Was für ein Comeback – So schön war der Fastnachtsumzug 2023
Beim Fastnachtszug feierten bis zu 150.000 Menschen. Dem Besuch aus Südtirol machte es besonders viel Spaß.

Von Holger Buchwald, Sarah Hinney, Julia Schulte und Sebastian Riemer
Heidelberg. Strahlendes Wetter und frühlingshafte 17 Grad herrschten am Dienstag beim 175-Jahr-Jubiläum des Heidelberger Fastnachtszugs. Die Eindrücke unserer Reporterinnen und Reporter in der Innenstadt:
> So viel los war lange nicht mehr: Rund 150.000 Menschen waren laut Polizei zum Umzug in die Innenstadt gekommen. Zugmeister Joe Schwarz schätzte etwas vorsichtiger: 120.000. Klar ist: Es waren deutlich über 100.000 Menschen und damit mehr als doppelt so viele wie beim letzten regnerischen Fastnachtszug 2020 – und wahrscheinlich auch mehr als beim letzten richtig gut besuchten Umzug im Jahr 2018. Rund um den Bismarckplatz – auch schon in der Bergheimer Straße und am Anfang der Hauptstraße – war es richtig voll. Ständig fragten Passanten dort die Polizei: "Wie kommt man denn da durch?" Die Antwort: "Hier gar nicht." Zwischen Neugasse und Anatomiegarten gab es am Straßenrand aber auch verwaiste Stellen.
> Die Südtiroler waren die größte Attraktion: Was für eine Bereicherung für den Fastnachtszug: Aus dem südlichsten Dorf Südtirols waren "Perkeos Maschggra" angereist. Salurn ist das Heimatdorf von Perkeo, der als Hüter des Großen Fasses in Heidelberg berühmt – und zur Symbolfigur der Heidelberger Fastnacht – wurde. Und so haben die Salurner ihren eigenen Perkeo (siehe Interview unten) samt einer großartigen Fastnachtskultur. Ihre hyperaktiven Schnappviecher – mehr als drei Meter hohe, selbst gebastelte und 22 Kilogramm schweren Figuren, die unentwegt das Maul auf- und zuschnappen lassen und dabei laut klappern – waren eindeutig die größte Attraktion am Dienstag. Sie waren kaum einzufangen, galoppierten permanent querfeldein ins Publikum – und zauberten Kindern wie Erwachsenen ein Lächeln ins Gesicht. Am Rosenmontag waren die Salurner laut deren Bürgermeister Roland Lazzari per Bus mit 35 Personen angereist. "Bis Mitternacht wird noch gefeiert, dann wird der Maschggra-Anzug abgelegt", sagte der "Chef" des 3800-Seelen-Dorfes.
> Blendende Laune auf und neben der Strecke: In Sachen guter Stimmung standen die Heidelberger Fastnachter den Südtiroler Freunden in nichts nach. Schon ganz am Anfang in der Bergheimer Straße hatten einige Zuschauer Schellenringe dabei und feuerten die Narren auf den Wägen damit an. Der Elferrat der Perkeo-Gesellschaft schoss goldenes Konfetti in die Menge – und schenkte Zuschauern bei Bedarf auch gerne Sekt nach. Wie immer ganz besondere Stimmungskanonen: die Ziegelhäuser – ob die Hexen aus dem Stadtteil, das kostümtechnisch rot entflammte Petersdäler Bergvolk oder Bald-Bundestagsabgeordneter und Präsident der Ziegelhäuser Karnevalsgesellschaft (ZKG) Alexander Föhr. OB Eckart Würzner, der auf dem ZKG-Elferratswagen mitfuhr, verteilte sogar kleine Prosecco-Fläschchen. Richtig zum Tanzen brachte die Zuschauer die stimmungsvolle Musik der "Knöllsche" von der Karnevalsgesellschaft der Polizei.
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> Wurfgeschosse gab’s auch in gesund: Fest zum Repertoire gehören schon die lustigen Gemüsefreunde von "Vegan in Heidelberg", die mit ihren leckeren Karotten alle erfreuten, die kein Popcorn mehr sehen konnten. Denn Popcorn war – auch das eine Tradition – das Hauptwurfgeschoss vieler Narren. Natürlich gab es auch Gutsel, Chipstüten – und sogar Markenschokoriegel. Apropos Wurfgeschoss: Prinzessin Sophie I. von der Thielsburg vom Karnevalsverein Insulana Ilvesheim legte in ihre Bonbon-Würfe mitunter zu viel Kraft – und am Straßenrand mussten die Leute in Deckung gehen. Zum Glück warf der Insulana-Elferrat nicht so dolle – denn er hatte große Hartseifenstücke im Angebot. Der Heidelberger Carneval Club Blau-Weiß (HCC) indes brachte Kuscheltiere unters Volk – und da waren die Kinder richtig scharf drauf.
> Immerhin drei Motivwagen: Motivwagen-Armut hat in Heidelberg Tradition. Aber es gab dann doch das "weiße Rössl" des HCC, das über Coronaviren springt – und den energiepolitischen Wagen der Pfaffengrunder Karnevalgesellschaft mit kaputtem Strommast, vielen derangierten Ölfässern – und einem Windrad. Die Kurpfälzer Trabanten indes visionär mit ihrem "HD-Tunnel-Traum" eines Neckarufertunnels.
> Was kostümmäßig im Trend lag: Die 80er-Jahre sind zurück. Nie waren so viele türkis-lila-pinke Jogginganzüge, kombiniert mit Tennissocken, Adiletten und Schweißbändern zu sehen – ob das aber immer eine Verkleidung war? Egal, zur Schlager-Musik passte der Style perfekt. Auch das Krümelmonster erlebte ein Revival und wurde mindestens fünfmal gesichtet.
> Am Ende war es eine große Party: Um 16.35 Uhr rückte der Heidelberger Perkeo Thomas Barth den symbolischen Rathausschlüssel wieder raus und übergab ihn auf der Marktplatz-Bühne an OB Würzner. Für Tausende, die vors Rathaus gezogen waren, ging die Sause jetzt erst richtig los. "Wir sind nicht mehr aufzuhalten", dröhnte es aus den Lautsprechern. Als der wegen seines sexistischen Textes stark umstrittene Schlager "Layla" lief, verließ Würzner schnell die Bühne, während einige Fastnachtsgranden grölend weitertanzten. Die Menge tobte. Bis in den Abend wurde gefeiert.