Lösen Lastenräder das Lieferproblem?
Stadt will ein neues City-Logistik-Konzept – Experte legt Projektskizze vor – Paketdienste sind skeptisch

Ein Fahrradkurier präsentierte vergangenen Mai die neuesten DHL-Lastenrad-Modelle in der Berliner Innenstadt. Foto: dpa
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Für die einen klingt es wie ein Luftschloss, für die anderen wäre es der Durchbruch, um ein zentrales Verkehrsproblem in der Heidelberger Altstadt in den Griff zu bekommen: Pakete und andere Lieferungen könnten künftig in der Innenstadt mit Lastenrädern ausgefahren werden. Wilko Manz vom Institut für Mobilität und Verkehr (imove) der Technischen Universität Kaiserslautern stellte vor Kurzem im Arbeitskreis "Verkehrsberuhigung Altstadt" eine entsprechende Projektskizze vor. Das Bundesverkehrsministerium stellte dafür sogar Fördermittel in Aussicht. Noch im Januar will Manz den Förderantrag vorlegen. Das Konzept könnte dann bis Juni ausgearbeitet werden, sodass die Pilotphase im Frühjahr 2019 starten kann.
Lieferwagen, die in der engen historischen Altstadt die Sicht und den Weg versperren, sind den Anwohnern und Eltern von schulpflichtigen Kindern schon lange ein Dorn im Auge. Manz hat sich das Ziel gesetzt, durch ein neues City-Logistik-Konzept die Verkehrssicherheit zu erhöhen, die Lieferungen von verschiedenen Paketdiensten nach Möglichkeit zu bündeln und somit die Attraktivität der Altstadt zu erhöhen. Das System soll im Idealfall auf andere Städte übertragbar sein. Es ist kein fester Bestandteil des Verkehrsberuhigungskonzeptes Altstadt, das vor allem auf Poller setzt, sondern eine Ergänzung.
Ein Knackpunkt für Manz ist der Standort für den Umschlagplatz, wo die Ware von den Lkws auf Lasten-Pedelecs oder -Fahrräder umgeladen werden kann. Er glaubt, dass mindestens ein Ort in der Nähe der Kernaltstadt gefunden werden müsse, der von drei Lastwagen zeitgleich angefahren werden kann. Zudem würde Manz es begrüßen, wenn die unterschiedlichen Paketdienste von DHL über UPS bis hin zu DPD miteinander kooperieren und sich auf ein Lastenradsystem einigen könnten. Der Experte könnte sich überdies dreirädrige Fahrzeuge mit einer Spurbreite von 80 Zentimeter bis zu einem Meter vorstellen. "Dadurch haben wir zwar mehr Verkehr in der Altstadt, er stört aber weniger", so Manz.
In Tübingen und Esslingen wurde bereits ein Teil des Lieferverkehrs auf Lastenräder verlagert, so Manz. Dabei handele es sich aber eher um ein ergänzendes Angebot, nicht um einen Ersatz. Andere funktionierende Modelle aus den Niederlanden könnten nur bedingt zum Vergleich herangezogen werden, da es dort unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen gebe, betonte der Professor. Manz: "Es ist nicht so einfach, den Lieferwagen den Weg in die Altstadt zu verbieten." Stattdessen hofft er, den Paketdiensten die Vorteile solch eines Konzepts aufzeigen zu können.
Auch interessant
Zumindest ein Mitglied im Arbeitskreis "Verkehrsberuhigung Altstadt" zeigte sich angesichts der Ausführungen von Manz sehr skeptisch: Gerd Seber, der in dem Gremium den Bundesverband Paket und Expresslogistik vertritt. "Die Synergien, die dadurch entstehen sollen, sind mir nicht klar", sagte er.
Vor allem bräuchten die Paketdienste bei solch einem Konzept mehr Personal, um die Ware von den großen auf die kleinen Fahrzeuge zu verteilen. Am Rande der Arbeitskreissitzung macht Seber auf ein weiteres Problem aufmerksam: Die Fahrer der Paketdienste lieferten bei den Geschäftsleuten in der Altstadt nicht nur Ware ab, sondern nehmen auch gleich deren Pakete mit. Die Serviceleistungen der unterschiedlichen Anbieter seien zudem sehr unterschiedlich.
Bei den meisten Anwohnern kam die Idee für ein neues City-Logistik-Konzept hingegen gut an. Doch auch Manz weiß, dass noch viele Hürden aus dem Weg zu räumen sind: Wie sieht es zum Beispiel aus, wenn Ware gekühlt werden muss? Bietet sich auch dafür ein Lastenradsystem an? Die Getränkelieferung für Gaststätten sei mit kleinen Fahrzeugen jedenfalls nur schwer denkbar.
"Dass alle Geld und Zeit sparen, kann ich nicht versprechen", betont Manz. Ungeachtet dessen befürwortet Hans-Peter Gruber von der Interessengemeinschaft Verkehr, dass ein neues City-Logistik-System auf jeden Fall umgesetzt werden und die Stadt im Notfall dafür die Kosten tragen sollte. Auch wenn es doch keine Fördergelder geben sollte.