Größerer Rechtsruck blieb in Heidelberg aus
Die Machtverhältnisse verschieben sich kaum: Die Grünen bleiben fast doppelt so stark wie die CDU. Es war die höchste Wahlbeteiligung seit 1994.

Von Holger Buchwald und Denis Schnur
Heidelberg. Jetzt ist es amtlich: Am Dienstag um 11.20 Uhr sind auch in Heidelberg alle 149 Wahlbezirke ausgezählt, und das Ergebnis, das sich bereits am Vortag angedeutet hatte, bestätigt sich: Heidelberg bleibt eine Hochburg der Grünen. Auch wenn sie im Vergleich zur Wahl 2019 "nur" noch 26,41 Prozent holen (minus 5,49 Prozent) können sie immer noch 13 der 48 Sitze erobern und bleiben fast doppelt so stark wie die zweitplatzierte CDU (14,6 Prozent, sieben Sitze). Die SPD landet mit 12,39 Prozent und sechs Sitzen auf Platz drei.
Während die Großen allesamt Federn lassen mussten oder stagnierten, heißt der große Gewinner der Kommunalwahl 2024 Volt. Die proeuropäische Partei kandidierte zum ersten Mal auf lokaler Ebene und übertraf mit 5,77 Prozent sogar noch die AfD, "Die Linke" und die FDP. Damit erringt Volt auf Anhieb die drei Sitze, die für den Fraktionsstatus notwendig sind. Freuen können sich auch die "Heidelberger", die 10,72 Prozent holen und nun fünf statt bisher drei Sitze haben.
Sowohl "Die Linke" als auch die FDP verloren im Vergleich zu vor fünf Jahren etwas weniger als ein Prozent. Der Verlust ist aber umso schmerzlicher, da beide jetzt nur noch zwei statt drei Sitze haben und damit ihren Fraktionsstatus verlieren. Das heißt, sie können nicht mehr aus eigener Kraft Anträge einbringen, sondern müssen sich dafür immer Unterstützer von anderen politischen Kräften suchen.
Die AfD hingegen gewinnt einen Sitz hinzu und bildet nun eine eigene Fraktion. Erstmals zieht auch die "Initiative Demokratie und Aufklärung" (IDA), die sich aus Protest gegen die Corona-Maßnahmen und deren Folgen gegründet hat, in den Gemeinderat ein. Sie wird dort von dem Neuenheimer Arzt Gunter Frank vertreten.
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Die Kräfteverhältnisse im neuen Gemeinderat haben sich durch diese Wahl aber kaum verschoben. Das bürgerliche Lager von CDU, "Heidelberger", FDP und "Freie Wähler", das traditionell OB Eckart Würzner unterstützt, gewinnt nur einen Sitz dazu – und kommt nun zusammengenommen auf 15 Stadträte.
Die bisherigen Mitte-Links-Parteien Grüne, SPD, Linke, "Bunte Linke", GAL, "Die Partei" und "Heidelberg in Bewegung" haben zwar in Summe sechs Sitze verloren. Dafür dürfte jedoch Volt mit ihren drei Stadträten häufig mit ihnen stimmen und den Verlust teils ausgleichen.
"Mitte-Links" kommt somit rechnerisch auf eine deutliche Mehrheit von 29 Stimmen. Einen gemeinsamen Nenner zu finden, wird aber wie in der Vergangenheit nicht leicht werden. Denn im amtierenden Gemeinderat ist die Mehrheit sogar noch komfortabler – dennoch schafften es die Parteien oft nicht, sich zu einigen.
Wie gut die Zusammenarbeit über die Lagergrenzen hinweg funktionieren wird, muss sich auch erst noch zeigen – denn in den großen Fraktionen sind viele neue Gesichter. Und in der CDU-Fraktion sitzen mit Thomas "Perkeo" Barth und Hans Breitenstein zwei Stadträte, die im Wahlkampf die Grünen mit ihrem Kettensägen-Grünschnitt-Bild provoziert hatten.
Geschwächt gehen die vielen sozial-ökologischen Bürgerinitiativen aus der Kommunalwahl hervor, von denen einige Vertreter auf den Listen der GAL und der "Bunten Linken" kandidiert hatten. Strotzten sie nach den Bürgerentscheiden gegen die Verlagerung des Betriebshofes auf die Ochsenkopfwiese und gegen das Ankunftszentrum auf den Wolfsgärten noch vor Kraft, so zeigt sich nun, dass es womöglich ein Fehler war, die Kräfte nicht zu bündeln, wie es einige Mitglieder der GAL wenige Monate vor der Wahl vorgeschlagen hatten.
Die Heidelberger waren so politisiert wie selten zuvor. Die Wahlbeteiligung stieg im Vergleich zu 2019 leicht von 64,9 auf 65,9 Prozent. Damit hat Heidelberg die höchste Beteiligung seit 1994 erreicht. Es ist der dritthöchste Wert überhaupt bei einer Kommunalwahl in der Stadt.
Auch deswegen ist der Rechtsruck geringer ausgefallen als von vielen befürchtet. Denn im Emmertsgrund und auf dem Boxberg, wo die AfD mit 23,94 und 20,38 Prozent stärkste Kraft wurde, lag die Wahlbeteiligung gerade einmal bei 41,03 und 44 Prozent. In Neuenheim und Handschuhsheim mit Wahlbeteiligungen von 73,42 und 73,07 Prozent kamen die Rechtspopulisten hingegen nur auf drei Prozent.