entstehen – und zwar unmittelbar neben dem dort angesiedelten Lebensmitteldiscounter. Die Stadt stellt das Grundstück in unentgeltlicher Erbpacht zur Verfügung. Momentan befindet sich dort ein Parkplatz. Das Einraumhaus und das Jugendprojekt Alter ziehen an den Bereich nahe der Kurpfalzbrücke um. "Es gibt ein eindeutiges Bekenntnis der Stadt, beide Einrichtungen zu erhalten", betont Kurz. In dem Freiraum dazwischen soll ein sogenannter Teppich zum Neckar entstehen. Während die Klaus Tschira Stiftung für den Bau des Gebäudes verantwortlich ist, übernimmt die Stadt die Platzgestaltung. Der Spatenstich ist für 2023 geplant, das Forum für Deutsche Sprache könnte 2027 Eröffnung feiern.
Für das Projekt haben die Stadträte bereits im Mai quer durch die Fraktionen eine breite Zustimmung signalisiert. Dass sich die Klaus Tschirra Stiftung als Geldgeberin gefunden hat, sorgte am Dienstag in der Sitzung des Hauptausschusses für Hochstimmung. "Das ist eine tolle Sache", erklärte Reinhold Götz (SPD). "Wir sind dankbar."
Update: Dienstag, 21. Juli 2020, 20.15 Uhr
Von Olivia Kaiser
Mannheim. Der südliche Teil des Alten Messplatzes, durch die Dammstraße vom Hauptplatz getrennt, ist ein städteplanerisches Sorgenkind – nicht erst seit 2011 der Alte Bahnhof abbrannte. Mit dem Bau des Forums für deutsche Sprache könnte sich das ändern. Für das Projekt gibt es eine breite Zustimmung von den Fraktionen des Gemeinderats. Sie befürworteten den Standort und erhoffen sich eine Aufwertung für das Quartier und eine Optimierung der Verkehrsführung rund um den Alten Messplatz.
Das im Quadrat R5 angesiedelte Leibniz-Institut für deutsche Sprache (IDS) möchte bereits seit mehreren Jahren eine Ausstellung rund um die deutsche Sprache realisieren. Themen sollen auch die Entwicklung und Vermittlung der deutschen Sprache sein. Regelmäßige Veranstaltungen gehören ebenfalls zum Konzept des Forums für deutsche Sprache. Als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft wird das IDS von Bund und Land getragen. Der Stadt Mannheim entstehen keine Kosten, sie würde lediglich das Grundstück über Erbpacht zur Verfügung stellen.
Der mehrgeschossige Bau soll auf dem Areal entstehen, das direkt an den Lidl-Markt angrenzt, momentan wird es als Parkplatz genutzt. Wie das Gebäude genau aussehen soll, ist noch unklar. Ein Architektenwettbewerb wird darüber entscheiden. Dass gegenüber der Alten Feuerwache eine Bildungseinrichtung entstehen soll, ist schon länger eine Vision der Stadtplaner. Nachdem die Idee, am südlichen Alten Messplatz die neue Stadtbibliothek zu errichten, vor ein paar Jahren am Widerstand der CDU und der Grünen scheiterte, wird sie nun doch Wirklichkeit. Sie soll mit dem Marchivum in der Neckarstadt und der Abendakademie am anderen Neckarufer ein Bildungsdreieck formen.
Die Fläche direkt am Brückenkopf ist aufgrund des Baumbestands zu klein, deshalb soll das Forum neben dem Discounter gebaut werden. Das nährt in Stadtrat Reinhold Götz (SPD) den Traum nach "einem schönen Biergarten, wie wir ihn einmal hatten". Mit dieser Hoffnung ist er nicht allein. Nicht nur Mannheimer trauern dem Biergarten mit Blick auf den Neckar nach, der sich einst auf der Terrasse des Alten Bahnhofs befand. Die Idee, die Gastronomie wiederzubeleben, ging mit dem Brand des Gebäudes aber zunächst in Flammen auf. Im Jahr 2015 öffnete ein Eisenbahnwagen-Biergarten, doch der ging vier Jahre später pleite. Die Chance, dass mit dem Forum für deutsche Sprache die Gastronomie zurückkehrt, steht überaus gut.
Der Neubau soll weder das seit 2010 auf dem Platz beheimatete Einraumhaus zur Förderung zeitgenössischer Kunst noch den "Alter" tangieren. Bei Letzterem handelt es sich um ein Projekt der lokalen Stadterneuerung für die Neckarstadt-West. Bewohner können dort verschiedene Sportarten betreiben. Auch kulturelle Veranstaltungen finden statt. Ein Kiosk übernimmt die Bewirtung. Das beides erhalten werden kann, freue die SPD, so Götz. Für seine Fraktion sei das Forum für deutsche Sprache ein "weiterer Magnet für die Neckarstadt".
Auch die Grünen sehen in dem Projekt eine Aufwertung für den Stadtteil. "Wir begrüßen den Baumerhalt", betonte Fraktionssprecherin Melis Sekmen. Beim Bau solle so wenig wie möglich versiegelt und ein freier Zugang zum Neckar geschaffen werden. Sie plädierte für eine Bürgerbeteiligung bei der Platzplanung. Zudem hoffe man auf eine möglichst autofreie Verbindung der beiden Platzteile, die momentan durch die Dammstraße getrennt werden.
Die aktuelle Verkehrsführung um die Alten Messplatz, die Auto-, Straßenbahn-, Rad- und Fußgängerverkehr unter einen Hut bringt, ist sehr komplex. Gerade im Bereich der Dammstraße erhoffen sich SPD und Grüne jetzt Verbesserungen – vor allem für Radfahrer und Fußgänger.
Die Liberalen sprachen sich ebenfalls für das Projekt an dieser Stelle aus. Ob das Forum für deutsche Sprache aber tatsächlich einen Nutzen für die Anwohner habe, lasse sich jetzt noch nicht absehen, so Birgit Reinemund. "Dafür haben wir einfach noch zu wenig Information, was in dem Haus dann genau passiert."
