Heidelberg-Studie

Die Heidelberger fahren weniger Auto

Das ist das Ergebnis der Heidelberg-Studie 2019 - Verkehr bleibt aber Hauptproblem - Mehrheit will Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs

29.05.2020 UPDATE: 30.05.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 3 Sekunden
Querende Fußgänger, Radler und schnelle Busse: In der Bergheimer Straße gibt es etliche Risikofaktoren. Foto: Alex

Von Denis Schnur

Heidelberg. Alle Jahre wieder erscheint die Heidelberg-Studie und immer sagt die Mehrheit der Heidelberger dabei, dass der Verkehr das größte Problem in der Stadt ist. Nur: So viele wie 2019 haben das noch nie gesagt. 68 Prozent – und damit zwei von drei – sehen da die größte Baustelle (2018: 58 %). Dabei hatten Stadt und Forschungsgruppe Wahlen die Mobilität ohnehin in den Fokus der Studie gerückt – auch wegen des Klimanotstandes, den die Stadt 2019 ausgerufen hat. Die RNZ stellt die wichtigsten Ergebnisse zu dem Komplex vor:

> Hauptproblem Verkehr: Im Straßen- und Schienennetz Heidelbergs hat sich in den letzten Jahren viel getan. Dennoch sagen so viele Bürger wie nie, dass der Verkehr das bedeutendste Problem der Stadt ist. Damit rückt der Wohnungsmarkt (25 %) in den Hintergrund. Themen wie Radfahrer-Verhalten (4 %) und Klimawandel (3 %) fallen kaum ins Gewicht. Der Punkt "Flüchtlinge/Ausländer", den 2015 ein Drittel der Befragten für die größte Baustelle hielt, wird nur noch von zwei Prozent genannt. Vor allem im Norden der Stadt stört die Bürger der Verkehr: 82 Prozent der Handschuhsheimer nennen ihn als Hauptproblem.

> Nur jeder Fünfte fährt Auto: Dabei sind die Heidelberger innerhalb der Stadt recht umweltfreundlich unterwegs – dieser Trend hat sich von 2018 bis 2019 nochmal deutlich verstärkt: Der Anteil der Autofahrer ist von 26 Prozent auf 20 Prozent zurückgegangen, nachdem er zehn Jahre lang sehr stabil war. "Das ist kaum zu verbessern", loben Oberbürgermeister Eckart Würzner und Bürgermeister Jürgen Odszuck im Vorwort der Studie. Während das Auto innerstädtisch weiter an Relevanz verliert, steigt der Anteil der Fußgänger: Waren 2018 neun Prozent der Heidelberger hauptsächlich per pedes unterwegs, sind es 2019 zwölf Prozent. Aber auch das Fahrrad – das mit Abstand wichtigste Verkehrsmittel – konnte von 38 auf 40 Prozent zulegen, ebenso wie Bus und Bahn (26 auf 27 %). Anders sieht es aus, wenn die Heidelberger ihre Stadt verlassen: Geht es in die Region, ist für 58 Prozent das Auto das Mittel der Wahl, für 38 Prozent der ÖPNV und für drei Prozent das Rad.

Hintergrund

> Die Heidelberg-Studie wird seit 2013 jährlich von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen erstellt. Von 1994 bis 2012 erschien sie alle drei Jahre. Darin werden die Einstellungen der Heidelbergerinnen und Heidelberger zur Kommunalpolitik und den wichtigsten Themen der

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> Die Heidelberg-Studie wird seit 2013 jährlich von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen erstellt. Von 1994 bis 2012 erschien sie alle drei Jahre. Darin werden die Einstellungen der Heidelbergerinnen und Heidelberger zur Kommunalpolitik und den wichtigsten Themen der Stadt abgefragt. Ein Themenkomplex steht in jedem Jahr besonders im Fokus. 2017 war das zum Beispiel die Digitalisierung, 2018 der Wohnungsmarkt und 2019 der Verkehr.

> 1071 Menschen ab 16 Jahren mit Wohnsitz in Heidelberg haben die Wissenschaftler vom 11. bis 14. November 2019 befragt – und damit vor der Corona-Krise, die vermutlich Auswirkungen auf nahezu alle Antworten hat.

> Die gedruckte Studie liegt ab sofort in der Stadtbücherei aus und kann unter www.heidelberg.de/heidelberg-studie eingesehen werden.

