Pflegedienst "am Ende"

"Heidelberger Hauspflege" gibt auf

100 Kunden müssen einen neuen Pflegedienst suchen. Das größte Problem ist der Personalmangel.

28.12.2022 UPDATE: 28.12.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 50 Sekunden
Sie sind traurig, dass sie die „Heidelberger Hauspflege“ nach über 60 Jahren schließen müssen, aber es gibt keine Alternative (v.l.): Geschäftsführerin Barbara Zapf, Wolfgang Böhm vom Trägerverein und Krankenschwester Doris Harra. Foto: Rothe

Von Leon Kaessmann

Heidelberg. Als die leitenden Mitarbeiter der "Heidelberger Hauspflege" kurz vor Weihnachten in ihren Räumlichkeiten in Bergheim zusammensitzen, merkt man ihnen die Erschöpfung an. "Überforderung", "fertig mit den Nerven" oder "einfach müde" sind Auszüge des Gesprächs mit der RNZ, in dem der Pflegedienst seine Auflösung bekannt gibt. Nun müssen sich über 100 Kunden, von denen manche täglich ambulant betreut wurden, nach einer Alternative umsehen — nach oft jahrelanger Zusammenarbeit mit denselben Pflegern. Der Grund für die Schließung ist kurz gesagt: "Der katastrophale Zustand des Gesundheitssystems", wie es Pflegedienstleiterin und Geschäftsführerin Barbara Zapf sagt. "Nun sind wir am Ende angekommen."

Die Heidelberger Hauspflege ist unter den Pflegediensten der Region so etwas wie ein Traditionsunternehmen. Seit über 60 Jahren betreut das gemeinnützige Unternehmen Menschen, die Unterstützung im Alltag brauchen. Älteren, Kranken oder Familien hilft sie vor allem ambulant — also in gewohnter, häuslicher Umgebung. "Wir bieten persönliche Betreuung in allen Lebenslagen, helfen bei der Hauswirtschaft und auch bei medizinischen Geschichten", sagt Zapf, die den Pflegedienst seit über 20 Jahren leitet. Nun muss sie ihren Kunden zum 31. Januar 2023 kündigen. In dem Schreiben, das die Betroffenen zum 27. Dezember — ganz bewusst erst nach Weihnachten — erreicht hat, steht eine Reihe an Gründen. Doch das größte Problem ist die Personalnot.

"Wir finden absolut keine Mitarbeiter mehr", erklärt Wolfgang Böhm, Vorstand des Trägervereins. Es gebe gesetzliche Vorgaben für den Abschluss von Versorgungsverträgen, die man ab April 2023 nicht mehr erfüllen könne, erklärt er. Demnach benötigt der Dienst mindestens drei Fachkräfte mit dreijährigem Examen. Ab April möchte Pflegedienstleiterin Zapf eine "neue berufliche Herausforderung" antreten, wie sie sagt. "Deshalb suchen wir seit Monaten auf allen Kanälen", erklärt Zapf, doch es finde sich einfach niemand.

"Was sollen wir denn noch tun?" Die Mitarbeitersituation verschlechtere sich seit Jahren kontinuierlich. Nachwuchs zu finden sei "fast unmöglich", so Silke Klasen, stellvertretende Pflegedienstleiterin. Denn die wenigen Leute, für die eine Pflegeausbildung infrage käme, würden im Zweifel eher in die Krankenpflege gehen. "Die großen Träger und Wohlfahrtsverbände haben da einen klaren Vorteil", erklärt sie, "da können wir finanziell leider nicht mithalten."

Auch interessant
Heidelberg: Gesundheitsbranche ist vom Fachkräftemangel besonders betroffen
Wiesloch: 65 der Betroffenen haben neue Pflegeverträge (Update)

Doris Hansen ist langjährige Mitarbeiterin der Heidelberger Hauspflege. Seit über zehn Jahren hilft sie dort bedürftigen Menschen als Pflegefachkraft. Eigentlich mag Hansen ihre Arbeit sehr: "Man kriegt von den Leuten so viel zurück", erzählt sie. Doch wie der Großteil des Personals ist Hansen schon seit geraumer Zeit stark überarbeitet. "Wir gehen auf dem Zahnfleisch", berichtet sie. Während der Pandemie sei die Belastung noch einmal immens gestiegen, dabei sei der Zustand der Branche schon vorher "nicht gut" gewesen. "Durch die allgemeine Überforderung bei uns ist auch der Krankenstand stark angestiegen", sagt Hansen, "denn auf immer weniger Schultern liegt immer noch die gleiche Last".

Parallel zur personellen ist in den letzten Jahren auch die wirtschaftliche Situation immer schwieriger geworden, so Barbara Zapf. Man habe immer mehr überlegen müssen, "lohnt sich der Kunde noch?" Es sei "sehr traurig", dass die Patienten "immer mehr in den Hintergrund rücken". Denn der Qualitätsanspruch bei der Heidelberger Hauspflege ist hoch, in Rankings habe man immer Bestnoten erhalten, die Kunden seien zufrieden. "Viele verlassen uns nie mehr — bis zum Ende", erzählt Mitarbeiterin Hansen, die die Menschen teilweise über zehn Jahre lang begleitet.

"Da baut sich eine zwischenmenschliche Beziehung auf." Das Verhältnis zwischen Pflegern und Kunden findet nun ein Ende. "Das wird ein echter Schock für viele", sagt Zapf traurig, "doch wir lassen niemanden im Stich." Auf den Kündigungsschreiben sind Kontaktdaten von anderen Pflegediensten angegeben; auch können sich die Gekündigten an ein eigens eingerichtetes Service-Telefon wenden.

Laut Wolfang Böhm kommen alle kürzlich ergriffenen Maßnahmen der Regierung, darunter die angekündigte Pflege- oder Krankenhausreform, viel zu spät. "Man hätte den Beruf vor zehn, 20 Jahren attraktiver machen müssen", findet er. Teilweise könnten sich die neuen Vorgaben sogar zum Nachteil der zu Pflegenden auswirken, erklärt Zapf. "Wenn wir uns an immer steigende Tarifverträge halten müssen, geht das auch auf Kosten der Versorgungsqualität."

Der Verein, der hinter der Heidelberger Hauspflege steht, die nun liquidiert wird, soll trotz allem bestehen bleiben. Im Februar wolle man schauen, wie es weitergeht, so Böhm. "Vielleicht konzentrieren wir uns nur auf die Hauswirtschaft", sagt er, "da besteht auch ein immenser Bedarf." Man wolle wahrscheinlich eine Plattform für ausschließlich ehrenamtliche Helfer schaffen.

Die 22 Mitarbeiter der Heidelberger Hauspflege, darunter acht Vollzeitkräfte, müssen sich nun neue Arbeit suchen. Viele kommen bei anderen Pflegediensten unter. An Jobangeboten mangelt es ihnen nicht.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.