Brustkrebs-Bluttest

Die Bluttest-Erfinder fühlen sich ausgebootet

Team forschte jahrelang am Uniklinikum - Dessen Leiterin wurde ohne Begründung abgesetzt

25.03.2019 UPDATE: 26.03.2019 06:00 Uhr 2 Minuten

Das Wissensmagazin "Onyx" titelte Ende 2016: "Frau Yang entlarvt den Brustkrebs". Foto: RNZ-Repro

Von Sebastian Riemer

Heidelberg. Als Rongxi Yangs Mutter 2008 an Brustkrebs erkrankte, schwor sie sich: Ich nehme den Kampf gegen diese Krankheit auf - und ich werde ihn gewinnen. Rund acht Jahre später war die Molekularbiologin kurz vor dem Ziel. Der von ihr und ihrem Team am Universitätsklinikum Heidelberg entwickelte Bluttest für Brustkrebs konnte im September 2016 schon in über 95 Prozent der Fälle korrekt die Diagnose Brustkrebs stellen.

Der Test, den Prof. Christof Sohn und das Universitätsklinikum am 21. Februar 2019 - also mehr als zwei Jahre später - vorstellten, hat lediglich eine Trefferquote zwischen 70 und 80 Prozent. Dies kann allerdings auch daran liegen, dass vor drei Jahren noch deutlich weniger Blutproben von Frauen getestet worden waren.

Seit 2010 arbeitete Yang an dem Projekt am Uniklinikum, das damals noch "Mammascreen" hieß - 70 bis 100 Stunden die Woche. Und mit großem Erfolg: Im April 2016 erhielt das Projekt ein Stipendium vom Bundeswirtschaftsministerium zur Gründung eines Start-ups. Yang selbst bekam zahlreiche Preise, allein im Jahr 2016 etwa den "EIT Health Summit Preis" und den mit 10.000 Euro dotierten "Breast Cancer Research Junior Award" der Claudia von Schilling Foundation.

Alles lief wie am Schnürchen - bis plötzlich etwas sehr Seltsames passierte. Nach Angaben mehrerer Beteiligter, mit denen die RNZ sprach, wurde Yang Ende März 2017 plötzlich über ihre Absetzung bei dem Mammascreen-Projekt informiert. Ohne Erklärung, ohne Begründung. Prof. Sarah Schott, eine ehemalige Studentin von Frauenklinik-Chef Christof Sohn, übernahm die Leitung - vom einen auf den anderen Tag. Schott hatte zuvor zwar bei den Blutproben-Analysen geholfen, war aber nicht im "Mammascreen"-Team.

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Hintergrund

Heidelberg. (rie) Fünf Firmen sind an der Vermarktung des am Uniklinikum entwickelten Bluttests für Brustkrebs beteiligt. Eine

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Heidelberg. (rie) Fünf Firmen sind an der Vermarktung des am Uniklinikum entwickelten Bluttests für Brustkrebs beteiligt. Eine Übersicht über die Firmen und ihre Eigentümer laut Handelsregister:

> Die Heiscreen GmbH ist die einzige, die bisher öffentlich in Erscheinung getreten ist. Von ihr stammt die Formulierung vom "marktreifen Bluttest" - die vom Uniklinikum verbreitet wurde - und sie hat auch die exklusive Medienpartnerschaft mit der Bild-Zeitung ("Weltsensation") eingefädelt. Gegründet wurde die Firma im Oktober 2017 zum Zweck der "Entwicklung eines Tests zur Früherkennung von Brust-, Eierstock- und Pankreaskrebs und anderen Tumorentitäten" sowie der "Kommerzialisierung" dieses Tests. Die Technology Transfer Heidelberg GmbH, eine Tochterfirma des Uniklinikums (siehe unten), hält 48,6 Prozent der Anteile, Frauenklinik-Chef Christof Sohn 4,9 Prozent und seine Mitarbeiterin Sarah Schott 7,3 Prozent. Dem Unternehmer Jürgen Harder gehören über seine MSB Mammascreen Beteiligungs-GmbH 39,2 Prozent der Firma. Die Geschäftsführung haben Sohn und ein Mann namens Theodor Özen inne.

> Die MSB Mammascreen Beteiligungs GmbH gehört dem bekannten Hockenheimer Unternehmer Jürgen Harder. Der Lebensgefährte von Ex-Schwimmstar Franziska van Almsick kennt Frauenklinik-Chef Christof Sohn schon viele Jahre: Im Januar 2007 entband Sohn persönlich das erste gemeinsame Kind der beiden. Die MSB Mammascreen wurde am 18. Juli 2017 - also vor den beiden Firmen Heiscreen und Heiscreen NKY (siehe unten) - gegründet. Ihr Zweck ist "der Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (...), die im medizinischen Bereich (...) tätig sind, unter anderem zur Früherkennung von Brustkrebs". Am 7. November 2017 stieg Harders Firma bei der Heiscreen GmbH ein: Sie übernahm 39,2 Prozent der Anteile. Und Harder hat - im Gegensatz zu den anderen drei Gesellschaftern - ein Vorzugsrecht: Wichtige Beschlüsse kann die Firma ohne seine Zustimmung nicht treffen.

