Schimpansen im Heidelberger Zoo haben eine bewegte Lebensgeschichte
Die Senioren-WG hat sich zusammengerauft - Seit November ist auch Epulu richtig angekommen

Von Sarah Hinney
Heidelberg. Stille Mäuschen, schräge Vögel, Rampensäue – Tiere haben ihren ganz eigenen Charakter. Und wo lässt sich das besser beobachten als im Zoo? Leider ist der Heidelberger Zoo geschlossen. Damit die Tiere nicht in Vergessenheit geraten, stellt die RNZ einige Zoobewohner und ihre Charaktereigenschaften vor. Ganz besonders die Haltung von Affen in Zoos wird in der Öffentlichkeit immer wieder diskutiert und hinterfragt. Sie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Auch die fünf Schimpansen in Heidelberg haben alle eine bewegte Geschichte hinter sich.
Wer seid ihr denn? Conny, Lulu, Susi, Heidi und Epulu leben gemeinsam im Affenhaus – in einer regelrechten Rentner-WG, denn alle fünf Tiere sind schon um die 50 Jahre alt und damit sehr betagt. Schimpansen haben eine maximale Lebenserwartung von etwa 60 Jahren. Und das merkt man ihnen auch an – beispielsweise bei der Fütterung. Zur Beschäftigung der Tiere verpacken ihre Pflegerinnen und Pfleger Obst und Gemüse gern in ausgemusterten Feuerwehrschläuchen. Diese Spielchen lassen sich die Schimpansen gerade noch gefallen. Aber das mühsame Herausfummeln von Leckereien aus dem großen Beschäftigungskasten an der Wand des Affenhauses – das ist ihnen in ihrem Alter definitiv zu viel Aufwand.
Was macht euch besonders? Die vier Schimpansen-Damen leben seit Mitte der achtziger Jahre gemeinsam in Heidelberg. Schimpansenmann Epulu kam im September 2019 aus Wuppertal, den ersten Kontakt zu den Damen hatte er im Oktober. Die Heidelberger WG schien passend für den sensiblen Affen-Senior und ist es tatsächlich. Auch wenn es fast ein Jahr und viel Geduld erfordert hat, die Tiere nach und nach aneinander zu gewöhnen – seit Herbst 2020 funktioniert die WG sehr gut und die fünf Schimpansen sind nun immer zusammen.
Und was sollte man sonst über euch wissen? Alle fünf Schimpansen haben ihre ganz eigene Geschichte. Drei von ihnen sind Wildfänge – nicht im übertragenen Sinne. Sie wurden tatsächlich als Baby in der Wildnis gefangen. Vor einem halben Jahrhundert war das ganz normal. Auch heute kommt das leider noch vor, aber nicht, um sie in Zoos zu bringen. Tiergärten bekommen grundsätzlich keine Wildfänge mehr. Es gibt ein Erhaltungszuchtprogramm und fast alle Menschenaffen, bis auf die ganz alten, sind bereits in Zoos geboren. Conny gehört zu diesen Alten. Sie verbrachte dann die ersten 15 Jahre ihres Lebens in Liberia, Westafrika, bei einer Familie – einer Menschenfamilie. Und dort hat man offenbar versucht, einen kleinen Menschen aus ihr zu machen, denn als sie in den Zoo kam, konnte sie noch mit Messer und Gabel essen.
Auch interessant
Lulu ist in der Schweiz geboren. Damals machte man noch Kunststückchen mit Schimpansen wie ihr, zog ihnen Kleider an, brachte ihnen Radfahren bei. Tiere, die so sozialisiert wurden, haben ganz eigene Charakterzüge. Sie in einer funktionierenden Affengemeinschaft zusammenzubringen, erfordert besondere Sensibilität und viel Fingerspitzengefühl. Denn wer als Affe die prägenden Jahre seines Lebens unter Menschen und nicht unter seinesgleichen verbrachte, der hat gewisse affentypische Fertigkeiten nie gelernt. Ein Auswildern der Tiere beispielsweise wäre unmöglich.
Was seid ihr für Persönlichkeiten? Alle fünf Tiere sind besonders. Susi gilt als Krankenschwester der Gruppe. Jeder Kratzer ihrer WG-Mitbewohner wird versorgt, sie hilft, wo sie kann und am liebsten ist es ihr, wenn sich alle lieb haben. Die engste Bindung hat sie zu Heidi, der Chefin der Bande. Heidi hat alle im Griff und ist überdies extrem futterneidisch. Nur mit Susi teilt sie gern. Heidi gilt auch als manipulativ. Wenn sie einen Pfleger nicht mag, stiftete sie auch mal Mitbewohner an, etwas nach ihm zu werfen. Wohlwissend, dass sie selber schrecklich schlecht werfen kann. Lulu ist nie mit Menschen warm geworden, sie sind ihr nur willkommen, wenn es Futter gibt.
Conny hingegen ist stark auf Menschen bezogen – kein Wunder angesichts ihrer Kindheit und Jugend. Sie kommt mit den anderen Affen in der Gemeinschaft klar, aber sie hat in all den Jahren keine enge Bindung zu den anderen aufgebaut. Und Epulu? Er ist eher sensibel und diplomatisch. Konflikte sind ihm suspekt. Er wird deshalb nie der Chef der Affenbande sein – aber das muss er ja auch gar nicht. Hauptsache, die fünf Schimpansensenioren können gemeinsam einen friedlichen Lebensabend in Heidelberg verbringen. Den haben sie sich angesichts ihrer Geschichte schließlich redlich verdient.
Info: Wer den Zoo unterstützen möchte, kann spenden an: Sparkasse Heidelberg, BIC: SOLADES1HDB, IBAN: DE 65.6725.0020.0000.0159 11.