Wohl kein Gratis-ÖPNV für Minderjährige
Die Mehrheit der Stadträte lehnt den kostenlosen ÖPNV für Minderjährige ab. Auch Alternativen seien zu teuer. Die Grünen sagen: Ausbau ist wichtiger.

Von Sarah Hinney
Heidelberg. Nach dem Vorbild der französischen Partnerstadt Montpellier wollte Oberbürgermeister Eckart Würzner den Nahverkehr in Heidelberg stufenweise kostenlos anbieten. Bereits im Frühjahr konnte man an vier Samstagen testweise ohne Ticket einsteigen, das war Stufe eins. Im Herbst sollte Stufe zwei folgen: kostenlose Fahrten für Unter-18-Jährige und ein 200-Euro-Zuschuss zum ÖPNV-Jahresticket für Über-60-Jährige. Stufe drei wäre dann der Gratis-Nahverkehr für alle – was freilich nur mit Bundesgeldern realistisch wäre.
Doch nun wird es wohl nichts mit diesem Plan. Die Mitglieder im Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Mobilität haben den Vorschlag von OB Eckart Würzner und seiner Verwaltung am Mittwochabend mit breiter Mehrheit abgelehnt. Die endgültige Entscheidung trifft der Gemeinderat, wo die Mehrheiten aber genau so verteilt sein dürften.
Würzners Gratis-Nahverkehr für Minderjährige und die Subvention für Menschen ab 60 würde die Stadt jedes Jahr rund neun Millionen Euro kosten. Den Fraktionen von Grünen, SPD, GAL, Linke und "Bunte Linke" war das schon Ende März im Klimaausschuss zu teuer. In einem gemeinsamen Antrag hatten sie die Verwaltung daher beauftragt, die Kosten für weitere Varianten eines kostenlosen oder preisreduzierten ÖPNV zu prüfen, der nur für das Stadtgebiet und nicht für den ganzen Verbund gilt.
Am Mittwochabend tagte der Ausschuss erneut. Eine Fachfirma hatte zwischenzeitlich elf weitere Varianten durchgerechnet, darunter auch Kalkulationen, in denen zusätzlich Inhaber des Heidelberg-Passes für Menschen mit wenig Geld Berücksichtigung finden. Ergebnis: Alle Varianten sind im Mittel ähnlich teuer, wie es der ursprüngliche Vorschlag war. Würzner und die Verwaltung wollten deshalb an der Montpellier-Variante festhalten.
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Die SPD brachte im Ausschuss hingegen plötzlich eine ganz eigene Idee ins Spiel und beantragte, ein Jahresticket zum Monatstarif von fünf Euro für alle Personen unter 21 Jahren einzuführen. Zudem sollten alle Heidelberg-Pass-Inhaber den ÖPNV für drei Euro im Monat nutzen dürfen. Und Bernd Zieger (Die Linke) schlug spontan auch noch eine Variante vor: ein Zwölf-Euro-Jahresticket für Unter-18-Jährige, Über-60-Jährige sowie Heidelberg-Pass-Inhaber. Beide Anträge wurden mit großer Mehrheit abgelehnt.
Alexander Föhr (CDU), der für Würzners Vorschlag plädierte, kritisierte die SPD scharf: "Sie gehen nicht einen Schritt weiter, sie machen es teurer. Das finden wir sehr schade." SPD-Stadtrat und OB-Kandidat Sören Michelsburg hatte den Vorschlag seiner Partei auch damit begründet, dass "die Situation für Familien seit März deutlich schwerer geworden ist". Zudem sei vergessen worden, dass Schüler länger als bis zum 18. Lebensjahr zur Schule gingen. "Trotzdem sollte das Ticket nicht kostenlos sein", so Michelsburg.
Unterstützung bekam Föhr von Larissa Winter-Horn (Die Heidelberger), die intensiv für die Gratis-Variante warb: "Alle Familien müssen aktuell und künftig Preissteigerungen stemmen. Mit dem kostenlosen ÖPNV könnten wir sie alle entlasten. Das Neun-Euro-Ticket auslaufen zu lassen ohne Anschlussmodell wäre fatal."
Stadtrat Michael Pfeiffer (GAL) hingegen fühlte sich vom Vorschlag des Oberbürgermeisters und der Verwaltung "wie eine Sau durchs Dorf getrieben". Es gebe vieles, was gerade von Bund und Land im Kommen sei, sagte Pfeiffer und plädierte dafür, die Haushaltsberatungen abzuwarten: "Geld freizugeben für Leute, die es gar nicht nötig haben, halte ich für unsinnig", so Pfeiffer.
Auch Grünen-Fraktionschef Derek Cofie-Nunoo sagte: "Wir möchten nicht mit der Gießkanne ausschütten." Er kritisierte zudem, dass die Debatte über die Ziele untergegangen sei. Arnulf Weiler-Lorentz (Bunte Linke) merkte an: "Ökologie mit sozialer Unterstützung zusammenzubringen, funktioniert halt schlecht." Überdies hole ein günstiger Nahverkehr noch lange nicht die Autofahrer in Bus und Bahn. Christoph Rothfuß (Grüne) kritisierte vor allem, dass nach wie vor nicht ersichtlich sei, wie der Gratis-Nahverkehr gegenfinanziert werde. Zudem betonte er: "Wir wollen den Ausbau des ÖPNV vorantreiben. Das steht für uns vor Preissenkungen."