> Die Technology Transfer Heidelberg GmbH (TTHD) wurde Ende 2011 gegründet, um am Uniklinikum entwickelte Erfindungen zu vermarkten - gemeinsam mit Partnern aus der Industrie. Die Firma, die im Neuenheimer Feld sitzt, gehört zu 90 Prozent dem Uniklinikum. Zwei der drei Geschäftsführer von TTHD, Volker Cleeves und Jörg Rauch, halten persönlich je fünf Prozent der Anteile. Als dritter Geschäftsführer fungiert der Leiter der Rechtsabteilung des Uniklinikums, Markus Jones. Die TTHD ist mit 48,6 Prozent an der Heiscreen GmbH beteiligt - und mit 80 Prozent an der Heiscreen NKY GmbH (siehe unten).

> Die Heiscreen NKY GmbH wurde bisher von allen Beteiligten verschwiegen. Sie wurde zeitgleich mit der Heiscreen GmbH im Oktober 2017 gegründet. Ihr offizieller Unternehmenszweck: die Entwicklung eines Tests zur Früherkennung von Brust-, Eierstock- und Pankreaskrebs "für die Region China" samt der Kommerzialisierung dieses Tests. Die TTHD hält 80 Prozent der Anteile, Christof Sohn acht Prozent und Sarah Schott zwölf Prozent.

> Die NKY Medical Holdings ist ein chinesisches Chemie-Unternehmen. Der Medizin-Bereich ist eine der größten Sparten der Firma. Frauenklinik-Chef Christof Sohn und seine Mitarbeiterin Sarah Schott waren diverse Male bei der Firma zu Besuch. So unterzeichnete Sohn schon im November 2017 als Vertreter des Uniklinikums eine Kooperationsvereinbarung mit der Firma. Vor gut drei Wochen, Anfang März, eröffneten Sohn und Schott im chinesischen Wuhan ein Brustkrebs-Forschungszentrum, bei dem NKY Medical und das Uniklinikum zusammenarbeiten.

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Dann wurde nach RNZ-Informationen Yangs Karte deaktiviert, sie hatte keinen Zugang mehr zum Labor und ihrem Büro. Sie bekam ein anderes Büro zugewiesen und musste von nun an gegenüber Schott und Sohn Rechenschaft über ihre Arbeitszeiten und jede Mittagspause ablegen. Angesichts dieser Umstände verließ Yang zwei Monate später das Universitätsklinikum. Heute arbeitet die 36-Jährige an der Medizinischen Fakultät in Nanjing.

Auch ihre Teamkollegen verließen zu dieser Zeit allesamt das Uniklinikum. Und zwei weitere Forscher, Prof. Barbara Burwinkel und Prof. Andreas Schneeweis, die gemeinsam mit Yang den eigentlichen Bluttest erfunden und eine ganze Patentfamilie zu dem Brustkrebs-Bluttest angemeldet hatten, arbeiten heute zwar noch am Uniklinikum, haben aber auch nichts mehr mit dem Projekt zu tun.

Mehrere ehemalige Beteiligte am "Mammascreen"-Projekt, mit denen die RNZ sprach, fühlen sich betrogen. Sie sehen sich um die Früchte ihrer Arbeit gebracht, noch mehr ärgert sie aber, wie das Uniklinikum sie ausgebootet hat.

Rongxi Yang war nicht nur als Forscherin erfolgreich, sondern zog auch Investoren an Land. Ihr Ziel war es schon 2016, den Bluttest im Jahr 2019 als Labor-Kit auf den Markt zu bringen. Dazu stellte sie selbst den Kontakt zu dem Unternehmen NKY Medical aus China her. Bis März 2017 war sie bei allen Verhandlungen zwischen der Technology Transfer Heidelberg GmbH (TTHD) und den Chinesen dabei. Doch bei einer denkwürdigen Sitzung im März 2017 verließen die TTHD-Geschäftsführer Jörg Rauch und Volker Cleeves plötzlich unter nach RNZ-Informationen fadenscheinigen Gründen empört den Saal, brüskierten die chinesische Delegation und ließen die Zusammenarbeit platzen.

Nachdem Yang das Uniklinikum verlassen hatte, stellte TTHD den Kontakt zu NKY Medical offenbar wieder her - und vereinbarte schließlich eine Kooperation.

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