> Die RNZ stellt in der nächsten Woche weitere Ergebnisse vor. (dns)

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> Männer im Auto, Frauen im Nahverkehr: Beim Mobilitätsverhalten innerhalb ihrer Stadt unterscheiden sich die Heidelberger deutlich: Der ÖPNV ist etwa vor allem bei jungen (16-29 Jahre) und alten (über 70 Jahre) Heidelbergern mit rund 40 Prozent am beliebtesten, während von den 30- bis 49-Jährigen jeder zweite auf das Rad als Hauptverkehrsmittel setzt. Auch das Geschlecht macht einen Unterschied: Jeder vierte Mann fährt vor allem Pkw, aber gerade mal jede sechste Frau. Beim ÖPNV ist es umgekehrt: Jede dritte Frau bevorzugt Bus und Bahn, aber nur jeder fünfte Mann. Natürlich wirkt sich auch der Wohnort auf das Lieblingsverkehrsmittel aus: Im Zentrum fahren nur vier Prozent hauptsächlich Auto, im Osten der Stadt – in Ziegelhausen und Schlierbach – sind es 42 Prozent.

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> Mehr tun für den ÖPNV: Fragt man die Heidelberger, für welches Verkehrsmittel die Stadt mehr machen sollte, ist die Antwort eindeutig: der Nahverkehr. 68 Prozent sehen dort Bedarf (2018: 58 %). Dass die Stadt mehr für Autofahrer tun sollte, finden nur 30 Prozent. Sogar unter den Autofahrern findet sich dafür keine Mehrheit (42 %). Gleichzeitig ist der Anteil der Befragten, die meinen, für den Autoverkehr müsse sogar weniger getan werden, seit 2018 von 17 auf 26 Prozent gestiegen.

Doch wie kann der Nahverkehr verbessert werden? Wer ihn bislang nicht nutzt, fährt meist ohnehin Rad. Das gaben immerhin 26 Prozent der Befragten an, bei denen der ÖPNV nicht Hauptverkehrsmittel ist. Für die anderen sind hohe Kosten (23 %), lange Fahrtzeiten (17 %) und der große Aufwand (15 %) Hinderungsgründe. Dazu passt, dass 42 Prozent finden, der Nahverkehr sei zu teuer. Mit dem ÖPNV-Angebot an sich sind knapp zwei Drittel zufrieden. Anders sieht es in den Abendstunden aus: 40 Prozent der Befragten finden das Angebot zwischen 20 und 24 Uhr zu dürftig, nur 33 Prozent halten es für ausreichend. Dass nach Mitternacht genügend Busse und Bahnen fahren, finden nur 17 Prozent, 43 Prozent widersprechen.

> Mehr Radwege: Das Rad ist schon jetzt das innerstädtische Verkehrsmittel Nummer eins. Jeder dritte Befragte, der es nicht nutzt, begründet das damit, dass es zu unsicher sei. Ein Weg zu mehr Sicherheit wären mehr Radwege. Dafür spricht sich mittlerweile jeder zweite Heidelberger (49 %) aus, 2013 sagten das nur 36 Prozent.

> Weniger Parkplätze? 62 Prozent der Befragten finden es schwierig, in ihrem Wohnumfeld einen Parkplatz zu finden. Fragt man die Heidelberger jedoch, was in der Verkehrspolitik Priorität haben sollte, sagen 46 Prozent mehr Radwege und nur 30 Prozent mehr Abstellmöglichkeiten für Autos. Wenn die eigene Straße umgestaltet werde, will eine klare Mehrheit (61 %) mehr Aufenthaltsqualität – etwa durch Bäume und Freiflächen –, nur 22 Prozent mehr Parkplätze. Besonders deutlich ist das im Zentrum, wo es zwar am schwierigsten ist, einen Parkplatz zu finden, aber nur 13 Prozent deren Zahl erhöhen wollen. Im Gegenteil: Erstmals will eine knappe Mehrheit (52 %), dass das Gehwegparken in der ganzen Stadt verboten wird, 43 Prozent wollen, dass dies weiterhin möglich ist. Vor sechs Jahren sah das noch ganz anders aus: Da sprachen sich 63 Prozent für das Parken auf dem Bordstein aus, nur 31 Prozent dagegen.

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