Jetzt bleibt nur noch der Abriss
Bald rücken die Bagger an - Hier war einst der Ort für große Filmpremieren mit viel Starrummel

Acht Jahre nach seiner Schließung ist das Schlosskino, gelegen im Innenhof der heutigen Volksbank Kurpfalz, ist nur ein Schatten seiner selbst. Der Denkmalschutz für die 1937 gebaute Halle (Bildmitte) wurde mittlerweile aufgehoben. Foto: Philipp Rothe
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Das Ende des traditionsreichen Schlosskinos naht: Mittlerweile hat die Volksbank Kurpfalz, der das gesamte Areal hinter ihrem Hauptsitz in der Hauptstraße 42-46 gehört, Angebote von Abbruchfirmen eingeholt. Ein Termin für den Abriss steht noch nicht fest, vor allem haben sich zuvor noch etliche Fotografen aus der gesamten Region angesagt, die unbedingt den morbiden Charme des verlassenen und ausgeräumten Lichtspielhauses dokumentieren wollen. Wie die RNZ berichtete, war der Denkmalschutz für den Komplex aufgehoben worden, weil eine Sanierung wirtschaftlich nicht darstellbar sei - und zudem eine sinnvolle Nachnutzung nicht in Sicht sei.
Das Schlosskino, gegründet 1910, ist nach dem "Gloria" (seit 1905) das zweitälteste Filmtheater Heidelbergs - es hieß allerdings bis 1933 noch "Neues Theater". An die bewegte Geschichte erinnert Oskar Ferdinand Richter in seinem Beitrag "Kinogeschichten" (2000). Richter, der 2010 starb, war eine der zentralen Figuren der Heidelberger Kinolandschaft, der den "Faulen Pelz"(ab 1954), das Schlosskino (ab 1955), das "Lux-Harmonie" (ab 1956) und später auch noch das "Europa" (Weststadt) und "Regina" (Bergheim) leitete. Filmgeschichtlich ist das Schlosskino vor allem deswegen interessant, weil dort nach dem Zweiten Weltkrieg, am 17. August 1945, der erste Film in einem Heidelberger Kino gezeigt wurde - der 1940 gedrehte US-Streifen "Der junge Edison". Die Amerikaner hatten alle Lichtspielhäuser beschlagnahmt, die alten Inhaber oder Pächter, die alle Mitglied in der NS-"Reichsfilmkammer" waren (oder sein mussten), erhielten Betriebs- und Hausverbot.
Ein kommissarischer Leiter namens Haftendorn, der von den Nazis politisch verfolgt worden war, übernahm zunächst diese Aufgabe und zeigte um 13 und um 15.30 Uhr die Streifen, die die Filmoffiziere der Amerikaner freigegeben hatten. Der Vorpächter des Schlosskinos, Artur Kusch, lieferte sich einen Prozess mit den Hausbesitzern, um wieder an alte Erfolge anknüpfen zu können - schließlich hatte er 1937 den großen Saal bauen lassen. Noch während der Gerichtsstreitigkeiten, die er schließlich verlieren sollte, starb Kusch 1955, seine Lebensgefährtin, eine Frau Van de Loo, übernahm den Betrieb bis 1955.
Dann traten die Süddeutschen Filmbetriebe von Hubertus Wald, bei denen Richter angestellt war, auf den Plan: Sie renovierten das in die Jahre gekommene Haus und statteten es neben einer komplett neuen Bestuhlung vor allem mit der damals aktuellen Cinemasope-Technik aus. Am ersten Weihnachtsfeiertag 1955 war Neueröffnung mit 725 Plätzen. Ziemlich zeitgleich erwarb Richters Firma auch das Gebäude des Wormser Hofs und errichtete dort mit "Millionenaufwand" (Richter) das neueste Großkino. Die Lichtspiellandschaft sah damals so aus: Im "Harmonie" und im "Lux" liefen die Spitzenfilme, das Schlosskino spezialisierte sich auf Familienstreifen, das "Studio Europa" sowie der "Faule Pelz" zeigten eher künstlerische Werke, nur das "Regina" war eine Art cineastische Resterampe.
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Das Schlosskino erlebte seinen wohl stolzesten Moment bei der Premiere des Schmachtfetzens "Alt-Heidelberg" am 21. Dezember 1959 - mit den Hauptdarstellern Christian Wolff (später durch "Forsthaus Falkenau" bekannt), Sabine Sinjen und Rudolf Vogel. Diese Wiederverfilmung des "Student Prince" lief sehr erfolgreich, der Rummel in der Stadt war beträchtlich - samt einem riesigen scheinwerferbeschienenen Werbeplakat auf dem Bismarckplatz, einem Sonderpostamt sowie einem Kutschenkorso der Schauspieler durch die Hauptstraße. Schon bei den Dreharbeiten hatte sich Richter eingebracht - und managte die Unterkunft der Crew im "Europäischen Hof" genauso wie die Verpflegung, die das Gasthaus "Zum Seppl" stellte.
Schon damals begann der Siegeszug des Fernsehens, in der Kinolandschaft setzte ein dramatischer Umbruch ein. Mittlerweile war der neue Trend der Mini-Säle (auch "Kino-Center" genannt) geboren, auch das Schlosskino erhielt drei unterschiedlich große Räume. Auch die Betreiber wechselten immer schneller: Nachdem sich Hubertus Wald 1972 aus dem Filmgeschäft verabschiedet hatte, kam Olympic, 1981 die UFA, 2002 Alfred Speiser und schließlich 2005 die Heidelberger Kinoprinzipalin Inge Mauerer-Klesel.
Doch es sah nicht gut aus: Die Zuschauer blieben weg, auch wenn sich vor allem Speiser und Mauerer-Klesel mit vielen Aktionen besondere Mühe gegeben hatten, dem Schlosskino zu altem Glanz zu verhelfen. Oskar Ferdinand Richter hatte derweil mit der Filmwirtschaft abgeschlossen, 1980 ging er mit 60 Jahren in den Ruhestand - und betrauerte das unrühmliche Ende der "guten alten Zeit" mit glanzvollen Premieren oder dem familiären Betriebsklima in den Kinos, in denen es unter seiner Leitung kaum personelle Wechsel gab.
Der letzte Film im Schlosskino lief am 31. Januar 2009, dann begann eine neue Ära: Es wurde neben dem "Opernzelt" auf dem Gelände der Alten Feuerwache zur zweiten Spielstätte des Heidelberger Theaters während seiner Sanierung. Ab der Spielzeit 2009/10 nutzte vor allem das Schauspiel die alten Säle - bis das Stadttheater am 24. November 2012 an alter Stelle wiedereröffnet wurde. Dann fiel auch das "Theaterkino" in einen über fünfjährigen Dämmerzustand. Und jetzt, ausgeweidet und marode wie es ist, bleibt nur noch der Abriss.



