"Die Patientensicherheit steht auf dem Spiel" (plus Video)
Rund 800 Menschen demonstrierten für mehr Personal - Uniklinik: Überlastung in Heidelberg kein so großes Problem

Rund 800 Demonstranten kamen am 24. Januar zur zentralen Kundgebung des Verdi-Warnstreiks am Heidelberger Uniklinikum im Neuenheimer Feld. Auch an den drei anderen Unikliniken des Landes wurde gestreikt. Archivfoto: Alex
Von Maria Stumpf und Birgit Sommer
Heidelberg. Mit Trillerpfeifen, Trommelklängen und Transparenten zogen am gestrigen Donnerstag rund 800 Demonstranten durch das Neuenheimer Feld. Von der Chirurgie ging es über die Kinderklinik bis zur Kopfklinik. Sie waren dem Aufruf der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gefolgt, die unter dem Motto "Mehr von uns ist besser für alle" zu einem Warnstreik des Pflegepersonals der vier Unikliniken in Baden-Württemberg aufgerufen hatte.
"Es ist an der Zeit, das was passiert", formulierte eine Teilnehmerin ihren Groll. Der Warnstreik sei notwendig, weil schon im Sommer 2017 die dritte Verhandlungsrunde ergebnislos geblieben sei. "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Pflege klaut", skandierten die Demonstranten. "Die Station ist voll, der Dienstplan leer", beschrieb eine Teilnehmerin ihren Arbeitsalltag: "Es wird immer schlimmer." Die 59-Jährige ist seit 40 Jahren Krankenschwester. "Wir sind oft zu zweit auf der Station, dabei müssten wir sechs sein." Besonders nachts sei die Situation "beängstigend". Die Patienten könnten nicht richtig versorgt werden.
Eine 50-jährige Kollegin bestätigte: "Die Patientensicherheit steht auf dem Spiel. Und die Gesundheit des Pflegepersonals." Es gebe immer mehr krankheitsbedingte Ausfälle. Und sogar die Zeit für Toilettengänge oder Trinkpausen fehle, ergänzte eine junge Krankenschwester: "Ich bin 25, wie soll das denn weitergehen?" Auch Auszubildende trugen ein Transparent mit Solidaritätsbekundungen.
Gestreikt wurde auch in Ulm, Tübingen und Freiburg. In Heidelberg aber war die zentrale Kundgebung. Von den 800 Teilnehmern reisten 150 aus Tübingen an. Viele Redner, darunter Irene Gölz als Verdi-Verhandlungsführerin, formulierten ihre Forderungen: Die Gewerkschaft will deutlich machen, dass es bei den Protesten nicht um höhere Löhne geht - sondern um mehr Personal. "Wir müssen die Arbeitssituation der Krankenschwestern und Pfleger verbessern", so Gölz. "Entweder mehr Personal oder weniger Arbeit."
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Verdi möchte zusammen mit den Arbeitgebern für jede Station der vier Kliniken im Land einen eigenen Pflegeschlüssel erstellen. Zudem soll eine Mindestbesetzung auf allen Pflegestationen definiert werden - und Maßnahmen, wenn diese Untergrenzen nicht eingehalten werden. "Bisher haben wir von den Arbeitgebern nur so eine Art Mängelverwaltung angeboten bekommen", erklärte Gölz.
Die Versorgung der Patienten blieb gestern sichergestellt. Verdi hatte mit dem Vorstand des Uniklinikums eine Notdienstvereinbarung abgeschlossen. Dennoch hatte der Warnstreik Auswirkungen: Statt in 42 wurde nur in zwölf OP-Sälen des Uniklinikums gearbeitet. Die Notfallversorgung klappte laut Pflegedirektor Edgar Reisch gut. Er bezifferte die Zahl der Demonstranten auf 600 bis 800 - und betonte, dass darunter auch viele Auswärtige waren. So seien drei Busse mit Pflegekräften aus Freiburg angereist, andere kamen aus Homburg/Saar - und auch Unterstützer von der Partei "Die Linke" der SPD sowie von der IG Metall seien dabei gewesen.
Was die Gewerkschaft fordert, strebt Reisch selbst an, wie er sagt. Für das Jahr 2018 habe der Klinikumsvorstand 65 Vollzeitstellen zusätzlich genehmigt, ein Zuwachs von fünf Prozent. Reisch ist zuversichtlich, dass er die Stellen trotz Pflegekräftemangels besetzen kann. Von starren Personalschlüsseln, wie von Verdi gefordert, hält er nichts. "Das ist ein statistischer Wert," sagt Reisch. "Wir haben eine Personalbedarfsberechnung nach Schweregrad der Erkrankungen; das ist gerechter, denn der Pflegeaufwand ist unterschiedlich."
Ein festgelegtes Konsequenzenmanagement bei zu wenig Personal, das bis hin zur Bettenschließung reicht - wie es Verdi fordert -, lehnt Reisch ab. Er will sich die Verantwortung nicht aus der Hand nehmen lassen, denn schließlich sei in einem Haus der Maximalversorgung - wie dem Uniklinikum - alles schwer planbar. Ein Pool an Springern, der Einsatz von Leasingkräften oder bei Problemen ein Gespräch am Runden Tisch - das alles gebe es bereits. Im Jahr 2017 bekam die Personalabteilung laut Reisch 270 Überlastungsanzeigen von Mitarbeitern aus 80 Stationen: "Nicht mal eine pro Tag."



